Achtzehntes Kapitel.

Von dem magnetischen sympathischen Pulver des Vitriols, dessen Ursprung, Bereitung, Gebrauch und wunderseltsamer Wirkung zu heilen, das entzündete Geblüt, ohne Anrühren des Menschen, zu kühlen, das Fieber zu vertreiben, die Schmerzen der Zähne zu stillen, die rothe Ruhr zu kuriren und das Seitenstechen zu benehmen etc., mit beigefügten Grundursachen.

[271] Dem grundgütigen Gott kann man nicht genugsamen Dank sagen, daß er uns, zu dieser[271] letzten Zeit, so viele herrliche, unsern lieben Vorfahren ganz unbekannte Sachen zu offenbaren und also den Menschen eine weit klarere und vollkommenere Wissenschaft natürlicher Dinge, als vorhin mitzutheilen, so hoch gewürdigt hat. Wir wollen allhier nur das sympathische Pulver fürstellen, von dessen Wirkung man in vorigen Zeiten nichts gewußt, wie aber solches in Europa bekannt geworden, sollen von dem Urheber dieses sympathischen Pulvers aus Graf Kenelm Digby Eröffnung unterschiedlicher Heimlichkeiten der Natur angezeigt werden. Er sagt nämlich, daß neulich aus Indien, Persien und China ein Carmelitermönch zu Florenz angekommen wäre, der daselbst unterschiedene wunderbare Heilungen mit diesem Pulver gethan, und solches große Geheimniß Niemand lehren wollen, bis er es hochgedachtem Herrn Grafen, nach erwiesenem hohen Gefallen, zur Dankbarkeit geoffenbart. Selbiges Jahr sey besagter Carmelit wieder in Persien gereist, daher der Herr Graf glaubte, daß er der Einzige in Europa sey, der dieses große Geheimniß wisse. Er hätte es hernach den verständigen König Jakobum in England, der eine besondere Gabe und wunderbare Geschicklichkeit, natürliche Dinge zu erwägen und deren Grund zu erforschen gehabt, gelehrt, wie auch nachgehends des Königs oberstem Leibarzt Mayerern davon Eröffnung gethan, der dem Herzog von Mayenne part hievon gegeben, dessen Barbier, der dem Herzog mit Handanlegen geholfen, es nach dessen Tod verschiedenen Personen, das erstemal vor[272] 1200, das anderemal vor 9000 Rthlr. communicirt. Nachgehends sey es so gemein geworden, daß fast kein Medikus, Apotheker und Chirurg heut zu Tag zu finden, der nicht einige Wissenschaft davon hätte. Der Vitriol, wie Paracelsus sagt, ist ein sehr herrliches Mineral, so allzeit von den Erfahrnen dieser Kunst, seiner großen Kräfte halber, sehr hoch gehalten worden ist und eine philosophische Erde genannt wird, welche das wahre Salz, Schwefel und den Mercurium Philosophorum in sich hält, so auf eine besondere Manier, welche die Natur vorgeschrieben hat, und gar nicht durch eine violente oder gewaltsame Calcination oder Distillation davon muß separirt werden. Denn auf diese Weise separirt sich die wahre grüne Farbe selbst von dem Körper, so todt hinterstellig bleibt und sich in einen rothen flüchtigen Schwefel verändert. Drei urständige Dinge enthalten sich in der Natur: Der Schwefel vergleicht sich mit dem Element des Feuers; das Salz der Erde und das Quecksilber ist der Luft und dem Wasser gleich. Etliche wollen, daß das Feuer mit der Luft vermischt den Schwefel herfür bringe; das Wasser und die Luft das Salz; das Wasser und die Erde den Mercurium zeuge. Weil dann nun das Vitriolum viel schädliche Unvollkommenheiten in sich enthält, als mußt du, wenn du anders solches Arkanum aus ihm bereiten willst. zuvor das Schädliche und Unvollkommene von ihm scheiden.

Auf welche Weise aber solche Scheidung und[273] Reinigung des Vitriols und Bereitung des sympathischen Pulvers am füglichsten geschehen möge oder könne, davon sind verschiedene Meinungen. Etliche pulverisiren den Vitriol, dissolviren ihn in einem verglasirten Gefäß, setzen ihn nach der Filtration und Extraktion in einem Kessel über das Feuer und procediren damit. Andere stellen den Vitriol im Anfang des August in das reinste Wasser zu dissolviren und vermittelst eines glatten Papiers zu überziehen, darauf lassen sie dieses Wasser, nach Anweisung der protechnischen Kunst, ausdämpfen, stellen es hernach 15–18 Tage in die Sonne auszubrennen, thun auch wohl zur Verstärkung der Kraft und Wirkung einen andern Zusatz hinzu.

Die Kraft, Wirkung und Ausfließung der Sterne, sonderlich in die unterste Welt, ist zufälligerweise vielerlei, ungleich und unterschiedlich nach der Größe, Ort, Stand, Licht, Farbe, Höhe, Zeit und Weite von der Erde, wodurch die Sterne wirken, bald Hitze, bald Kälte, bald Donner, Blitz, Hagel, Schnee, Sturmwind, Regen, Gewässer etc. Ein merkliches Exempel haben wir an dem Hundsstern, Canis major oder Sirius genannt, dessen Hitze, weil die Sonne ihm am nächsten ist, in den Hundstagen also wächst und zunimmt, daß auch die Hunde davon wüthend werden, die Bäche austrocknen, Kräuter und Blumen verdorren, ja gar die Menschen und Thiere von großer Hitze tödtlich krank werden und den folgenden Herbst dahin fallen und gar sterben; er macht in den Kellern sauer Bier[274] und erregt viele Flüsse und hitzige Fieber in den Menschen. Durch dieser himmlischen Lichter Kraft und Tugend wachsen und nehmen auf, zu und ab die Thiere, Gewächse, Kräuter und Mineralien.

