Himmlisch Manna.

[538] 1. Die Thorheit der Nachforscher dieser Kunst ist, daß sie ihr ganz Vorhaben und Gedanken auf keine andere Dinge setzen, als nur Gold und Silber zu machen; und solchergestalt fallen sie in den Irrthum, daß das Gold und Silber das Fundament seyn müsse, worauf dieses schöne Gebäude aufgerichtet werden soll, das denn falsch ist. Jetzt will ich mich nicht unterstehen, solches zu probiren, Weitläufigkeit zu vermeiden; es ist genug, daß ich bei meiner Seele betheure, daß es also nicht ist, noch keines dergleichen, und dennoch wahr bleibt, daß es einer goldenen Natur ist.

2. Wollen deßhalb zur Sache schreiten. Wisset demnach kurz, daß, wie die Verwandlung der unvollkommenen Metalle in Gold oder Silber, ist die vornehmste Intention der Chymisten, so ist sie kaum oder gar nicht gewesen bei den alten Philosophen, und obwohl man durch diese Kunst solche gedachte Verwandlung der unvollkommenen Metalle in Gold und Silber thun kann, so ist solches doch das geringste dieser Kunst.

3. Ich will nicht verneinen, daß Gold und Silber zu besitzen ein Segen von Gott sey, vornemlich wenn es durch solche Mittel erobert wird, weil es den Menschen von Armuth und Dienstbarkeit[539] eines andern be freit, und macht, daß ein Mensch viel Wohlthaten thun kann an den Armen und Unterdrückten; ja es ist ein Glück viel Güter zu besitzen, aber das allerwenigste, das da entspringt vom Stein der Weisen, so dessen Gebrauch vollkommen erkannt wird. Gold und Silber sind gute Dinge und ihr Besitz ist angenehm den Geizigen und Ruchlosen, welche ihre Zuversicht zu Gott nicht haben und ihn nicht erkennen, wie sie sollen.

4. Aber was ein rechter Naturforscher dieser Weisheit belangt, der wird zufrieden seyn, nach der Regel des Apostels, mit Nahrung und Kleidung.

5. Ich habe ein wenig excedirt in meiner Exklamation wider die bösen Begierden des Reichthums; denn es geziemt einem Weisen nicht, dieselbe zu lieben, und wenn du alles gesehen haben wirst, was in diesem Traktätlein abgehandelt wird, so wirst du den Reichthum nicht so hoch schätzen, als andere Erkenntniß und Wissenschaft, denn in dieser Kunst wird die ganze Weisheit der Natur begriffen und verfaßt. Sie enthält nicht allein überschwänglichen Reichthum und vollkommene Gesundheit, welches ein herrlicher Schatz ist als Reichthum, sondern auch die Erkenntniß der Vegetabilien, Animalien und Mineralien, deren Ursprung die Wurzel der ganzen Philosophie ist.

6. Ueberdieß, so können auch die sieben freien Künste dadurch in ihrer höchsten Vollkommenheit erlangt werden, und die Wissenschaft allerhand[540] Edelsteine zu machen, besser als die natürliche, welcher Größe man sie auch haben wollte, als Rubinen, Karfunkel, Diamanten, Perlen, Saphyren etc.

7. Alles dieses aber ist noch weit von der Vollkommenheit dieser Kunst, wozu wenig Menschen haben gelangen können: durch diese Kunst kann Magia naturalis gelernt werden, und auch alles was die Geister thun können (doch nicht so geschwind), das können auch die wahren Philosophen thun, obwohl solches den Unwissenden übernatürlich zu seyn scheint; ja alles, was in der ganzen Natur ist, kann durch diese Kunst erforscht werden, durch sie kann man den bösen Geistern gebieten und sie wegtreiben; mit einem Wort, alles was unter dem Monde ist, kann hiedurch gethan werden.

8. Alle diese Dinge waren Adam in seiner Unschuld bekannt, der hatte diese Kunst in seiner höchsten Vollkommenheit, welcher nach seiner innerlichen Gestalt zum Bilde Gottes erschaffen war. Und die Wahrheit zu reden (wie du wissen wirst, wenn du wirst erfahren haben, alles was ich hier schreibe), er war aus derselben Substanz und Materie, daraus die Engel gemacht waren, darum ward er genannt der Sohn Gottes. Was aber seinen Leib und Geist betrifft, woher und was sie sind, werde ich hernach sagen, mit allem, was dem anhängt.

