Achte Szene


[51] Maria allein.


Was bitte ich noch? Ach, der Undankbare!

Aus jener Nacht, in die entehrende

Geburt ihn hingeschleudert, hab ich ihn

Entrissen und wie meinen Bruder stets

Behandelt, wenn er auch entsprossen war

Aus unerlaubtem Bett. Ich habe ihn

Geehrt, ihn mit Vertrauen überladen,

Doch o wie schlecht hat er mir Dank gewusst.

Er suchte mich zur Ungerechtigkeit

Zu bringen. Recht und Sitte sollt ich ändern

Um ihn emporzuheben. Jetzt erbittet

Er wieder von mir, was er längst verscherzt,

Verlangt von neuem ungerechte Handlung,

Versucht sogar es mit Beleidigungen

Und Drohungen. Was trieb ihn an zu solchem

Vermessnen Übermut?

Und wie verwandtschaftlich

Mein Schwager sich benimmt, wie er mich anklagt,

Wie jene Lords so kecklich reden, wie

Im Lande wieder Unruhen entstehn,

Was ist von allem dem der Grund? Ich dachte

Wohl, dass die Dinge eine andre Wendung[51]

Jetzt nehmen müssten, doch dass dies so schnell

Eintreffen würde, hab ich nicht erwartet.

Es geht mit diesen Lords wie mit den Hunden

Von wilder und von bissiger Natur:

Solang die Peitsche an dem Nagel hängt,

Sind sie zu zügeln und zu leiten, doch

Wenn sie den wuchtgen Stock zerbrochen sehn,

Erheben sie voll Frechheit ihre Köpfe.

Er nur war's, der die Zügel anzulegen

Verstand für jene Zügellosen, und

Mit seinem Sturze brechen sie hervor –

Ein Weib genügt da nicht sie aufzuhalten –

Und werden anmaassend, erheben sich,

Und trennen von der Königsmacht soviel,

Bis sie zum Spielball wird in ihren Händen,

Zum Spielball ihrer Launen und Begierden.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 51-52.
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