An Amarant

[65] Krank für Liebe.1


Meine Mutter fragt mich immer:

Trinkst du auch den Mandeltrank?

Trink ihn! täglich wirst du schlimmer! –

Ach! die Liebe macht mich krank!


Nimm doch, spricht sie oft bei Tische,

Wirst so mager und so matt,

Noch ein Stückchen von dem Fische! –

Ach! die Liebe macht mich satt!
[66]

»Siehst du nicht die Scheere liegen?

Liegt ja grade vor dir, Kind!

Kann dich so das Auge trügen?« –

Ach! die Liebe macht mich blind!


»Bist so still? was mag dir fehlen?

Geht dir was im Kopf' herum?

Weißt du gar nichts zu erzählen?« –

Ach! die Liebe macht mich stumm!


»Ei! ich möchte fast dich schlagen;

Zieh den Schlepp auf! was für Staub?

Soll ich's dir noch zehnmal sagen?« –

Ach! die Liebe macht mich taub!


»O! die liebe Langeweile!

Wäre Amarant doch hier!« –

Hörst du, Liebster? Eile! eile!

Leben bringst du ihr und mir!

Fußnoten

1 Den Liebhabern des Gesangs empfehlen wir die zu diesem Liede von Herrn Dreßler gesetzte vortreffliche Composition im Göttingischen Musen-Almanach für das Jahr 1776. S. 51.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 65-67.
Lizenz:
Kategorien: