An Maria

[170] Der Ritter martert sich mit Ränken,

Wie er den Fächer dir zerbricht?

Um einen schönern dir zu schenken:

Du aber nimmst ihn nicht!

Dein Ständchen lockt in bloßen Hemden

Die Nachbarn aus dem Bett' hervor;

Nur du, zu aller Welt Befremden,

Hast dann allein kein Ohr.

Gehst du in einen Garten: Haufen

Der schönsten Früchte harren dort

Auf dich; vor deinem Gelde laufen

Die Gärtner aber fort.[171]

Du tratst in eines Landmanns Hütte,

Als ein Gewitterschauer droht',

Gleich bot er dir, auch ohne Bitte,

Sein letztes Salz und Brod.

Und du, gerührt, daß keine Klage,

Kein Murren über karges Glück

Hier wohnet, ließest auf acht Tage

Ihm heimlich Brod zurück.

Und unter seinem Strohdach' kehrest

Du oft im Sommer wieder ein,

Und issest Milch mit ihm, und hörest

Ihn Wetter prophezein.

Ist das der Mann, aus dessen Händen

Dir ein Geschenk den Starrsinn bricht?

Auch ich kann nichts für dich verschwenden,

Auch ich, ich murre nicht.

Sey diese Sammlung meiner Lieder

Drum ohne Weigerung auch dein![172]

Es ist ja selbst gepreßter Cyder,

Kein theurer fremder Wein.

Und wenn dein Herz nach Troste lechzet,

Daß in des Habichts Krallen, dir

Ein Täubchen seine Schmerzen ächzet;

Dann kehr' du ein bei mir.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 170-173.
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