Dritter Auftritt

[29] Die Vorigen. Die Nichte.


NICHTE. Wie glücklich bin ich, Sie wiederzusehen, liebste Tante!

MARQUISE. Liebe Nichte! Sein Sie mir herzlich willkommen.

MARQUIS. Guten Morgen, Nichtchen! Wie haben Sie geschlafen?

NICHTE beschämt. Ganz wohl.

MARQUISE. Wie sie groß geworden ist, seit ich sie nicht gesehen habe!

NICHTE. Es werden drei Jahre sein.

MARQUIS. Groß, schön, liebenswürdig! Sie ist alles geworden, was ihre Jugend uns weissagte.

MARQUISE zum Marquis. Erstaunst du nicht, wie sie unserer Prinzessin gleicht?

MARQUIS. So obenhin. In der Figur, im Wuchse, in der Größe mag eine allgemeine Ähnlichkeit sein; aber diese Gesichtsbildung gehört ihr allein, und ich denke, sie wird sie nicht vertauschen wollen.

MARQUISE. Sie haben eine gute Mutter verloren.

NICHTE. Die ich in Ihnen wiederfinde.

MARQUISE. Ihr Bruder ist nach den Inseln.

NICHTE. Ich wünsche, daß er sein Glück mache.

MARQUIS. Diesen Bruder ersetze ich.

MARQUISE zum Marquis. Es ist eine gefährliche Stelle, Marquis!

MARQUIS. Wir haben Mut.

JÄCK. Der Ritter! – Er ist noch nicht freundlicher geworden.

MARQUISE. Er ist willkommen!


Jäck ab.


MARQUISE zur Nichte. Sie werden einen liebenswürdigen Mann kennenlernen.[29]

MARQUIS. Ich dächte, sie könnte seinesgleichen schon mehr gesehen haben.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Berlin 1960 ff, S. 29-30.
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