Wiewohl nun bei aufgehendem Hundsstern die Luft so hitzig wird, daß alle Körper vor Hitze matt werden, die Hunde in eine Wuth gerathen, die Vipern und Schlangen gleiches empfinden, die Meer erhitzen, die Luft eine verborgene schädliche Beschaffenheit an sich nimmt, daß auch kein Same, der unter diesem Gestirn gesäet wird, wächst: So hat doch der Vitriol mit diesem Hundsstern, weil er unter allen Sternen der hitzigste ist, eine große Sympathie und nahe Verwandtschaft, daß er jenem durch seine heißen Strahlen eine wundersame Kraft und Wirkung zueignet.

Als gedachter Graf vor fast 40 Jahren sich zu Frankfurt etwas aufhielt und ihm ein schweres Hauskreuz zugestoßen, hatte ich die Ehre, mit diesem so hoch qualificirten Herrn in Kundschaft zu gerathen, und gegen erwiesene Courtoisie und Kommunikation anderer Kunststücke das Geheimniß-Pulver der Sympathie mit dem Gebrauch zu erlangen; dessen Präparation und Verfertigung verhält sich also, wie ich es hiernächst zu O., auch hernach zu B. auf dreierlei Weise mit großem Fleiß verfertigt, und dessen wunderbare Wirkung öfters in dem Werk befunden habe. Erstlich nahm ich nach des Herrn Grafen mündlicher Lehre den besten Cyprischen[275] Vitriol 1 Pfund, zum andern Gummi Tragant halb soviel, nämlich ein halbes Pfund, und zum dritten eine große Quantität gemeinen Vitriols, pulverisirte ein jedes absonderlich in einem hölzernen Mörser (er mag auch von Stein seyn), denn er verliert sonst von einem eisernen oder metallenen Mörser durch die Anziehung seine Kraft. Dieses rein gestoßene Pulver trieb ich durch ein Sieblein, that ein jedes auf ein besonders dazu gemachtes und rings umher aufgeschlagenes Pappenkästlein, legte es den 13. Juli (als wo die Sonne in den Löwen tritt), mit deren Anfang bis zu deren Niedergang an die Wärme, rührte es mit dem Goldfinger oder einem Hölzlein um, des Nachts nahm ich es ein und ließ es des Tags in der Sonne (dem großen Distillirer der Natur) distilliren bis auf den 13. August, als zu welcher Zeit die Sonne aus dem Löwen in die Jungfrau tritt, und also wurde innerhalb vier Wochen das Unreine und Irdische durch die natürliche Wärme der Sonne hinweggenommen und verblieb die lautere Reinigkeit. Man muß aber gar genau in Acht nehmen, daß kein ungefähr fallender Regen darauf komme, auch kein einfallender starker Wind das Pulver hinwegwehe, daher ich zu dessen Verhütung mit Wahrheit sagen kann, daß ich innerhalb solcher Zeit wohl tausendmal selbst darnach gelaufen sey. Wiewohl ich auch in folgenden Jahren ein reines Glas zur Ueberdecke, wenn ich einen schleunigen Regen oder Wind besorgte, nützlich gebraucht.[276]

Wann nun die Zeit verflossen, legte ich einen Theil des Cyprianischen präparirten Pulvers in eine Schachtel; den andern Theil des Cyprischen Vitriols vermischte ich noch selbigen Tags in gleichem Gewichte mit Gummi Tragant, und that solches gleichfalls in eine besondere Schachtel, wie auch den gemeinen Vitriol, und verwahrte sie alle drei an einem temperirten Ort, und weil man dieses Pulver des Jahrs nur einmal, nemlich in den Hundstagen, ja wegen der großen Mühe und Aufsicht, auch öfters wegen anhaltender Regen und Sturmwinde nicht alle Jahr machen kann, habe ich hiernächst eine größere Quantität bereitet, und selbige alle folgende Jahr in einer Stube, wohin die Sonne durch die Fenster ihre Strahlen stark werfen konnte, wieder ausgelegt. Und dieses ist die wahrhaftige Zubereitung des sympathischen Pulvers.

Der vormalige Churfürst zu Mainz, Hr. Johann Philipp, war ein großer Liebhaber der natürlichen Geheimnisse und ein vortrefflicher Chymicus Practicus, bei demselben hatte ich im Jahr 1660 die Gnade, Audienz zu haben, und fand Ihre Churfürstl. Gnaden auf einem sammtnen Stuhl am Podagra sitzen, daher unser erstes Gespräch von solcher Krankheit war, und daß der Herr Graf zu Oldenburg sich dagegen der also genannten Polnischen Medicin bediente, welche ich erläutern mußte, daß Hr. D. Knöfelius dieselbe elaborirte, und bestünde ex Sale, Sulphure et Mercurio etc. Hierauf[277] kamen wir von diesem Pulver zu reden; Ihre Churfürstl. Gnaden sagten, sie hätten es auch vom Hrn. Graf Digby gelernt und machen lassen, befänden aber eine solche Wirkung nicht, käme auch mit dem Meinigen, so ich vorzeigte, nicht überein, dafür haltend, es müßte der Herr Graf es nicht offen herzig zu machen gezeigt haben; allein ich war der Meinung, es müßte der Laborant das Pulver in der Sonne nicht wohl beobachtet haben.

