|
[186] Aber war Tristan und Isot
Sieghaft der Sorgen und der Noth
Und waren aber des Hofes wohl;
Der war aber ihrer Ehren voll,
Und nie war ihres Lobes mehr.
Sie waren aber, wie vorher,
Vertraulich und gesehen gern
Bei Marke, ihrer Beider Herrn.
Auch bargen sie sich wohl genug:
Denn so sie nicht fanden Statt noch Fug,
So däuchte sie der Wille gut,
Der Gelieben oftmals sanfte thut;
Der Trost und das Vertrauen,
Daß man noch werde schauen,
Woran dem Herzen gelegen ist,
Die geben dem Herzen zu jeder Frist
Lebende Lust und blühende Kraft.
Dies ist die rechte Herzfreundschaft,
Dies sind die besten Sinne
In der Liebe und in der Minne:
Wo man die That nicht haben kann,
Wie es der Minne wohl stünde an,
Soll man der That gern haben Rath
Und nehmen den Willen für die That.
Wo der gewisse Wille ist,
Da ist Erfüllung auch zur Frist.
Man soll das Verlangen stillen
Mit dem gewissen Willen.
Gesellen und Gespielen,
Die sollen nach nichts zielen
Zuwider der Gelegenheit,
Oder sie zielen nach ihrem Leid.
So man nicht mag und dennoch will,
Das ist ein gar undienlich Spiel.
So du wohl magst, dann wolle du:
Bei diesem Spiel geht's reichlich zu;
Da ist kein Herzeleid daran.
Die Gespielen Isolde und Tristan,
So es nicht wollte nach Wunsch gedeihn,
So gaben sie das Zusammensein
Für ihren einigen Willen hin.
Der wirkte in ihrer Beider Sinn
Gar süß und lieblich allezeit
Und aber in großer Unmüßigkeit:
Einige Liebe, einiger Muth,
Die däuchten sie gar süß und gut.
Die Gelieben, die verhahlen
Ihre Liebe zu allen Malen
Vor Marke und dem Gesinde,
So gut es ihnen die blinde
Liebe wollte gestatten,
Die sie stets um sich hatten.
Nun aber ist eifersüchtiger Wahn
Und dessen Same so gethan:
Wo er wird hingetragen,
Daß er mag Wurzeln schlagen,
Da ist er also wucherisch
Und treibt und saftet immer frisch,
Dieweil er in der Feuchte steht,
Daß er da nicht so leicht vergeht
Und nie vergehen wird fortan.
Derselbe unmüßige leide Wahn
Begann aber allzuhanden
An Isolden und Tristanden
Seine Frucht zu treiben und sein Spiel.
Da war der Feuchte gar zu viel,
Der Grüße süß und leise,
Daran man die Beweise
Der Minne sah zu jeder Stund.
Das Wort, das kam aus wahrem Mund:
Wie man auch ihrer hütend sei,
Sie sind doch gerne einander bei,
Das Auge bei dem Herzen,
Der Finger bei dem Schmerzen.
Des Herzens Leitesterne,
Die stehlen sich viel gerne
Hin, da das Herz ist hingewandt.
Auch geht der Finger und die Hand
Gar oft und zu gar mancher Frist
Dahin, wo der Schmerz verborgen ist.
So thaten die Beiden immer:[187]
Sie mochten's und konnten's nimmer
Um keine Noth sich wehren,
Den Argwohn fort zu nähren
Mit süßen Augenstrahlen
Zu allzu vielen Malen:
Denn leider, wie ich las zur Stund,
Des Herzens Freund, das Auge, stund
Aufs Herz gewendet fort und fort,
Die Hand lag stets am Schmerzensort.
Oft begannen sie unter sich
Augen und Herzen so festiglich
Mit Blicken zu verstricken,
Daß sie aus ihren Blicken
Oft und zu manchen Stunden
Nicht also den Ausweg funden,
Daß Marke nicht darinne
Den Balsam fand der Minne.
Drum nahm er ihrer immer wahr,
Sein Auge, das stund immer dar:
Oft las er heimlich ihnen
Die Wahrheit in den Mienen;
Sonst aber sah er sie an nichts
Als an den Gebärden des Angesichts;
Die entboten so sehnlich süße,
So innigliche Grüße,
Daß es ihm an sein Herze ging
Und ihn mit solchem Zorn befing,
Mit solchem Neid und solchem Haß,
Daß er mit einmal dies und das,
Ob's Zweifel oder Argwohn hieß,
Alles zusammen fahren ließ:
Ihn hatte Leid und Zorn entfacht
Und ganz um Sinn und Maß gebracht.
Es war all seiner Sinne Tod,
Daß seines Herzens Weib Isot
Einen Andern als ihn, den Einen,
In Treuen sollte meinen;
Denn es ging ihm nichts über sie
Von allen Schätzen auf Erden hie,
Und hatte darin steten Muth:
Wie auch entbrannte seine Wuth,
So war ihm je sein liebes Weib
Doch lieb und lieber denn sein Leib.
Wie lieb sie ihm aber mochte sein,
Doch brachte ihn diese stete Pein
Und dieses tobende schwere Leid
In also große Tobenheit,
Daß er die Liebe von sich trieb
Und nur auf seinem Zorn verblieb.
Er hätte nicht gegeben ein Haar,
Wär es gelogen oder wahr.
In diesem blinden Leide
Besandte er sie Beide
Vor seinen Hof zum Palaste dar,
Wo all das Hofgesinde war.
Zu Isolden sprach er offen da,
Daß all der Hof es hört' und sah:
»Meine Frau Isolde von Irenland,
Land und Leuten ist wohlbekannt,
Wie sehr Ihr im Verdachte seid
Nun lange und seit mancher Zeit
Mit meinem Neffen Tristanden.
Nun hab ich mancher Handen
Warte und Hut an Euch gewandt,
Ob Ihr möchtet diesen blinden Brand
Um meinetwillen lassen:
Nun wollt Ihr Euch nicht fassen;
Ich bin doch kein so blinder Mann,
Ich weiß und schau es Euch wohl an,
Offen und in der Stille:
Eure Augen und Euer Wille,
Die sind zu allen Stunden
An meinen Neffen gebunden.
Dem bietet und erzeiget Ihr
Gebärden, süßere denn mir.
An den Gebärden verseh ich mich,
Daß er Euch lieber ist denn ich.
Was ich erdenken mag für Hut
So wider Euren als seinen Muth,
Das schlägt zu keinem Frommen an,
Das alles ist für nichts gethan,
Wie viel ich es auch treibe.
