Brunnenlied

[110] Laßt nun alles stehn und liegen,

Wie es liegt und steht!

Plaudre, wer am Pult' geschwiegen,

Tanze, wer genäht!

Denn nun gilt's, wer auf Vergnügen

Sich von allen am besten versteht.

Von Geschäften sind wir alle

Durch die Cur befreit.

Sorgt nun noch, daß böse Galle

Keine Freund' entzweit,

Daß der Grillen Schwarm, beim Schalle

Süßer Lieder, sich hurtig zerstreut![111]

Nicht von Krieg, und Lug und Truge,

Soll die Rede seyn.

Scherzet! denn der wahre Kluge

Scherzt nicht bloß beim Wein';

Auch bei seinem Wasserkruge

Flößt er Traurigen Fröhlichkeit ein.

Mit der Freude knüpft von neuen

Einen festen Bund!

Denn die Aerzte prophezeien

Euch durch meinen Mund:

Wer sich wird am meisten freuen,

Wird von allen am ersten gesund!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 110-112.
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