Hierauf wollen wir schreiten zu dem Gebrauch dieses wunderkräftigen Pulvers in Heilung der Krankheiten und Wunden ohne Berührung, ohne Gegenwart, abwesend, und doch ohne Zauberei. ohne Aberglauben, auf natürliche Weise.

Man macht dieses sympathische Pulver, wie vorhin angezeigt worden ist, auf dreierlei Weise; erstlich vom grünsten und reinsten Römischen oder Cyprischen Vitriol allein; vors ander mit Gummi Tragant in gleichem Gewicht vermischt; und zum dritten von gemeinem Vitriol, so sämmtlich durch der Sonnen Wirkung, jedes absonderlich calcinirt, von seiner Grobheit und Unreinigkeit subtil gemacht, bis sie zur gebührenden Zeit spiritualisch, leicht und rein worden und ihre Geisterlein vielfertiger machen müssen, gleichwie das Spießglas, das zuvor Gift, durch Calcinirung der Sonne, zu einer heilsamen und nützlichen balsamigten Arznei und vortrefflichen Stärkung der Natur wird.

Der Unterschied dieser drei Gattungen ist, daß die erste nicht so geschwind heilet; die andere,[278] weil der Gummi Tragant klebrichter Eigenschaft ist, geschwinder kuriret, daher dieses zusammengesetzte Pulver bei zerbrochenen Beinen oder zerschmetterten Schäden gebraucht wird. Die dritte aber wegen der Schwäche in großer Quantität muß genommen und gebraucht werden. Deren Gebrauch besteht hierin, als


Vor das Fieber.

Wenn jemand das Fieber hat, lasse er bei der Hitze seinen Urin auf ein Tuch (etliche sind der Meinung, eine Weibsperson solle ein Stück von eines Manns Hemd, und also im Gegentheil von einem Weibshemd gebrauchen, ich halte es aber vor einen Tand), so groß als ein kleines Schnupftüchlein, streue darauf hin und wieder ganz dünne mit einem Papier, Hölzlein oder der Hand das Pulver. (NB. Man darf mit keinem Stahl oder Eisen, wegen der starken Anziehungskraft, das Pulver berühren), je stärker die Hitze ist, je kühler, etwa in einem Keller, oder sonst auf einem hölzernen Teller muß das Tüchlein liegen. Vergeht die Hitze und die Kälte kommt herbei, muß das Tüchlein in den Sack oder zu sich in das warme Bett, oder einen andern laulechten Ort, ja auch nach Größe der Kälte an eine etwas warme Stelle gethan werden, dabei zu continuiren, und allezeit des Patienten Temperament zu beobachten, so lang, bis er seine natürliche Kälte und Hitze wieder bekommt; denn wie das Tuch ist, so erzeiget sich auch der Patient in Frost oder Hitze.
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Vor große Hitze, selbige zu benehmen.

Wenn die Hitze nicht zu löschen und man dem Patienten zur Ader lässet, so netzet man ein Tüchlein im Blut, wickelt es zusammen und legt es an einen kühlen Ort in Keller, oder hängt es in einen tiefen Brunnen, jedoch muß es nicht naß werden; alsbald vergeht die Hitze.


Vor das Zahnweh.

Wenn jemand Zahnweh hat, muß er selbige Zähne mit einem Hölzlein oder andern Instrument sticheln, daß er Blut oder andere Materie auf ein kleines Tüchlein bringet, hierauf ein wenig Pulver gestreut, in Sack zu sich gesteckt, so vergehet der Schmerz. Man muß aber allezeit sich vorsehen, daß man dem Feuer oder Ofen mit dem Sack, darin das Tüchlein ist, nicht zu nahe komme. Wenn man auch ein wenig Pulver in ein reines Tüchlein einbindet und auf dem Zahn kauet, vergehen die Schmerzen alsbald; die auslaufende Materie muß man aber auswerfen.


Vor die Wunden.

Das erste Blut auf ein Tuch oder Gebände mit dem Pulver gestreuet, die Wunde das erstemal mit laulicht-warmem Wein gesäubert, und dann nur mit einem Gebäude sauber gehalten; Morgens mit nüchternem Urin gereinigt; ist die Wunde tief, den gesäselten Leinwand[280] tief hinein gesteckt, und das abgenommene, darauf etwa Feuchtigkeit, Materie oder Eiter ist, Morgens und Abends oder mehrmals, nachdem die Materie häufig ausfließt, wieder (so lange die Wunde blutig oder flüßig ist) bestreuet, zusammen gewickelt, bei sich im Sack, als einem temperirten Ort, getragen, schließt die Adern zu, stillet das Blut und heilet die Wunde ohne Narben sehr bald zu. Man setzt auch das Becken, darin das mit dem Blut genetzte und mit diesem Pulver bestreute Tuch, den Tag über ein wenig an die Sonne, des Nachts aber an einen andern warmen Ort, damit das Geblüt in einer natürlichen Wärme, und weder zu heiß, noch zu kalt gehalten werde.