Ich schied Euch doch am Leibe
Wohl hundertmal und hundert,
So daß mich's immer wundert,
Daß Ihr so lange und allezeit
Im Herzen also einig seid.
Eure Blicke, zu meinem Frieden
Hab ich sie oft geschieden,
Und kann doch an euch Beiden[188]
Die Liebe nimmer scheiden,
Und hab euch das zu viel ertragen.
Nun will ich euch das Ende sagen:
Ich will die Schande und das Leid,
Das ihr mir nun so lange Zeit
Zu meiner Noth habt angethan,
Nicht länger treiben mit euch fortan.
Ich will die Schmach von euch Beiden
Von Stund an nicht mehr leiden.
Auch will ich dies Verbrechen
An euch so sehr nicht rächen,
Als ich mit Rechte sollte,
So ich mich rächen wollte.
Neffe Tristan, meine Frau Isot,
Daß ich euch Beiden dafür den Tod
Oder ein Herzeleid anthu,
Da seid ihr mir zu lieb dazu,
Was ich doch viel ungern gestehe:
Seit ich nun an euch Beiden sehe,
Daß ihr einander allezeit
Wider all meinen Willen seid
Lieber, denn ich euch Beiden bin,
So lebet auch mit einander hin
Nach eurem Willen und Begehr
Und kümmert euch um mich nichts mehr.
Seit eure Liebe so mächtig ist,
So will ich euch von dieser Frist
In keinem von euren Dingen
Beschweren oder zwingen.
Nehmet einander an die Hand
Und räumet mir so Hof als Land.
Denn soll mir Leid von euch geschehn,
So will ich's nicht hören und auch nicht sehn.
Die Gemeinschaft unter uns Dreien,
Die kann nicht fort gedeihen;
Ich lasse sie euch Beiden
Und will mich davon scheiden.
Wie ich mich auch draus löse,
Die Gemeinschaft, die ist böse:
Ich will sie gerne missen.
Ein König, und zu wissen
Um Gemeinschaft in der Minne,
Das zeugt von niedrem Sinne.
Fahrt Beide Gott ergeben,
Heget so Lieb als Leben,
Wie euch fortan zu Muthe sei:
Mit der Gemeinschaft ist's vorbei.«
Nun, dies erging, und dies geschah,
Recht wie es Marke sagte da:
Tristan und seine Fraue Isot,
Sie neigten sich mit mäßiger Noth,
Mit kühlem Herzeleide
Ihrem Herrn dem König Beide,
Darnach dem Hofgesinde dar.
Das innige getreue Paar
Sich an den Händen faßte
Und ging aus dem Palaste.
Ihre treue Brangäne mit Herz und Mund
Hießen sie wohl sein und gesund
Und baten, daß sie bliebe,
Am Hofe die Zeit vertriebe,
Bis daß sie Kunde empfinge,
Wie es ihnen Beiden ginge:
Das befahlen sie ihr hoch und stark.
Tristan, der nahm da zwanzig Mark
Von seiner Isolde Golde,
Für ihn und seine Isolde
Zur Nothdurft und zur Speise.
Auch ließ man ihn auf die Reise
Und auf die Fahrt, wie er begehrt,
Seine Harfe nehmen und sein Schwert,
Seine Birscharmbrust und dazu sein Horn.
Dazu so hatte er ihm erkorn
Aus seinen Bracken einen,
Einen schönen und kleinen,
Derselbe war Heudan genannt;
Den nahm er selber an seine Hand.
Sein Gesinde bat er Gott bewahren
Und hieß sie wieder zu Lande fahren
Zu Herrn Rualen, dem Vater sein,
Ohne den Kurvenal allein;
Denselben behielt er in seiner Schaar.
Dem bot er auch die Harfen dar;
Die Armbrust nahm er selbst zur Stund,
Dazu das Horn und auch den Hund,
Heudanen, nicht den Peticriu.
So schieden die Drei und ritten zu.
Brangäne, die treue, reine,
Die blieb nun seelenalleine
In Trauer und in Schwere.[189]
Die schwere Trauermäre
Und das viel leide Scheiden
Von ihren Gefreundten beiden,
Das ging ihr so mit Schmerzen
Und also gar zu Herzen,
Daß es ein großes Wunder war,
Daß sie nicht starb vor Leide gar.
Auch schieden jene Beide
Von ihr mit manchem Leide,
Nur daß sie aus gutem Grunde
Sie eine kurze Stunde
Harren und bleiben hießen
Und sie bei Marke ließen,
Daß sie die Sühne nachderhand
Bei Marke brächte für sie zu Stand.
So kehrten die Drei in guter Ruh
Immer und immer der Wildniß zu,
Durch Wald und Haide, und ritten so
Beinahe der Tagereisen zwo.
Da war Tristanden ein hohler Schlund
In einem wilden Berge kund,
Den er zu einer Stunden
Von Aventüre funden;
Da hatte ihn einst beim Jagen
Sein Weg dahin getragen.
Dieselbe Höhle, die war weiland,
Unter der heidnischen Zeit im Land,
Vor Korineïs Jahren,
Da Riesen noch Herren da waren,
Gehauen in den wilden Berg;
Da hatten sie Obdach und Geberg,
So sie sich mit Heimlichkeiten
Der Göttin Minne weihten.
Wo so eine Höhle funden ward,
Dieselbe war mit Erz verwahrt
Und wurde der Minne nach benannt
La fossure a la gent amant,
Der Minnenden Grotte, sagen wir.
Der Name war auch gebührlich ihr.
Auch nennt uns der Aventüre Mund
Die Grotte ein gewölbtes Rund,
Weit, hoch, mit aufrecht graden Streben,
Schneeweiß und ringsum gleich und eben.
Das Gewölbe, das schloß sich oben,
So daß es war zu loben,
Und auf dem Schluß eine Krone war,
Die war gezieret wunderbar
Mit Geschmeide und edlen Steinen,
Das gab ein Leuchten und Scheinen.
Der Estrich unten war glatt und gleich,
Blank wie ein Spiegel, schön und reich,
Von Marmor, grün wie Auen
Im Frühling anzuschauen.
Ein Bette stand inmitten,
Rein aus Krystall geschnitten,
Hoch, weit, wohl auferhaben,
Mit Schriften rings ergraben;
Und sagt uns auch die Märe,
Daß es gewesen wäre
Geweiht der Göttin Minne.
