Herbstlied

[173] Hu hu! wie kommt der Wind so kalt

Schon über die Stoppel gelaufen!

Wie färbet sich so gelb der Wald,

Und wie versammlen sich so bald

Die Schwalben zum Abzug' in Haufen!

Die Wiese dampft, der Brocken braut,1

Und schüttelt, Schauer auf Schauer,

Den Regen ab; durch Nebel schaut

Die Sonn' herab, wie eine Braut

Gehüllet in düstere Trauer.

Ein Heer von Droßeln kommt vom Rhein',

Im Schimmer des Morgens, gezogen;[174]

Doch manche wird bei Hespers Schein

Bereits des Amtmanns Speise seyn,

Durch röthliche Beeren betrogen.

Der Cantor sondert nun das Wachs

Vom goldgelben Honig der Scheiben;

Die Dirne sonnt den grauen Flachs,

Der Jäger gräbt, um Fuchs und Dachs

Hervor aus dem Baue zu treiben.

Wir suchen das Kamin nunmehr,

Ohn' ewig aufs Wetter zu schmälen.

Ist unser eigner Kopf zu leer,

So soll Herr Mars von Land und Meer

Uns etwas neues erzählen.

Süß mag es seyn, fürs Vaterland

Als Held zu sterben mit Freuden;

Doch haben wir so viel Verstand,

Um Fürstengeitz und Vaterland

Ein wenig zu unterscheiden.[175]

Laßt uns, bei dieser Schaale Punsch,

Dem Himmel danken, ihr Lieben!

Daß wir, nach unsrer Jugend Wunsch,

Nicht da sind, wo die Schaalen Punsch

Von Kugeln in Scherben zerstieben.

Von unsern Thaten am Kamin',

Schweigt zwar der Fama Posaune,

Doch unser Schlaf wird nicht entfliehn

Vor einem Rochambeau und Green,

Und Boreas tückischer Laune.

Herr Boreas stört nicht den Klang

Von unsern warmen Pokalen,

Und nicht den lautern Lobgesang,

Den wir dem Herbst', aus altem Hang'

Zu reichen Weinlesen, bezahlen.

Fußnoten

1 Der Brocken braut, ist ein gewöhnlicher Ausdruck, um anzuzeigen, daß er mit Wolken bedeckt, und Regen zu erwarten sey.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 173-176.
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