Nach der Heilung wirst man alle gesammelten Tüchlein in ein fließendes Wasser. Wo der Kalte Brand zu einem Schaden schlägt, oder man selbigen befürchtet, thut man den Vitriol in eine Schüssel voll frischen Wassers und wirst das Gebände hinein, so wird der Verwundete alsbald eine Kühlung empfinden und die Schmerzen sich legen; ist aber die Hitze gefährlich, so läßt man dem Patienten zur Ader, netzet ein Tüchlein in dem Blut, wickelt es zusammen und legt es in kühlen Keller auf einen hölzernen Teller, alsbald wird die Hitze vergehen. Inmittelst muß sich der Patient eines keuschen Lebens befleißigen. Wenn das Läpplein in der Hitze liegt, so empfindet der Verwundete auch starke Hitze, liegt es in der Kälte, so empfindet er auch starke Kälte, daher muß man mit dem[281] Gebände gar behutsam umgehen, daß man nicht etwa damit dem Feuer oder Ofen zu nahe komme, sonst wird es dem Patienten große Schmerzen verursachen. Solchergestalt heilet dieses Pulver alle fließende Schäden. Darum muß man das geringste Requisitum nicht verabsäumen. Läßt man das geringste aus, oder thut zu viel, so kann die ganze Sache verdorben werden.


Vor die rothe Ruhr.

Dieses Pulver soll seine Kraft beweisen in der rothen Ruhr und andern schädlichen Durchfälligkeiten, wenn solches nur auf das, was vom Menschen gehet, allemal ausgestreut wird.

Vor das Seitenstechen ein herrliches Mittel.

Man gebe dieses Pulver vom puren Vitriol einer Erbsen groß dem Patienten in Holderblüthewasser ein und laß ihn schwitzen. Kann der Patient sich bewegen, ist es besser.

Solchergestalt kurirt dieses Pulver durch Gottes Gnade viele menschliche Zufälle und fließende Schäden, so von Hitze oder Kälte herrühren, aber mit liebreichem Verlangen und sorgsam angewendeter Huld, wenn nämlich der Verwundete ein großes Vertrauen zu Gott, wie in allen Kuren geschehen soll, setzt.

Daß der Vitriol eines der höchsten Mittel sey wider Entzündung der Augen, das Nasenbluten zu stillen, Balsam oder Oel abzuziehen, und sonsten große Tugenden an sich habe, ist den Medicis und Chirurgis bekannt.


Von der kräftigen Wirkung dieses Pulvers.

[282] Als einsmals zwei Engländer mit einander uneinig worden, daß sie ihre Sache durch den Degen auszuführen bereit stunden, da kam von ungefähr dazu I. Howel, des Herzogs von Buckingham Secretarius, ein gelehrter Mann und vertrauter Freund dieser streitigen Personen, welche er von Stund an zu vertragen sich bemühete, und daher zwischen sie einlief, zu dem Ende auch das Gefäß des einen und die Klinge des andern Degens ergriff. Der eine von den Streitenden riß dem friedsamen Howel aus großem Eifer die Klinge durch die Hand, und zerschnitt ihm damit zugleich alle Adern, Sehnen und Muskeln bis auf die Knochen. Unterdessen hatte der andere sein Gefäß auch losbekommen, welcher nach seines Gegenparts Kopf einen gewaltigen Streich führte, welchen aber Howel, hinter welchem sich der andere verbarg, mit seiner schon hart verwundeten Hand, welche er in die Höhe schlug, auffing, und also auswendig eben so sehr als inwendig an der Hand verwundet wurde. Wie nun die zwei Gegner ihren Freund also heftig bluten sahen, liefen sie einmüthig hinzu, ihm zu helfen, verbanden ihm die Hand mit Hosenbändern und was sie in der Eile bekamen, um das Blut zu stillen, führten ihn auch alsbald zu einem Arzt, der die erste Verbindung thäte. Dieser Fall kam dem damals regierenden König Jakob bald zu Ohren, welcher seinen Leibchirurgus augenblicklich zu[283] dem Verwundeten sandte, mit Befehl, nicht das geringste an seiner Heilung zu versehen. Obgedachter Hr. Graf Digby wohnte damals nicht gar weit von des Howels Logement, daher dieser Patient etwa fünf Tage nach seiner Blessur früh Morgens zu Hrn. Graf Digby kam, da sich derselbe alleweil ankleidete und ihn seiner Wunden wegen um Rath fragte, massen ihm dessen Erfahrung in dergleichen Sachen schon bekannt, zudem auch seine Wunden so schlimm waren, daß die Wundärzte genug zu thun hatten, dem sogenannten kalten Brand zu steuern. Mit einem Wort, an seinem ganzen Wesen war zu ersehen der große Schmerz, welchen er fühlte, und den er auch für unerträglich ausgab. Hr. Graf Digby sprach damals, daß er bereit wäre, ihm zu helfen, wenn er aber sehen würde die Art und Weise seiner Kur, nemlich daß er dieselbe verrichte ohne einzige Besichtigung und Fühlung der Wunden, dürfte er vielleicht alsdann den Wundarzt bald abschaffen, in der Meinung, daß seine Kur abergläubisch und ohne Nachdruck wäre. Er antwortete aber, die großen Wunder, so viele Personen ihm von seinen Kuren erzählt hätten, ließen ihn nicht zweifeln an einem guten Ausgang.