An der Grotten oben inne
Da waren kleine Fensterlein
Des Lichtes wegen gehauen ein,
Die gaben Helle im Felsenhaus.
Und da man einging oder aus,
Da war eine eherne Thür dafür,
Und außen stunden ob der Thür
Vielästiger großer Linden drei,
Und oben keine mehr dabei,
Aber überall hin zuthal
Da stunden Bäume ohne Zahl,
Mit Laub und Aesten strebend,
Dem Berge Schatten gebend.
Und einthalb war eine Pläne,
Da floß eine Fontäne,
Ein frischer kühler Bronne,
Durchlauter wie die Sonne.
Da stunden auch drei Linden drob,
Die waren schön und ganz zu Lob
Und schirmeten den Bronnen
Vor dem Regen und vor der Sonnen.
Auch waren auf der Auen
Lichte Blumen zu schauen
Und grünes Gras bei ihnen,
Die kriegten gar süß und schienen
Eins gegen das andre widerstreit.
Auch fand man da zu seiner Zeit
Das schöne Vogelgetöne.
Das Getöne, das war so schöne
Und schöner denn an jedem Ort.
Augen und Ohren hatten dort[190]
Weide und Wonne beide,
Die Augen ihre Weide,
Die Ohren ihre Wonne.
Da war Schatte und Sonne,
Da waren Luft und Winde
So sanft und so gelinde.
Von diesem Berg im Kreise
Wohl eine Tagereise
War alles wüste und wilde,
Felsen ohne Gefilde.
Da war keine Gelegenheit
Von Wegen, noch Stegen weit und breit.
Doch wie auch unwegsam und rauh,
So kehrte Tristan und die Frau,
Seine traute Begleiterin,
Dennoch in diese Oede hin
Und nahmen sich Herberge
In dem Felsen und in dem Berge.
Nun sie sich niederließen dort,
Sandten sie Kurvenalen fort,
Am Hofe zu sagen Märe,
Und wo es noch nöthig wäre,
Daß Tristan und die schöne Isot
Mit Jammer und mit mancher Noth
Gen Irland seien gefahren,
Allda zu offenbaren
Ihre Unschuld wider Leut und Land;
Und befahlen, daß er sich allzuhand
Bei Hofe niederließe,
Wie ihn's Brangäne hieße,
Und entböte mit treuem Sinne
Ihre Freundschaft und ihre Minne
An die Reine, die Getreue,
Ihre Freundin ohne Scheue
Und erforschete auch im Stillen,
Wie es stünde mit Marke's Willen;
Ob er nicht einen argen Rath
Zu irgend einer argen That
Wider ihr Leben richtete;
Daß er das gleich berichtete,
Und daß er auch allzuhanden
Isolden und Tristanden
In seine Gedanken nähme
Und je zurücke käme
Mit so gethanen Mären,
Die da entscheidend wären,
Je einmal inner zwanzig Tagen. –
Was brauche ich euch nun mehr zu sagen?
Er leistete, was man ihm gebot.
Hiemit war Tristan und Isot
Eingezogen zu Hause
In dieser wilden Klause.
Viel Manchen treibt jetzunder
Der Fürwitz und das Wunder
Und hat mit Fragen große Noth,
Wie sich Tristan und seine Isot,
Die armen zween Gefährten,
In dieser Wüste ernährten.
Deß will ich ihn berichten
Und seinen Fürwitz schlichten:
Sie sahen Beide einander an,
Und Jedes Speise davon gewann:
Der Wucher, den das Auge trug,
Bot ihnen Leibesnahrung gnug:
Sie aßen nichts darinne
Als hohen Muth und Minne.
Ums Essen und ums Trinken war
Das minnende wohlgemuthe Paar
In gar geringen Sorgen.
Sie hatten ja verborgen
Innen in den Gewanden
Die beste Speise zuhanden,
Die man auf Erden haben kann.
Die trug sich ihnen von selber an,
Je frisch und je aufs Neue:
Das war die reine Treue,
Die gebalsamte Minne,
Die dem Leib und dem Sinne
So inniglich wohl, so sanfte thut,
Die da befeuert Herz und Muth;
Die war ihre beste Nahrung hie.
Fürwahr, und selten nahmen sie
Sonst einer Speise wahr, als der,
Von der das Herze sein Begehr,
Das Auge seine Wonne nahm
Und die auch recht dem Leibe kam;
Hiemit so hatten sie genug:
Liebe zog ihnen ihren Pflug,
Ging ihnen so auf jedem Schritt
Und zu jeglicher Stunde mit[191]
Und spendete, was man haben muß,
Zu leben in Fülle und Ueberfluß.
Auch machte es ihnen wenig Pein,
Daß sie in der Wüste so allein
Und ohne Leute lebten hin.
Nun, weß bedurften sie auch darin?
Was sollte Jemand zu ihnen dar?
Sie hatten eine gerade Schaar:
Sie waren Eins und Eines
Und bedurften weiter Keines.
Hätten sie Einen dazu erlesen,
So wären sie ungerad gewesen
Und mit dem Ungeraden
Ueberlastet und beladen.
Ihrer Beider Genossenschaft,
Die war den Beiden so schaarenhaft,
Daß der gesegnete Artus nie
Daheime bei seiner Massenie
Ein Fest gewann um seinen Thron,
Daß ihnen größere Lust davon
Und Wonne wär entstanden.
Man hätte in allen Landen
Nicht Eine Freude funden,
Die sie Zwei zu den Stunden
Zum Haushalt unter ihnen Zwein
Hätten gekauft um ein Glasringlein.
Was Jemand konnte ertrachten,
Fürs höchste Leben achten,
In jeglichem Land und Himmelsstrich,
Das hatten sie alles da bei sich.
Sie hätten um ein besser Leben
Nicht eine Bohne hergegeben,
Wenn's nicht um die Ehre gewesen wär.
Und weß bedurften sie auch da mehr?
Sie hielten Hof, sie hatten Gut,
Darauf die Freude all beruht.
Ihr stetes Ingesinde,
Das war die grüne Linde,
Der Schatte und die Sonne,
Die Aue und der Bronne,
Blumen und Gras, Laub und Blüth,
Was tröstet Augen und Gemüth.
Ihr Dienst, das war der Vogelschall:
Die kleine reine Nachtigall,
Drossel und Amsel obendrein
Und andere Waldvögelein,
Der Zeisig und Galander,
Die dienten wider einander
In die Wette und in Widerstreit.