9. Der Mensch ist ein Sohn der großen Welt, oder Macrocosmi, und participirt aller Influenzien und Tugenden der obern und untern Welt;[541] ja auch aller Kreaturen, der guten und bösen. Und dieser ist die Ursache, daß er aus demselben Chaos und Materie gemacht, daraus die Welt und alle Kreaturen, die darinnen sind, gemacht worden sind, welches ein solches hohes Mysterium zu verstehen ist und ist gar nothwendig, daß einer diese Erkenntniß habe, der etwas nützliches von dieser Kunst erwarten will.

10. Die Narren, welche die Welt für große Doktoren hält, sagen als eine Wahrheit, daß Gott den Menschen aus einem Klumpen Thon, Koth oder Staub der Erde gemacht habe, was aber falsch ist.

11. Es war nicht eine solche, sondern eine quintessentialische Materie, welche zwar Erde genannt wird; des Menschen Fall aber hat alles verdorben, ja auch alle Kreaturen haben durch diesen Fall Schaden gelitten, er aber mehr als andere.

12. Denn sobald er gesündigt hat mit seinem Weibe, wurden sie alle beide in Monstra verwandelt, gegen dem, das sie zuvor waren in ihrer Unschuld. Adam hatte einen andern Leib ehe er fiel, als er ihn bekam nach dem Fall, und so unterschiedlich, daß wenn man ihn jetzt sehen würde, wie er in seiner Unschuld war, man sollte sich verwundern und entsetzen über seine Herrlichkeit und zittern vor seinem Angesicht, als vor dem Angesicht eines Engels.

13. Ich sage nichts vom Leibe unsers gebenedeiten Seligmachers, allein dieses sage ich, daß mit solchem Leibe, als er gen Himmel gefahren,[542] wir auch werden in der Auferstehung bekleidet werden, gedeckt mit Fleisch und Blut, sonst ist kein Unterschied zwischen Engel und Menschen.

14. Dieses herrliche Fleisch und Blut aber wird uns gegeben durch die Wiedergeburt vom h. Geist und streitet nicht wider die h. Schrift, so man die recht versteht.

15. Ich rede auch nicht vom Leibe der Jungfrau Maria, welcherlei Leib sie hätte, denn solche Leiber werden wir auch haben in der Auferstehung. Wenn du aber wirst examinirt haben, was ich hierin schreibe, daß es wahr ist, wirst du klar verstehen; ich will aber diese Rede schließen von solchen Mysterien, die so wenig Menschen bekannt sind.

16. Der da lebt nach dem geschriebenen Worte Gottes, der soll selig werden; aber der mit dieser Kunst begnadigt wird, der wird seinen Schöpfer erheben und wird ihn besser erkennen, als kein anderer thun kann. Und ehe die Welt vergeht, soll alles offenbar werden; lasset uns aber zu unserem Vorhaben schreiten.

17. Der Mensch ist die kleine Welt: von den Astris und Gestirnen hat er seinen Geist empfangen, von der großen Welt den Leib und unmittelbar von Gott seine Seele. Dieses ist eine helle Elucidation der h. Dreifaltigkeit; in diesen dreien besteht der Mensch und von ihnen wird er komponirt. Also hat der Mensch aus der großen Welt seinen Verstand genommen, was seinen Leib anbelangt.[543]

18. Ich muß jetzt mit aller möglichen Vorsicht sagen vom Verstande der großen Welt. Aus nichts, ehe Zeit oder Ort war, hat Gott ein unsichtbar und unbegreiflich Chaos geschaffen, welche Materie die Philosophen ύλη, Hyle heißen, oder die entfernte (remotissima) Materie.

19. Aus diesem hat er ein ander Chaos oder Materie herausgezogen, welche die Philosophen kennen, nicht durch Spekulation, sondern durch den wahren Sinn. Diese Materie war und ist sichtbar und begreiflich, in welcher waren und sind alle Samen und Formen aller obern und untern Kreaturen, die jemals sind erschaffen worden: aus diesen hat Gott die vier Elemente geschieden und mit einem Worte alle himmlischen und irdischen Dinge gemacht, die Engel, die Sonne, den Mond und die Gestirne.

20. Die Wissenschaft und Praxis der Philosophen von diesem Chaos hat sie geleitet zur Erkenntniß der Weisheit; sucht durch diese nach Gott, so findet ihr alle Weisheit.