Auf diese Rede begehrte Graf Digby ein Stück Leinwand, an welchem noch etwas von dem Blut seiner Wunden hing, da dann Howel sobald nach dem Band seiner ersten Verbindung sandte; inmittelst ließ der Herr Graf ein Becken mit Wasser bringen, als wenn er seine Hände[284] waschen wollte, nahm aber eine Handvoll pulverisirten Vitriols oder gemeinen Kupferroths aus einer kleinen Lade, warf es ins Wasser und ließ es zerschmelzen; und als man ihm das Band brachte, steckte er dasselbe also besudelt und blutig darein. Howel hatte sich inzwischen mit einem Edelmann an dem andern Ende des Gemachs in ein Gespräch eingelassen, und hatte nicht beobachtet, was Graf Digby gethan. Er alterirte sich aber zur Stund mit einer großen Bewegung, daß ihn der Graf fragte, was er fühle? Ich weiß nicht, gab er zur Antwort, doch ist mir eben, als wenn mir Jemand ein nasses Tuch um meine Wunden schlüge, welches mich erkühlt und alle Schmerzen hinwegnimmt. Weil ihr denn, sprach Graf Digby hierauf, schon eine treffliche Wirkung meiner Arznei hieraus empfindet, so rathe ich euch, daß ihr alle Pflaster von euren Wunden hinwegschafft und bemüht seyd, die Wunden sein rein und in einer temperirten Hitze und Kälte zu halten. Diese Wundergeschichte kam alsbald vor den Herzog von Buckingham und gleich darauf vor den König selber, welche beide den Ausgang dieser Kur zu vernehmen begierig waren.

Nachmittags zog der Herr Graf die besudelte Leinwand wieder aus dem Becken und ließ es vor einem großen Feuer trocknen (da es denn nothwendig vorerst heiß werden mußte). Kaum war das Band getrocknet, da kam des Howels Diener zur Stunde, und berichtete dem Grafen Digby, daß sein Herr vor kurzer Zeit mehr Pein,[285] ja größere Hitze, als noch jemals an seinen Wunden empfunden hätte, es hätte ihn gedäucht, als läge seine Hand auf glühenden Kohlen. Der Graf antwortete: Obwohl solches jetzt geschehen, so sollte er darum getrost seyn. Der Graf Digby wisse die Ursache dieser Pein gar wohl, wollte auch schon Sorge tragen, daß sein Herr, ehe er wieder zu ihm käme, von seinen Schmerzen sollte befreit seyn; wenn er es aber anders an seinem Herrn befände, so sollte er stündlich wiederkehren und es ihm ansagen.

Hierauf senkte Graf Digby das besudelte Band wieder ins Vitriolwasser, worauf der Patient alsbald von allen seinen Schmerzen entledigt und seine Wunde in 5 oder 6 Tagen glücklich und gänzlich geheilt worden.


Ursachen dieser Wunderkuren, und woher selbige kommen?

Wegen solcher neuen und ungewöhnlichen Heilungskur, ohne Besichtigung und Fühlung der Wunden, fallen allerhand Urtheil vor, als ob eine solche Kur außer Grund und unrichtig sey, oder müßte Aberglauben oder Hexerei mit unterlaufen, gestalt sich der Teufel sehr kitzle, damit er die großen Werke des allmächtigen Gottes ohne Unterschied mit dem Schrecknamen des Aberglaubens beschmitzen möge. Solchem nach will ich die Ursachen, wie es zugehe und wodurch solche ungewöhnlichen Wunderkuren geschehen, aus willfährigem Gemüthe nach Vermögen[286] eröffnen und die Gegeneinwürfe widerlegen.

Man muß die Natur aus der Natur selbst heraussuchen, welche sich uns ganz nackt und bloß dargibt, erklärt sich auch selbst schlecht und recht. Wer aus der Natur selbst recht unterrichtet ist, der kann das Beste und Wahrhafteste fürstellen, denn in der Natur ist eine große Kraft, dieses und jenes zu wirken, wie auch in den Kräutern, Wurzeln, Metallen, diese und jene Krankheit zu heilen, verborgen, daß man sich über diese von Gott selbst seinen Geschöpfen in der Natur eingepflanzte Kraft und Wirkung öfters nicht genugsam verwundern kann, gleich über dieses gegenwärtig fürgestellte sympathische Pulver, wie es der Graf Digby nennt. Es befindet sich aber in dem Wort Sympathie eine natürliche Neigung oder nahe Verwandtniß mit diesem oder jenem tanquam simili gaudente simili, darin ein Unterschied ist, als deren Wirkung geht, theils in die Ferne, theils in die Nähe, theils hat eine Magnetenart, theils eine natürliche Verwandtschaft, theils hat natürliche Ursachen, theils seine verborgene Eigenschaft, theils rührt her aus gleichständiger Dinge gleichständiger Beschaffenheit, theils von einer Vergleichung oder von eines gleichen Temperament, oder gleichen Sinnes, aus welchem allen man ein vernünftiges Urtheil fällen muß.

Die Chymisten versichern uns, daß der Vitriol anders nichts als eine Einverleibung des gemeinen Geistes seye, der alles so unter dem[287] Mond ist, vollkommen und lebhaft mache. Er hat ein verborgenes wirkendes Leben oder Geist in sich, wie der Magnet und legt sich durch seine Wirkung offenbar an Tag, so er mit und in sich führt und erzeigt beweislich seine Gaben zur wiederbringenden Gesundheit, wenn solche durch Mittel der Kunst aus ihm getrieben wird, also daß vielerlei Nutzen aus ihm gebracht werden kann. Vitriol ist auch eine Salzart, aber viel durchsaugender als ein anderes Salz, wofern es noch zwei, oder auch das dritte zu sich nimmt, so durchdringt es alle Metalle, daher wird es ein Schlüssel aller Metalle genannt. Wie man aber daraus durch Verwandlung ein Kupferöl zur Kur innerlicher und äußerlicher Schäden machen soll, davon kann »Gutmanns Offenbarung Göttlicher Majestät« gelesen werden.