Dies Gesinde diente zu aller Zeit
Ihrem Ohr und ihrem Sinne.
Ihre Hochzeit war die Minne,
Die übergoldete ihre Lust
Und brachte ihnen in Aug und Brust
Des Tags wohl manche Stunde
Artusens Tafelrunde
Mit aller ihrer Massenie.
Was bedurften sie bessere Nahrung hie
Dem Muthe und dem Leibe?
Da war doch Mann bei Weibe,
So war auch Weib bei Manne:
Da fehlte keine Spanne.
Sie hatten, was sie sollten,
Und waren, da sie wollten.
Nun treiben aber ihrer gnug
Ihr Wesen mit Lärm und wenig Fug,
Dazu ich doch nicht stimmen will:
Sie sagen, zu sothanem Spiel
Da gehöre noch andre Speisung bei.
Da weiß ich nicht recht, ob's so sei.
Mich dünket es genug hieran.
Ist aber hie ein andrer Mann,
Der Nahrung, die da baß macht satt,
An diesem Leben erforschet hat,
Der rede, wie es ihm bewußt:
Ich ging auch je und je mit Lust
Also gethane Lebensbahn:
Da däuchte es mich genug daran.
Nun soll euch nicht verdrießen,
Wenn ich euch will erschließen,
Mit welchem Sinn ich meine,
Daß die Grotte im Gesteine
Bereitet war in ihrem Maß.
Sie war, wie ich zur Stunde las,
Gewölbt, weit, hoch, mit graden Streben,
Schneeweiß und ringsum gleich und eben.
Die runde Wölbung drinne,
Das ist Einfalt in Minne:
Einfalt, die ziemt der Minne wohl,
Die keinen Winkel haben soll;[192]
Der Winkel, der an der Minnen ist,
Das ist Argheit, falsche Kunst und List.
Die Weite, das ist der Minnen Kraft,
Denn ihre Kraft ist unendehaft.
Die Höhe, das ist der hohe Muth,
Der sich auf in die Wolken thut:
Demselben ist auch nichts zu viel,
Dieweil er hinauf sich heben will,
Wo sich der Tugenden Fug und Guß
Zusammen wölbt in einen Schluß.
Und der zerfällt auch nimmer:
Die Tugenden, die sind immer
Mit Lobe so vereinet,
Gekrönet und gesteinet,
Daß wir, die nieder sind gemuth,
Wir, deren Muth sich niederthut
Und an dem Estrich schwebet,
Ja, weder schwebt noch klebet, –
Wir schauen immer auf gen Berg
Und schauen oben an das Werk,
Das da aus ihrem Lob besteht,
Von ihren Tugenden niedergeht,
Die ob uns in den Wolken schweben
Und ihren Schein hernieder geben:
Da schaun wir nach den Wunderdingen,
Und hievon wachsen uns die Schwingen,
Mit denen der Muth in die Höhe fleugt,
Fliegend aus Tugenden Lob erzeugt.
Die Wand war weiß und eben ganz:
Das ist der Wahrheit Art und Glanz,
Deren Weiße und gleicher Schein
Soll nimmermehr gesprenkelt sein;
Auch soll ihr kein Argwohn böser Sachen
Weder Bühel, noch Grube machen.
Der Estrich, der von Marmor war,
Der gleicht der Stete ganz und gar
An Grüne und an Feste:
Der Sinn ist ihm der beste
An Glätte und Farbenscheine:
Die Stete sei, die reine,
Mit Rechte saftgrün als wie Gras,
Glatt und durchlauter als wie Glas.
Das Bett inmitten drinne
War der krystallenen Minne
Nach ihrem Namen recht benannt:
Er hatte ihr Recht viel recht erkannt,
Der ihr machte aus Krystall bereit
Ihr Lager und ihre Gelegenheit:
Die Minne soll auch krystallen, rein,
Durchsichtig und durchlauter sein.
Innen an der ehernen Thür,
Da gingen auch zween Riegel für.
Eine Klinke war auch innen
Mit kundiglichen Sinnen
Hinausgeleitet durch die Wand,
Allda sie auch Tristan erfand;
Die meisterte ein Heftelein,
Das da von außen ging hinein
Und sie handhabte hin und dar.
Nicht Schloß daran, noch Schlüssel war,
Und will euch sagen, warum:
Das Schloß, das fehlte darum:
Was man Gerüstes für die Thür,
Ich meine außerhalb dafür,
Zum Hemmen oder Verschließen thut,
Das deutet alles auf falschen Muth;
Eingehn zur Thür der Minnen,
Wen man nicht einläßt drinnen,
Das ist nicht Minnen Art, noch Fug,
Das ist Gewalt oder ist Betrug.
Darum so steht dem Minnenthor
Dieselbe eherne Thüre vor,
Die Niemand kann gewinnen,
Er gewinne sie denn mit Minnen.
Auch ist sie ehern, merket hie,
Daß kein Gerüste gegen sie,
Weder von Gewalt, noch Kraft,
Weder von List, noch Meisterschaft,
Von Falschheit, noch von Lüge
Zum Sprengen oder Brechen gnüge.
Und innen die zween Riegel,
Der Minne zwei Insiegel,
War jeder dem andern zugewandt
An einem Ende je der Wand,
Von Cedernholz der eine,
Der andre von Helfenbeine.
Vernehmet die Deutung beeder:
Der eine von der Ceder,
Der meinet an der Minne
Die Weisheit und die Sinne;[193]
Der Riegel von Helfenbeine
Die Keuschheit und die Reine.
Mit diesen zwein Insiegeln,
Mit diesen reinen Riegeln
Ist zugethan der Minnen Haus,
Falsch und Gewalt geschlossen aus.
Die heimliche Handhabe,
Von der ich gesprochen habe,
Die von außen ging zur Klinken hin,
Das war eine Spille, nur von Zinn,
Dagegen mit Recht die Klinke war
Von lautrem Golde ganz und gar.
Heft und Klinke, diese und das,
Die konnten beide nimmer baß
In ihrer Weise sein vollbracht.
Das Zinn, das ist die Willensmacht
Zu heimlich stillen Dingen;
Das Gold ist das Gelingen.
Zinn und Gold stehn wohl hier an:
Seinen Sinn, den mag ein jeder Mann
Nach seinem Willen leiten,
Schmälern oder breiten,
Kürzen oder längen,
Weiten oder engen,
So oder so, her oder hin,
Mit leichter Mühe, gleichwie Zinn;
Und ist da wenig Schaden dran:
Wer aber mit rechter Güte kann
Auf Minne wenden seinen Sinn,
Fürwahr, den trägt dies Heft von Zinn,
Das arme schlechte Stücke
Trägt ihn zu goldnem Glücke
Und lieber Aventüre.
