Als Wilhelmine vermählt wurde

[148] Prophezein wird dir der Schmeichler Haufen

Mit dem Trauungsringe, Freud' und Glück!

Aber, einem Ringe gleich, entlaufen

Glück und Freud' in einem Augenblick',

Hast du, beide liebzukosen,

Und mit einer Schnur von Rosen

Fest zu halten, kein Geschick.

Hätte deine Wang' auch nicht das Grübchen,

Das so gern wir alle lächeln sehn,[148]

Dennoch würdest du als Damis Liebchen

Vor dem Traualtare heute stehn;

Denn der Jünglinge Verlangen

In dem Netz' der Liebe fangen,

Das ist wahrlich leicht geschehn!

Lieblich, gleich dem klugen Vogelsteller,

Mußt du nur dein Netz auch überstreun;

Denn aus einem Lamm' verwandelt schneller

Keine Wolke sich in einen Leun,

Als die Gatten in Tyrannen,

Wenn zu straff sie Netz' umspannen,

Die nicht sichtbar sollten seyn.

Laß du deinem Liebling' niemals fühlen,

Daß der Ring, der itzt so viel verspricht,

Und so leicht ist, um damit zu spielen,

Jeden Tag vermehret sein Gewicht.

Damis wird die Bürde tragen,

Nur verbirg auch deine Klagen

Im gelassenen Gesicht'![149]

O vielleicht ist kaum der Strauß von Rosen,

Der itzt deinen Busen schmückt, verblüht,

Daß, dich so wie sonst noch liebzukosen,

Damis ganze Stunden schon verzieht,

Und mit Grillen im Gehirne,

Und mit Falten vor der Stirne,

Stumm auf seine Nägel sieht.

Sicher, Mädchen, bist du halb verloren,

Wenn du wähnst, daß ihn der Trauring drückt.

Nein! der Mann ist nur noch nicht geboren,

Den die Laune nicht schon dann bestrickt,

Wenn er kaum die letzte Blume

In der Liebe Heiligthume,

Süß berauscht, hat abgepflückt.

Darum bitt' ich, Freundin, dich, erstaune

Ueber die Verwandelung nur nicht.

Zeige dann ihm zwiefach gute Laune,

(Das zu thun, ist deine schönste Pflicht!)

Treib ihn, daß er reit' und jage,[150]

Wie vordem, weil das die Tage

Alter Freiheit, ihm verspricht.

Laß ihn nie empfinden, o du Holde,

Daß sein Herz für Mädchen nicht mehr frei,

Daß er nicht allein von seinem Golde

Und von seiner Zeit noch König sey;

Trinkt er aus der Sorgen Schaale,

Dann so fordre vom Gemahle

Nicht des Bräut'gams Schmeichelei.

Wenn du Damis Herz als edel kennest,

So versag' ihm seine Wünsche nie.

Denn je mehr du ihm die Herrschaft gönnest,

Desto weniger gebraucht er sie.

Er wird fehlen; du wirst dulden;

Sicher wirst dann sein Verschulden

Ihn von selbst vor dir aufs Knie.

Widersprich ihm nur durch muntre Scherze,

Und bekämpf' ihn nur durch Schmeichelein.

Wäre selbst sein Busen auch von Erze,[151]

Dennoch würd' er zu erweichen seyn.

Höhlt nicht – was des Hammers Klopfen

Nicht vermag – ein Wassertropfen

Endlich einen Kieselstein?

Laß dich niemals dünken, an Verstande

Deinen weisen Freund zu übersehn;

Denn der Mann ist seines Weibes Schande,

Wenn er muß zurück im Schatten stehn.

Schuf ihn die Natur nicht stärker?

Mag ein Thor denn in den Kerker

Einer reichen Thörin gehn.

Voll blüht deine Schönheit! doch gewöhnet

Damis Auge sich zuerst daran.

Stütze dann auf Güte dich, sonst lehnet

Deine Liebe auf ein Rohr sich an.

Ach! dieß würde bald zerknicken,

Und sie selbst im Schlamm' ersticken,

Wo sie Niemand retten kann!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 148-152.
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