Es ist ein gemeines Sprichwort: Böses muß man mit Bösem vertreiben, und im Gegentheil, Gutes mit Gutem erhalten. Die Natur läßt sich nicht bessern oder ändern, denn in ihrer eigenen Natur; die Natur erfreut und ergötzt sich ihrer selbst eigenen Natur; sie empfängt es; sie vereinigt sich mit ihr; sie regiert es recht; sie bestärkt es; sie gebärt es; sie forderts; sie überwindets; sie behälts bei sich; sie verneuert; sie vermehrt; sie weist und räth; sie tingirt und erhöht ihre selbst eigene Natur und Wesen. Die edle und heilsame Kunst der Arznei und deren Wirkung berichtet hierin, daß man das Allzuhitzige erkühle, das Erkältete erwärme, das zu[288] viel Trockene befeuchte und das Ueberfeuchte recht und genugsam austrockne.

Daß der Vitriol aus den drei chymischen Principiis, als Sale, Sulphure et Mercurio, oder, welches besser ist, ex Spiritu bestehe, ist an einem andern Ort angezeigt worden, daß man also nicht Ursache hat, selbige Wirkung den occultis Qualitatibus oder verborgenen Eigenschaften, als einem pallio ignorantiae beizumessen. Das erste chymische Principium ist Sal, das Salz, welchem die Chimici allen Geschmack, alle Concretion und Coagulation, alle Dissolution und Auflösung, wie auch alle Penetration, sonderlich wenn das Salz von den andern beiden Principiis begleitet und exaltirt wird, beimessen. Das Salz zwar an sich selbst kann nicht geschwind die Poros und Schweißlöcher oder andere Leiber penetriren, wann aber solches Salz wegen Vermischung der andern beiden Principiorum exaltirt und seine Fixität in eine Volatilität verwandelt wird, so kann es alsdann ohne Mühe, wegen der von dem Schwefel und Spiritu erlangten Subtilität und ohne einige Verhinderung, auch durch die engste Penetration der Corporum dringen, und sowohl dem menschlichen Leib als andern Leibern seine hilfliche Eigenschaft communiciren. Denn Sanguis, das Blut, ist ein salziges Salz; Phlegma das süße Salz; Bilis bittere Salz; Melancholia sauer Salz. Das andere Principium Chymicorum ist der Schwefel, eines von den vornehmsten wegen seiner vortrefflichen Nutzbarkeit, maßen selbiges[289] allen natürlichen Körpern, in welchen es sich mäßig herfürthut, ihre Zäh- oder Fettigkeit ertheilt. Das dritte Principium Chymicorum ist der Mercurius, oder welches noch besser ist, der Spiritus, von welchem die Chymici alle Subtilität, Volatilität, Penetrabilität und Activität aller natürlichen Körper deriviren, und davor halten, je mehr ein Körper von diesem Lehrgrund (Principio) participire, desto subtiler, flüchtiger, durchdringender und activer sey derselbe, maßen dieses Principium alle beiden vorigen Principia exaltirt und können sie wegen ihrer Dicke und Beständigkeit keine Subtilität, Activität und Penetrabilität erhalten oder erzeigen, wo sie nicht diese Exaltation und herrliche Gewalt vom Geist (Spiritu) bekämen. Also können zwar die ernährenden und erhaltenden Dinge (Vegetabilia) ihr Corpus, ihren Geruch und Geschmack und ihre Farben haben, wegen der Gegenwart des Salzes und Schwefels, auch könnten die Thiere ihren Corpus, ihre Farbe, ihre Fettigkeit haben, es würden aber die Vegetabilia ohne Kraft und Macht, und die Thiere ohne Erkenntniß und Bewegung, ohne einige Empfindlichkeit und Tugend seyn, wo ihnen solche Herrlichkeit von den Geistischen (à Spiritibus) nicht mitgetheilt würde, sintemal alle wunderswürdigen Actiones einzig und allein von diesem Lehrgrund herrühren und ist nichts so wunderlich, dessen Ursachen nicht durch diesen ursprünglichen Lehrgrund (Principium) entdeckt werden könnten.

Johann Thölden philosophirt also und sagt,[290] daß alle Dinge in der Welt wirkende und lebendigmachende Geister in sich hätten, so in den Leibern wohnten, sich aus ihnen speisten, nährten und erhielten. Die Elemente seyen nicht ohne Geister, welche Wohnung bei ihnen suchten, sie seyen, durch Verhängniß Gottes, gut oder bös. Die Menschen und alle Thiere hätten einen lebendig wirkenden Geist in sich, und wenn solcher abweicht, so sey ein todter Leichnam vor Augen. Die Kräuter und alle Gewächse hätten in sich einen Geist der Gesundheit, sonst könnten sie zur Arznei nicht gebraucht oder bereitet werden. Die Metalle und Mineralien führten ihre unbegreiflichen Geister in und mit sich, darin am meisten befunden würde, was ihre Tugend und Kraft des Vermögens, denn ohne Geist sey ein jedes Ding todt, und könnte vor keine lebendigmachende Wirkung erkannt werden. Also sagt er, regiere in dem Antimonio oder Spießglas auch ein Geist, welcher alles, was in ihm stecke und aus ihm gebracht werden könnte, unsichtbarer Weise verrichten müsse, gleichwie in dem Magnet auch eine unsichtbare Kraft verborgen stecke.