Oben in die Fossüre,
Da waren nur drei Fensterlein,
Dadurch die Sonne mit ihrem Schein
Gar heimlich konnte schauen,
Durch den ganzen Stein gehauen.
Dieselben hießen Güte,
Demüthiges Gemüthe
Und Zucht. Zu diesen Dreien ein,
Da geht und lacht der süße Schein,
Der selige Gast, der hehre,
Der Lichter bestes, Ehre,
Und erleuchtet die Fossüre
Köstlicher Aventüre.
Auch hat es Sinn und klinget fein,
Daß die Fossüre so allein
In dieser wüsten Wildniß lag,
Was man dem wohl vergleichen mag,
Daß Minne und ihre Gelegenheit
Nicht liegen an der Straße breit,
Noch nahe beim Gefilde:
Sie lauschet in der Wilde.
Zu ihrer Klause ist die Fahrt
Mit Noth und Mühsal wohl verwahrt.
Die Berge liegen um sie her
In manchem Bogen kreuz und quer
Verschoben hin und wieder;
Die Steige sind auf und nieder
Uns armen Märtyrern allen
Mit Felsen so zerfallen,
Daß, gehn wir nicht recht dem Pfade mit,
Versehen wir's an einem Tritt,
Wir aus den Irrgewinden
Uns nimmer zurechte finden.
Wer aber mag so selig sein,
Daß er zur Wildniß kommt hinein,
Was er auch Müh und Arbeit fand,
Die ist glückselig aufgewandt:
Er findet da des Herzens Spiel,
Und was das Ohr vernehmen will,
Und was dem Auge lachen soll,
Deß alles ist die Wildniß voll:
So wäre er ungern von dem Ort.
Dies weiß ich wohl, denn ich war dort:
Ich hab auch in der Wilde
Dem Vogel und dem Wilde,
Dem Hirsche und dem Thiere
Durch manche Waldreviere
Mit Pfeilen nachgejagt und Hunden
Und aber so getäuscht die Stunden,
Daß ich noch niemals kam zum Bast.
Meine Mühsal und all meine Last
Blieb ohne Aventüre.
Ich fand an der Fossüre
Das Heft und sah die Klinken,
Sah auch zu Stunden blinken
Jenen Kristall inmitten.
Den Reihen bin ich geschritten[194]
Gar ofte her und ofte hin,
Hab aber nie geruht darin.
Und aber den blanken Estrich gar,
Wie marmorhart er immer war,
Den hab ich mit Tritten so beschwert,
Hätt ihn die Grüne nicht ernährt,
An der seine meiste Tugend ist,
Von der er wächst zu jeder Frist,
Man spürte wohl der Minne
Leibhaftige Spuren drinne.
Auch hab ich an die lichte Wand
Meine Augen zu ihrer Lust gewandt
Und oben am Zusammenfug,
An dem Gewölb und Schluß genug
Mit Blicken mich geflissen,
Meine Augen viel verschlissen
An der Gezierde und Krone drob,
Die so gestirnet ist mit Lob.
Die sonnespendenden Fensterlein,
Die haben mir oft ins Herze mein
Ihr Licht und ihren Glast gesandt.
Mir ist die Grotte wohl bekannt
Und schon seit meinem eilften Jahr,
Der ich doch nie in Kornwall war.
Das Paar, das treue, holde,
Tristan und seine Isolde,
Sie hatten in der Wilde
Zu Wald und zu Gefilde
Ihre Muße und Unmüßigkeit
Gar süß bestellet und bereit:
Sie waren zu allen Zeiten
Einander an der Seiten.
Des Morgens in dem Thaue
So schwebten sie zur Aue,
Da Blumen und Gras zuhanden
Vom Thau erkühlet standen.
Die kühle Prärie im Morgenschein,
Die mußte dann ihr Vergnügen sein.
Da wandelten sie her und hin,
Sprachen zusammen mit holdem Sinn
Und lauschten unterm Gange
Dem süßen Vogelsange.
Und alsdann nahmen sie einen Schwang
Hin, da der kühle Bronne klang,
Und lauschten seinem Klange,
Seinem Gleiten und seinem Gange
Zur Pläne mit stillen Fluthen;
Da saßen sie und ruhten
Und lauscheten dem Gießen
Und schauten auf das Fließen,
Und war das ihre Wonne.
Als aber die lichte Sonne
Begann sich zu erheben,
Die Hitze herab zu schweben,
So gingen sie zur Linden
Nach den linden Winden;
Die spendete ihnen aber Lust
Außen und innerhalb der Brust.
Sie erfreuten Sinn und Augen hie.
Die Linde süßete für sie
Luft und Schatten mit ihrem Blatte.
Die Winde machte ihr süßer Schatte
Gar süß, kühl und gelinde.
Die Ruhebank der Linde,
Das war von Blumen und Grase
Der bestgemalte Rase,
Der je um eine Linde war.
Da saßen sie zu einander dar,
Die sehnenden Getreuen,
Ihre Mären zu erneuen
Von Sehnenden, die vor Jahren
Durch Liebe verdorben waren.
Sie beredeten und besagten,
Sie betrauerten und beklagten
Die thracische Phyllis und ihr Weh,
Und was die arme Kanace
Durch Minne ward Schmerzen inne,
Und Byblis, der aus Minne
Zu ihrem Bruder das Herze brach.
Sie sprachen von dem Ungemach
Der Königin von Sidone,
Der sehnenden Didone,
Der ihre Liebe zu Leid gedieh.
Mit solchen Mären waren sie
Unmüßig unter Stunden.
So sie aber solcher Kunden
Vergessen wollten und fröhlich sein,
So schlichen sie zur Klausen ein
Und nahmen aber zu Handen,
Dran sie ihre Freude fanden,[195]
Und ließen dann erklingen
Ihr Harfen und ihr Singen
Mit sehnlichem süßem Gruße.
Da wechselten sie Unmuße
Mit Händen und mit Zungen:
Sie harfeten und sie sungen
Leiche und Noten der Minne.
Sie wandelten darinne
Ihr Wonnespiel, wie's ihnen kam.
Welches von ihnen die Harfe nahm,
So war es je des Andern Art,
Daß es ihm je gar süß und zart
Und sehnlich dazu die Noten sang.
