Golddurst

[158] Die allgemeine Leidenschaft

Ist nicht der Ruhm!1 In meinem Vaterlande

Zum mindsten nicht. Denn ach! der Deutsche rafft

Nach Golde nur. Was kümmert ihn die Schande?

Was thut der Deutsche nicht für Geld! –

Ein schöner Ruhm! Ein Sprichwort aller Zonen!

Wie? bauet er, dem Britten gleich, sein Feld?

Und nährt es schon zu viele Millionen?

Muß darum sich dein schlanker Sohn,

Klopffechtern gleich, für einen Fremdling raufen?

Und ach! zu eines stolzern Volkes Hohn,

Sein tapfres Blut für theures Brod verkaufen?[159]

Bist du, Germanien, so karg

Wohl darum schon mit deinem weiten Boden,

Daß du dem Juden, kaum für seinen Sarg

Vergönnest, nur ein Plätzchen umzuroden?

Mußt darum du zum Wolgastrand'

Und Vandaliciens2 versengten Beeten,

Die Kinder mit stiefmütterlicher Hand

Fortpeitschen, und der Mutter Haus veröden?

O nein! So viel auch ihrer sind,

Du hättest Platz für alle deine Kinder.

Der Aberglaube macht' einst Frankreich blind,

Dich aber macht der Golddurst dreimal blinder.

Zwar schwimmt dein Schiff ins fernste Meer,

Dein Wagen fährt zu Pohlen und zu Ungern;

Doch macht Ein Mißwachs deine Speicher leer,3

So muß zu Haus dein eignes Kind verhungern.[160]

Bist du wohl klüger, als der Geitz,

Der traurig darbt bei angefüllten Kasten?

Wann durfte deine ärmre Schwester selbst, die Schweitz,

Auch ohne Frankreichs Gold, noch jemals fasten?

Wenn dem, der in der Sonne brennt,

Um deinen Boden mühsam umzupflügen,

Dein Geitz kaum einen Labetrunk noch gönnt:

Wie können noch sich deine Speicher biegen?

Bist du so reich: wo ist dein Gold?

Wo baust du neue Brücken itzt? Wo sagen

Die Steine schon die Stunden uns? Wo rollt

Auf Straßen neuer Appier der Wagen?

Wenn du dich Rom zu seyn erkühnst:

Worin bist du wohl Rom schon gleich geworden?

Du hast ja nicht einmal für das Verdienst

Ruhm bringender Plebejer, einen Orden?4[161]

Und ahmst du ja den Schwestern nach,

Und forderst den Erfinder auf zu Wachen:

O so bezahlst du ihm sein Oel, doch ach!

Um ihn berühmt, dich lächerlich zu machen.

Germanien! was könntest du

Nicht thun und werden! Sönnen die Magnaten,

Die immer sinnen, was geradezu

Die Kasten füllt, auf edle, große Thaten!

Und pflanzten Menschen in ihr Land,

Statt Menschen wie das Unkraut auszujäten,

Und richteten mit väterlicher Hand

Den Pflüger auf, statt nieder ihn zu treten.

Und spotteten, wie Friederich,

Im Ueberrock' des Prunks der Sybariten,

Und – schwer, doch groß! – geböten über sich,

Um weiser über Andre zu gebieten.

Fußnoten

1 Young hat, wie bekannt, die Ruhmbegierde in seiner Satyre: love of fame, zur universal passion gemacht.


2 Man wird sich erinnern, daß die Sierra Morena in diesem Königreiche liegt.


3 wie im Jahre 1772.


4 Dieß war wenigstens damals (1772.) noch der Fall.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 4, Frankfurt a.M. 1821, S. 158-162.
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