Der microcosmische Magnet hat eine Eigenschaft mit dem mineralischen Magneten, worin dieser besteht, ist oben angezeigt worden. Jener, nämlich der Magnet der kleinen Welt, besteht aus dem Schwefel, einem martialischen Geist, als einem förmlichen Gebärer, aus dem Mercurio, als nächsten Nachbar und leidenden Marteri: Und aus dem Salz. Also hat der Mensch[291] gleichsam einen innerlichen an sich ziehenden Magneten bei sich, und das ist das Salz, darin ein schwefelichter Geist, abgesondert von dem Blut, daß also eine Sympathia ist unter dem Salz und Schwefel mit dem Geblüt, wie auch der Geist in dem Urin vereinbart ist mit dem Urin. Der Urin hat mit dem Geblüt eine Verwandtschaft, wie die Feuchtigkeit in den Haaren und Nägeln mit einigen Affekten. Der Geist des Geblüts in dem kranken Menschen hat eine immerwährende Relation zu seinem Salz, welcher in dem Urin getheilt ist, zieht seinesgleichen an sich von dem beschädigten oder kranken Körper, wird gleichsam von Neuem erfrischt und schickt gleichsam neue Strahlen entgegen, daß sich das Gemüth, der Geist, in dem Menschen erhebt, begehrt mit den durchsichtigen Geistern Gemeinschaft zu haben und in ihre Ordnung einzutreten; dagegen sind auch die unsichtigen Geister willig, bereit und begierig, dieselbe in ihre Gemeinschaft einkommen zu lassen, bescheinen mit ihrem Glanz den Geist des Menschen, reinigen ihn von den angefallenen Unreinigkeiten, sintemal nichts unter den Geheimnissen der Natur ist, das nicht eine sonderbare Eigenschaft hat, wie solches die Naturkundigen der Welt zu Nutzen in ihren Schriften hinterlassen haben. Ist also die Wirkung dieses Pulvers mit den Grundursachen sattsam erwiesen, daß nämlich deren Zweck sey, die Krankheiten zu kuriren, die Wunden zu heilen, das Fleisch aneinander zu bringen, das Blut zu stillen, der Entzündung zu[292] wehren, des beschädigten Glieds natürliche Wärme und Geister zu erhalten, das Temperament wieder zu bringen und zu erhalten und allen bösen Zufällen zu steuern.

Uebrigens wollen sich viele verwundern über die wunderbare Wirkung, daß einer einen Patienten, den er nicht gesehen, abwesend und weit entfernt kuriren und heilen könne; hievon soll im folgenden Diskurs gründliche Nachricht ertheilt werden. Nur mit wenigem dient allhier zu wissen, daß die Luft voller kleiner Lichttheilchen sey, und daß mit Zuziehung des allgemeinen Weltgeistes das Licht die Atomos des Vitriols und des Bluts, auch des Urins mit sich nehme und selbige in eine große Weite in der Luft ausbreite, und daß die Wunde und das Geblüt solche an sich ziehe, der Schmerz alsbald geringert und folgends durch die Spiritus oder Geister des Vitriols, welche balsamicht sind, geheilt werde, wie denn auch die Luft eine verborgene Speise und Nahrung mit sich führt. Epicurus sagt, daß die Atomi oder Sonnenstäublein so lang ohne Ruhe sind, bis sie sich zu einem Dinge begeben und demselben einsitzend bekleiben, daß wir sie aber mit unsern blöden Augen nicht füglich erblicken, behindert ihr Wesen gar nicht, denn der Geruch ist auch nicht sichtbar, uns zu lehren, daß wir auch das Unsichtbare glauben sollen und müssen, wenn wir wollen geheilt werden.

Merkwürdig ist es, als ich einmal durch einen unglücklichen Fall ein großes Loch in den Zeigefinger[293] bekam und die Wunde mit warm laulichtem Wein säuberte, auch das auf dem Leinwand aufgefangene Blut mit dem puren Pulver bestreute, befand sich des andern Morgens auf der Wunde das graublaulichte Vitriol, da doch nichts davon dazu gekommen, sondern die Spiritus darauf geflogen waren, und als meine Liebste hernach das mit dem Pulver bestreute Gebäude in die Brust, als einen laulichten Ort, gesteckt, ist die Farbe des Vitriols wegen der Sympathie auf ihr Fontanellengebäude an dem Arm geflogen, welches in Wahrheit merklich ist. Und dieses ist eben das, was Herr Graf Digby sagt, wenn man in einem Porzellan- oder andern bequemen Geschirr Quecksilber mit einer Hand umrührt, daß der Ring an der andern Hand weiß und voll Quecksilber werden solle, ohne einige Annäherung der andern Hand. Ja, wenn man ein goldenes Blech oder einen Dukaten in den Mund nimmt und mit einer Zehen am Fuß in Quecksilber stoßt und eine kurze Zeit darin verharrt, so wird das Gold im Mund ganz weiß, als obs mit Quecksilber bedeckt sey. Hiebei muß ich noch erwähnen, daß meine Wunde wider Gewohnheit und Kraft des Vitriols, sobald nicht heilen wollte, weil sich hernach fand, daß des Fingers Knochen entzwei war, daher ich den Vitriol mit Gummi Tragant vermischt auf das Gebäude streuen sollen, mußte also den Barbierer fordern lassen, welcher je nach und nach drei Schieber herauslangte, darauf sich die[294] Wunde, ohne fernere Schmerzen zur Heilung anließ.