Auch lautete jedweder Klang
Der Harfen mit der Zungen,
So sie in einander klungen,
So süß und lieblich überein,
Daß ihre Klause wohl und fein
Zur süßen Minne ward benannt
La fossure a la gent amant.
Was aber von der Fossüre
Von alter Aventüre
Vorhin je war bemäret,
Das ward erst hie bewähret.
Die wahre Wirthin, Minne,
Die hatte sich darinne
Nun erst recht an ihr Spiel gemacht:
Was eh darinne ward vollbracht
Von Kurzweil oder Minnenspiel,
Das lief nicht hin zu diesem Ziel:
Es war nicht in des Herzens Schrein
So lauter, noch so herzensrein,
Wie das Spiel dieser Beiden hie.
Mit Minne die Zeit verbrachten sie,
Daß Minnende lebten nimmer baß:
Sie thaten nichts denn alles das,
Wozu sie ihr Herz und Wille trug.
Der Kurzweil gab's am Tag genug,
Die sie da suchten und funden:
Sie ritten unter Stunden,
Wenn das war ihr Behagen,
Mit der Armbrust auf das Jagen
Und birschten in der Wilde
Nach Vögeln und nach Wilde.
Auch gingen sie zu Zeiten
Dem Rothwild nachzureiten
Mit Heudan ihrem Hunde,
Der sonst mit stummem Munde
Nicht war gewohnt zu jagen,
Nun aber in kurzen Tagen
Von Tristan hatte gelernt die Birsch
So auf das Thier als auf den Hirsch,
Nach jeder Art von Wilde,
Durch Wald und durch Gefilde,
So daß er auf der Fährte lief
Und doch nicht anschlug oder rief.
Mit dem vertrieben sie manchen Tag,
Nicht etwa, wie man glauben mag,
Aus Nothdurft und zum Unterhalt:
Der Kurzweil ihr Gebirsche galt,
Die ihnen aus dem Jagen floß.
Sie übten Bracken und Geschoß,
Das weiß ich und ist mir wohl bewußt,
Viel mehr zu ihres Herzens Lust
Und ihren Muth zu stillen,
Als um der Nahrung willen.
Ihr Geschäft und ihre Unmüßigkeit
War allewege und allezeit
Nichts, als was ihnen Lust gebar
Und ihrem Muth geziemlich war.
Unter währender dieser Zeit
Hatte groß Ungemach und Leid
Der trauervolle Marke;
Deß Trauer war eine starke.
Er trauerte um Ehr und Weib,
Und ward ihm täglich Seel und Leib
Je mehr und mehr beschwerlich,
Ehre und Gut entbehrlich.
So ritt er in selben Tagen
Zum selben Walde jagen,
Mehr um sein Leid zu stillen,
Denn Abenteuers willen.
Nun sie zum Walde kamen,
Die Jäger die Hunde nahmen
Und fanden da ein Rudel stehn;
Da ließen sie die Hunde gehn,
Und an derselben Stunde
Schieden des Königs Hunde
Einen seltnen Hirsch ab von dem Troß,
Der hatte die Mähne wie ein Roß,[196]
War weiß, groß, wuchtig ungemein,
Die Stangen unansehnlich, klein,
Kaum wieder aufgesprossen,
Als ob er sie abgestossen
Erst hätte vor gar kurzer Zeit;
Den jagten sie in Widerstreit
Und mit Gewalt nachtrabend
Bis tief hin in den Abend.
Zuletzt verfehlten sie die Spur,
Also daß ihnen der Hirsch entfuhr
Und seine Flucht hin wieder nahm,
Von dannen er auch zur Grotte kam
Hinsetzend über Gestein und Gras:
Alldahin floh er und genas.
Nunmehr verdroß es Marken sehr,
Dazu die Jäger noch viel mehr,
Daß ihnen so am Hirsch geschah,
Da man ihn doch so fremde sah
An der Farbe und am Mähnenhaar,
Und war unmuthig die ganze Schaar.
Sie koppelten die Hunde wieder
Und ließen sich die Nacht da nieder,
Denn ihnen war Allen Ruhe Noth.
Nun hatte auch Tristan und Isot
Den ganzen Tag lang wohl vernommen,
Den Schall, der in den Wald war kommen
Von Hörnern und von Hunden,
Und dachten an den Stunden,
Es könne Niemand als Marke sein.
Da hatten sie große Noth und Pein:
Mit schwerem Herzen sorgten sie,
Sie wären ihm verrathen hie.
Des andern Tages in der Fruh,
Da fuhr der Jägermeister zu,
Eh daß er sähe das Morgenroth;
Seinen Unterthanen er gebot,
Daß man warte, bis es tage,
Und ihm alsdann nachjage.
An seine Leine nahm er dar
Einen Bracken, der ihm gefällig war,
Und brachte ihn auf die Fährte.
Der leitete ihn und kehrte
Manch unwegsame Pfade
Ueber Felsen krumm und grade,
Ueber Gras und über Gestein empor
Und hinunter, da ihm der Hirsch zuvor
Gestrichen und geflohen war;
Dem folgte er auf der Fährte dar,
Bis daß die Schlucht ein Ende nahm,
Die Sonne in die Höhe kam:
Da war er auf Tristans Pläne
Und stand bei der Fontäne.
Desselben Morgens war Tristan dort
Und sein Gespiel geschlichen fort,
Bei Händen traut befangen,
Und kamen hingegangen
Gar früh und in dem Thaue
Auf die geblümte Aue
Und in das wonnigliche Thal:
Galander und Nachtigall zumal
Begannen zu organiren,
Ihr Gesinde zu saluiren;
Sie grüßten fleißig die Holden,
Tristanden und Isolden.
Die wilden Waldesvögelein,
Die hießen sie willkommen sein
Gar süß in ihrem Lateine.
Manch süßem Vöglein kleine,
Dem waren sie da hoch willkommen.
Sie hatten sich alle angenommen
Gar wonniger Unmuße:
Den Gelieben zwein zum Gruße
Sangen sie von dem Reise
Ihre wonnebringende Weise
In manchen Wandelungen,
Mit mancher süßen Zungen,
Die da schantoit und discantoit
Ihre Schanzune und Refloit
Den Liebenden zur Wonne.
Sie empfing der kühle Bronne,
Der gegen ihre Augen schön entsprang
Und schöner in ihre Ohren klang,
Raunend ihnen entgegen ging,
Mit seinem Raunen sie empfing:
Er raunete gar süße
Gegen sie seine Grüße.
