Auf der Stelle, wo Gustav Adolph in der Schlacht bei Lützen blieb

[143] (Den 2ten Juni 1778.)


Laßt den Wagen halten oder fahren!

Denn ich bleib' hier sitzen. Dieser Stein1

Soll des Mannes, der an seiner Schaaren

Spitze hier geblutet, Altar seyn!

Thränen will ich opfern. Denn von allen

Königen, die vor ihm, wie nachher,

Unterm Schwert' des Krieges sind gefallen,

War nur Gustav kein Eroberer.[144]

Auf die Stelle, die sein Blut getrunken,

Wälzten Bauren weinend diesen Stein,

In die Erde halb schon itzt versunken!

Und ich kann ihm keinen bessern weihn!

Solch ein Denkmal für das große Leben

Dieses Retters einer halben Welt! –

Murren möcht ich, (mag mir's Gott vergeben!)

Daß die Armuth mich gefesselt hält.

Zwar bedarf er nicht der Marmorsäule,

Die hier stehen sollte: aber dann

Ruhte hier der Wandrer eine Weile,

Läs' und segnete den braven Mann!

Läs' und weinte seinen Muth wohl größer,

Seinen Stolz geringer durch die Scham!

Denn auch ich, das fühl' ich, gehe besser

Weg von diesem Steine, als ich kam.

Fußnoten

1 Ein großer Feldstein, den die Bauren gleich nach der Schlacht auf diese Stelle brachten.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 143-145.
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