Ein gar allgemeines leider öfter vorkommendes Beispiel wollen wir erzählen: Aus dem starken Donnerwetter kann man Gottes Allmacht ersehen, welches insgemein aus solchen Atomis, Rauch- und Wasserdünsten entsteht, welche aus der Erde und dem Wasser, Schwefel, Salpeter und andere Metall- und Mineralstücke mit sich in die mittlern Lustreviere führen, woraus Wolken entstehen, deren wärmere Theile von der natürlichen Kälte des mittlern Luftreviers zusammengetrieben und durch die viele und mancherlei Bewegung um die schwefelichte und salpeterische zähe Materi gleichsam ein dickes geleimtes Gewerk, gleich dem Zeug um die Granaten gekocht wird, und mit einem großen Krachen als ein Kartaunenschuß durchbricht, der entstandene Donner aus diesen und andern hiebei übergangenen Ursachen seine gewissen Ursachen habe. Nun haben wir viele Exempel, wie auch allhier in Bremen, daß leider der Donnerkeil öfters in die Pulverthürme schlägt, und solches, wegen der schwefelichten Pulvergeister, bevorab, wenn man das Pulver geregt und gereinigt hat, so von dem Pulverthurm in die Höhe geführt worden. Aus gleicher Ursach und auch wegen vieler aufsteigenden Dünste der todten Körper, trifft der Donner eher hohe Kirchthürme als kleine Häuser, eher große Eichen als kleine Lattichsträuche, weil die Schwefeldünste, so neben solchen Gebäuen und Bäumen in die Höhe steigen, näher den[295] Donnerschlossen sich präsentiren als der Materie, so neben den kleinen Sträuchen sich in die Höhe zieht; denn selbige von der Bewegung der Luft leicht verweht und zertrieben wird. Wie viele Menschen durch des Strahlgeists vergiftete Eigenschaft öfters verletzt, als wie man sieht, daß ein Schießpulver, obwohl seiner nicht viel ist, bisweilen ganze Gebäude und die entgegenkommenden Menschen darnieder wirst, das Innerste durchdringt und beschädigt. Ein Spiritus ist es, welcher dem Donnerkeil eine solche subtile durchdringende Kraft ertheilt, daß er oft den Menschen ohne Beschädigung der Kleider trifft, den Fuß verletzt, ohne Schaden des Schuhes, das Kind in Mutterleib, ohne Schaden der Mutter, beschädigt, und also die engsten Gänge und Schweißlöcher eilfertig durchdringt, daß er den Degen in der Scheide, das Geld im Beutel, ohne Verletzung der Scheiden oder des Seckels zerschmelzt, den Wein im Faß, mit aller dieser äußersten Theile Erhaltung verletzen, ja Menschen und Vieh ohne einige äußerliche Merkmale tödten kann. Ein Spiritus ist es, welcher, nachdem ein Mensch von einem rasenden Hund in den Leib gebissen, eben selbige Wirkung erweckt; ein Spiritus ist es, wenn durch einen Liebestrunk (Philtrum) eines andern Wohlgewogenheit und Liebe zuwegen gebracht wird; ein Spiritus ist es, welcher verursacht, daß ein Hund seines Herrn Fußstapfen auf etliche Meilen durch den Geruch spürt. Aus einem jeden Menschen gehen zarte Corpuscula, welche wir[296] nennen Atomos, Spiritus, Effluvia, welche sich zertheilen und dennoch wieder mit dem Menschen vereinbaren. Zum Exempel, wenn man einem Hund mit Fleisch, Brod oder andern Speisen, in welchen des Menschen Schweiß, und mit solchem dessen Effluvia vermischt, sättigt, wirken solche von dem Hund verschluckte Speisen also in ihm eine Neigung zu dem Menschen, von welchem er die Effluvia von den Speisen in sich bekommen, dieweil sich die Effluvia zu ihresgleichen sehnen, durch dieses aber den Hund zur Treue gegen denselben Menschen reizen und treiben. Daß der Hund einen Stein, so sein Herr in der Hand gehabt, unter vielen andern finden, seinen Fußstapfen nachfolgen, einen ins Wasser geworfenen Stein aufsuchen können, ist offenbar. Solches sehen wir auch an dem Vieh, Schafen, Pferden und andern Thieren, auch im Widerspiel an einigen Dingen, wenn sie dergleichen widrige Effluvia merken, anfangen zu kranken oder gar zu verderben, wie man sieht, daß manche Menschen die Effluvia der Katzen nicht vertragen können, daß sie durch die Effluvia oder Dünste der Katzen ohnmächtig werden, ob sie gleich keine Katze sehen oder hören. Solche Beschaffenheit hat es auch mit dem Eckel vor den Käsen. Solchergestalt bedarf man keine verborgenen Eigenschaften in Erörterung natürlicher Begebenheiten leichtlich zulassen, weil fast alle verwunderten Werke der Natur vermittelst der Geisterchen verrichtet werden.

Besteht also in dem vorhergehenden und in[297] dem nachfolgenden Diskurs mehrentheils die Auflösung aller Verborgenheiten der Natur eines verständigen Menschens, zumal ich dem geehrten Leser aus treuem Herzen allhier geoffenbart habe: 1) Wie man dieses sympathische Pulver machen soll? 2) Woher es in Deutschland kommen sey. 3) Wie man es gebrauchen soll. 4) Was es vor Wirkung habe? Und 5) Aus was Grundursachen diese wunderbare Wirkung entstehe? Daher aus diesem Bericht hoffentlich ein Jeder zu bessern Gedanken gelangen und nicht so übel von dieser Kur judiciren wird, dieweil dieses Pulvers Kraft durch dessen sonderliche, wunderliche Wirkung und Qualitäten, durch unwidersprechliche Gründe erwiesen, dessen Nutzen durch die Experienz oder Erfahrung und durch die wirkliche Fürstellung des Augenscheins und der Sinne, so öfters probirt und dargelegt ist, und noch täglich wird, daß sie vollkommen in kurzer Zeit ohne Schmerzen, ohne große Kosten, ohne Gefahr und ohne Verlust der Kräfte gesund macht.[298]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 271-299.
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