So grüßten sie auch die Linden
Mit den viel süßen Winden,
Erfreuten außen und innen
Ihre Ohren und ihre Sinnen.[197]
Die Bäume mit ihrer Blüthe,
Die Aue, die licht erglühte,
Die Blumen, das ingrüne Gras,
Und alles, das da blühte, das
Sah ihnen lachend ins Angesicht.
Auch grüßte sie, funkelnd im Morgenlicht,
Der Thau mit seiner Süße:
Er kühlte ihre Füße
Und sänftete ihre Herzen gar.
Als dessen genug geschehen war,
So schwebten sie wieder ins Gestein
Und kamen unter sich überein,
Was sie thäten zu dieser Stunde,
Da sie sorgten von Herzensgrunde
Und fürchteten, wie es auch geschah,
Daß irgend Jemand ihnen nah
Durch diese Hunde käme,
Ihre Heimlichkeit vernähme.
Da fand nun Tristan einen Sinn,
Und wurden sie Beide einig drin:
Sie gingen zu ihrem Bette wieder
Und legten sich da wieder nieder,
Von einander wohl manche Spanne,
Recht so wie Mann bei Manne,
Nicht wie man siehet Mann und Weib.
Da lag einander Leib und Leib
Zuwider, wie man selten pflegt.
Auch hatte Tristan noch gelegt
Sein bloßes Schwert hin zwischen sie.
Hinwärts lag er, herwärts lag sie.
Sie lagen sonder, Eins und Ein:
So schliefen sie zusammen ein.
Der Jäger, von dem ich sprach zur Stund,
Der zum Brunnen kam mit seinem Hund,
Der spürte in dem Thaue,
Da Tristan und seine Fraue
Vor ihm gegangen waren hin.
Hiemit so fiel er auf den Sinn,
Es wäre des Hirschen Wechsel nur:
Er stieg vom Roß und nahm die Spur
Und ging demselben Pfade mit
Recht in der Zweie Schritt und Tritt
Bis hin vor der Fossüre Thür.
Da gingen zween Riegel aber für:
Er konnte da nicht fürbaß kommen.
Nun ihm der Weg da war benommen,
Versuchte er's im Bogen krumm
Und ging um die Grotte rings herum
Und fand von Aventüre
Oben an der Fossüre
Ein verborgenes Fensterlein;
Da lugte er mit Furcht hinein
Und sah zuhand darinne
Das Gesinde der Minne,
Nichts als ein Weib und einen Mann.
Die sah er auch mit Wunder an:
Ihn däuchte von dem Weibe,
Daß nie von Weibes Leibe
Ein Geschöpf so auserkoren
Wurde zur Welt geboren.
Jedoch sah er unlange dar,
Denn alsbald da er ward gewahr
Das Schwert, das da lag also bloß,
Da war sein Schrecken aber groß,
Und machte sich von hinnen;
Ihm däuchte, es sei da drinnen
Etwas von wilden Dingen:
Das begann ihm Furcht zu bringen.
Er kehrte den Felsen wieder nieder
Und ritt hin zu den Hunden wieder.
Nun war auch der König balde
Seinen Jägern im Walde
Auf seiner Fährte zuvor geritten
Und traf ihn auf dem Wege mitten.
»Seht!« sprach der Jäger athemlos:
»Herr König, ich sag Euch Märe groß:
Ich habe zu diesen Stunden
Schön Abenteuer funden.« –
»Sag an, was Aventüre?« –
»Eine Minnenfossüre.« –
»Wo fandest du die oder wie?« –
»Herre, in dieser Wildniß hie.« –
»In dieser wüsten Wilde?« – »Ja.« –
»Ist aber Jemand Lebendes da?« –
»Ja, Herre König, es ist allhier
Eine Göttin und ein Mann bei ihr;
Die liegen auf einem Bette
Und schlafen in die Wette.
Der Mann ist wie ein andrer Mann:
Nur hab ich meinen Zweifel dran,[198]
Ob sein Geschlafe nebenbei,
Ob das ein menschlich Wesen sei.
Die ist schöner denn eine Feine:
Vom Fleische, noch Gebeine
Konnte auf dieser Erden
Nichts also Schönes werden.
Und aber ein Schwert, schön, blank und bar,
Das liegt da zwischen ihnen dar,
Ich weiß nicht, Herre, mit welchem Sinn.«
Der König sprach: »Weise mich hin.«
Der Jägermeister führte ihn fort
Hin durch die Wilde bis an den Ort,
Da er vom Rosse gesprungen war.
Der König sprang auf den Rasen dar
Und schritt empor zur Pforte;
Der Jäger hielt am Orte.
Nun Marke, der kam hin zum Thor,
Das ließ er, wandte sich davor
Nach außen am Steingewende:
Und an des Gesteines Ende,
Da nahm er manche Kehre
All nach des Jägers Lehre.
Da fand er auch ein Fensterlein
Und sandte die Augen auch hinein
Zu Liebe und zu Leide.
Die sah er auch da Beide
Liegend auf dem Krystall empor
Und immer noch schlafend wie zuvor.
Er fand sie, wie sie auch Jener fand,
Wohl von einander abgewandt,
Das dahin, Das dorthin gekehrt,
Und zwischen ihnen das bloße Schwert.
Er erkannte den Neffen und sein Weib:
Sein Herz in ihm und all sein Leib
Die erkalteten, beide,
Vor Liebe und auch vor Leide.
Diese fremde Gelegenheit,
Die war ihm lieb und war ihm leid;
Lieb meine ich ob dem guten Schein,
Als wären sie von Schulden rein,
Leid, daß er sie doch beisammen sah.
In seinem Herzen sprach er da:
»Gnädiger Gott und Herre mein,
Was mag an diesen Dingen sein?
Wenn unter ihnen geschehen ist,
Was ich argwöhnte so lange Frist,
Wie können sie also liegen dann?
Ein Weib soll doch dem lieben Mann
In den Armen zu allen Zeiten
Kleben an seiner Seiten:
Wie liegen diese Gelieben so?«
Und aber sprach er, halb schon froh:
»Ist denn etwas an der Geschicht,
Ist hie Schuld, oder ist sie nicht?« –
Hiemit war aber der Zweifel da:
»Schuld?« sprach er, »meiner Treuen, ja.«
»Schuld?« sprach er, »meiner Treuen, nein.«
Dies trieb er so mit diesen zwein,
Bis aber der pfadlose Mann
Marke zu zweifeln neu begann
An ihrer Beider Minne.