21. Was ich dir hier sage, ist nicht eine Phantasie oder eitle Einbildung, sondern das was ich weiß und erfahren habe; es ist ein solches Ding und Substanz, daß aus eigentlicher Wissenschaft dieser Substanz bekannt wird die Gebährung und Erhaltung aller Dinge. Nach dem Falle aber ist dieses Chaos auch corrumpirt.

22. Habe also kurz diskutirt von Sachen, die ihr vielleicht wenig glaubt und vielleicht niemals gehört habt. Wenn du aber erwählt seyn wirst,[544] diese Kunst zu wissen, so habe ich dir allhier die Bahn gebrochen und den Weg bereitet; dennoch fürchte ich, du werdest mich nicht verstehen, wiewohl ich mehr gesagt habe, als die Weisheit erfordert. Ich weiß aber, daß es denen nützen wird, welchen es Gott vergönnt.

23. Meine Intention um gewisser Ursachen ist nicht viel zu reden von der Materie, welche doch ein einiges Ding ist und allbereit zu klar und deutlich geoffenbart; noch auch nicht von ihrer Präparation und auch nicht durch welche Mittel es geschieht, welche auch das zweite und größte Geheimniß ist.

24. Ich habe aber diese Zeilen dem zu gut geschrieben, der den Stein machen wird, wenn es ihm zur Hand kommt. Denn diese Zeilen werden ihm so klar und deutlich anzeigen, als keiner Feder immer zu thun möglich, solche magische Gebräuche des Steins, als viel Menschen, die ihn gehabt und doch nicht gewußt, noch nichts davon reden gehört haben. Und solche Geheimnisse, wenn ich sie gesehen, so haben sie meine Knie zitternd gemacht und mein Herz beängstigt, da ich sie nur gesehen.

25. Darum will ich dir, wer du auch bist, dem dieses Traktätlein zur Hand kommt, anbefohlen haben, bei Verantwortung am jüngsten Gerichte, keinen sehen zu lassen, als den, der den Stein vollkommen wird gemacht haben; und so du einen solchen antriffst (was doch sehr seltsam), wenn du ihn wirst theilhaftig gemacht haben dieser physico-magischen Operationen und[545] anderer hierin enthaltenen verborgenen Heimlichkeiten, die durch den Stein gethan werden können, so wird er dir nicht allein Gold in Ueberfluß geben, sondern dir auch weisen den wahren und richtigen Weg, neben Anzeigung der Materie mit allem, das dem anhängig, um den Stein ganz vollkommen zu machen.

26. Denn ich versichere dich, daß ich deren viele gekannt habe, die den Stein gehabt, welche nichts anders damit auszurichten wußten, als die bloße Transmutation der Metalle. Und scheint aus den Büchern der Philosophen, daß etliche von ihnen, ja viele unter ihnen sich selbst haben umgebracht, aus Unwissenheit des rechten und wahren Gebrauchs.

27. Darum zweifle nicht zu erlangen, was du auch von einem solchen begehren wirst, wenn du ihm die Demonstration der Wahrheit vorlegen wirst, die ich hier geschrieben. Und recommandire dir nochmals, diesen Traktat aus deinen Händen nicht zu geben, noch Jemand sehen zu lassen, wiewohl sich keiner dessen benützen kann, als der den Stein im höchsten Grad ausgearbeitet hat.

28. Nun will ich dir zeigen seine unterschiedlichen Gebräuch:


1) Zur Gesundheit, und die Weise denselben zu gebrauchen.

2) Zur Multiplikation, welches ohne Meister nicht gelernt werden kann.

3) Zur Bereitung aller Edelsteine, besser als die natürlichen.[546]

4) Zur Verwandlung aller Metalle in einen laufenden Mercurium.

5) Zur Bereitung etlicher magischen Operationen unterschiedlicher Art, die allen Glauben übertreffen, bis du durch den Augenschein bekräftigt wirst.


29. Alle anderen Operationen hierin verheiße ich mit so klaren Worten zu schreiben, daß du nicht irren kannst, solches zu thun, wenn du den weißen und rothen Stein hast, weil selbige beide hiezu gebraucht werden.

30. Wiewohl viel mehr Operationen zu thun sind, die ich nicht schreiben darf, daraus man Englischen Verstand und Weisheit überkommt. Hiemit wollen wir zum Gebrauch schreiten.

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 538-547.
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