An den Harz

[107] Alle Jäger sind dir gut,

Um der Sechszehnender willen;

Aber sollt' ich wohl durch Blut

Meines Magens Wünsche stillen?

Trieb zum Leben wird so gut

Einen Hirsch, als Dichter füllen.

Da ich selbst ein wenig viel

Aus dem Stündchen Leben mache,

Treib' auch meinethalb ihr Spiel,

Wie der Keuler, so die Bache;

Denn der Thiere froh Gewühl

War von jeher meine Sache.[108]

Selbst den Fürsten bist du lieb,

Lieb um deiner Berge willen,

Die mit Gold das weite Sieb

Ihrer Habsucht nimmer füllen.

Ohne Gold nehm' ich vorlieb;

Wer es hat, hat viele Grillen.

Was kein Andrer haben mag:

Blumen, Moose, Schwämm' und Kräuter,

Gibst du, Harz, mir Tag für Tag;

Auch verlangt mein Herz nichts weiter;

Denn mir macht ein Trinkgelag

Stirn und Auge kaum so heiter.

Auf den Bergen steigt und fällt,

In der reinern Atmosphäre,

Meine Brust so leicht, und hält

Nur Zufriedenheit für Ehre,

Gleich als wenn bereits die Welt

Um mich her versunken wäre![109]

Kommt der Mond noch obenein

Durch die Dämmerung geschwommen,

Ist's, als würde mein Gebein

Von dem Boden aufgenommen,

Und als zög' ich lebend ein

In das stille Land der Frommen.

Welch ein Leben! Ist doch mir

Ach! so wohl an Seel' und Leibe!

Wem gebührt mein Dank dafür?

O, nächst Gott, so lang ich's treibe,

Dank' ich's, Harz! zur Hälfte dir,

Und zur Hälfte meinem Weibe.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 107-110.
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