Minne, die Sühnerinne,
Die kam dazu geschlichen,
Schön und wohl aufgestrichen
Mit wundersamem Fleiße;
Da trug sie auf das Weiße
Gemalt in ihren Zügen
Das goldne Wort der Lügen;
Mit ihrer besten Farbe, Nein!
Das leuchtete mit goldnem Schein
Dem König in sein Herze.
Von seinem andern Schmerze,
Dem ungenehmen Worte Ja,
Sah Marke keine Spur mehr da;
Das war mit einmal hingethan,
Da war kein Zweifel mehr, noch Wahn:
Der Minne Uebergolderin,
Die goldne Unschuld, zog ihn hin,
Sie zog ihm Augen und Sinne
Mit lockendem Gewinne
Hin, da der österliche Tag
All seiner Herzensfreuden lag.
Er schauete auf die holde
Seines Herzens Wonne Isolde;
Auch sah er an ihr in voriger Zeit
Nie solche Schöne und Lieblichkeit.
Die Märe spricht von Glühen,
Weiß nicht von welchen Mühen,
Daß sie erhitzet sollte sein:
Ihre Farbe leuchtete und ihr Schein[199]
So süße und so lose
Wie eine gemischte Rose
All in die Höhe zu dem Mann;
Ihr Mund, der glühete und brann,
Wie feurige Kohlen brennen.
Ja, nun kann ich erkennen,
Was diese Mühe gewesen:
Sie war, wie ich gelesen,
Des Morgens in dem Thaue
Geschwebet zu der Aue
Und war davon entbronnen.
So kam auch von der Sonnen
Ein kleiner Strahl gegangen,
Der schien ihr auf die Wangen
Und leuchtete ihr auf Kinn und Mund.
Zwei Wunder hatten sich an der Stund
Zu einem Spiel verbündet,
Sich Licht an Licht entzündet.
Die Sonne und die Sonne,
Die hatten eine Wonne
Und eine Hochzeit angericht
Isolden zu einem Wunderlicht.
Ihr Kinn, ihr Mund, ihre weiße Haut
War so recht wonniglich, so traut,
So lieblich und so anmuthvoll,
Daß Marken Muth und Herze schwoll:
Ihm kam ein Verlangen und ein Gelüst,
Er hätte sie gar zu gern geküßt.
Minne, die warf ihre Flammen an,
Minne entflammete den Mann
Mit der Schöne ihres Leibes:
Die Schöne dieses Weibes,
Die lockte ihm seine Sinne
Zu ihrer Lieb und Minne.
Sein Auge, das stund immer dar,
Er nahm mit ganzem Herzen wahr,
Wie schön aus den Gewanden
Ihr Hals und Busen standen,
Ihre Arme und ihre Hände.
Sie hatten ohne Gebände
Ein Schapel auf, das war von Klee.
Sie däuchte ihren Herren mehr denn je
Lustsam gethan und wonnebar.
Nun er der Sonnen ward gewahr,
Die ihr von oben durch den Stein
Aufs Antlitz fiel mit lichtem Schein,
Da sorgte er von Herzen,
Es möcht ihre Farbe schwärzen,
Nahm Gras, Laub, Blumen, was er fand,
Verstopfte das Fenster mit eigner Hand
Und bot ihr seinen Segen,
Bat ihrer Gott zu pflegen,
Und weinend schied er, dies gethan.
Er kehrte als ein betrübter Mann
Zu seinen Hunden wieder,
Legte sein Jagen nieder
Und hieß zur selben Stunden
Die Jäger mit den Hunden
Wieder zu Hause kehren hin.
Das that er aber mit diesem Sinn,
Daß Niemand anders käme dar,
Der ihrer würde allda gewahr.
Kaum war der König gegangen hin,
Erwachten Die in der Grotte drin.
Nun sie sich begannen umzusehn
Und nach dem Sonnenschein zu spähn,
Da schien die Sonne nicht herein
Durch drei, nur durch zwei Fensterlein.
Nun nahmen sie des dritten wahr,
Und als sie es fanden des Lichtes bar,
Da waren sie verwundert sehr.
Nun warteten sie auch nicht mehr:
Sie hoben sich vom Bett empor
Und gingen vor der Grotte Thor.
Blumen und Kräuter, Laub und Moos,
Und was das Fensterlein verschloß,
Dasselbe fanden sie zuhand.
Auch spürten sie zwei durch den Sand
Ob der Fossüre und davor
Beides hinab und auch empor
Mannes Tritte und Spuren,
So daß sie zusammenfuhren
Und fürchteten sich nicht wenig:
Sie dachten da, der König
Wär irgendwie gekommen dar
Und hätte ihrer genommen wahr.
Das war ihr Wahn zur Stunde;
Aber gewisse Kunde,
Die hatten sie der Sache nicht.
Doch war ihre beste Zuversicht,[200]
Wer sie auch funden hätte,
Daß er sie an der Stätte
So von einander abgewandt
Und in der Weise liegend fand.
Der König berief zuhanden
Am Hof und in den Landen
Seinen Rath und seine Magen,
Zu rathen und Rath zu fragen.
Er sagte und that ihnen kund,
Wie ich euch sagte zu dieser Stund,
Wie er sie hätte gesehen,
Und daß er kein Vergehen
Wollte glauben von den Holden,
Tristanden und Isolden.
Sein Rath, der merkte allzuhand,
Wie es um seinen Willen stand
Und wie seine Rede war gethan:
Daß er gern sie nähme wieder an.
Sie riethen, wie die Weisen thun,
Darnach ihm stand das Herze nun
Und wie er selber wollte,
Daß er besenden sollte
Sein Weib und seinen Neffen,
Seit sie nicht zu betreffen
Auf argen Dingen wären,
Auch er sich böser Mären
Zu ihnen nicht versähe mehr.
Man besandte Kurvenalen her,
Und ward der zu ihnen Beiden
Als Bote hin bescheiden,
Der sie da wußte zu treffen.
Der König entbot dem Neffen
Und auch der Königinne
Seine Huld und seine Minne,
Und daß sie kommen sollten
Und auch hinfort nicht wollten
Sich eines Args zu ihm versehn.
Dies ward gethan, dies war geschehn.
Er sagte ihnen Marke's Muth:
Dies däuchte den Gelieben gut,
Und wurden in ihren Herzen froh.
Die Freude hatten sie aber so
Viel mehr um Gottes Segen
Und ihrer Ehre wegen,
Als was sonst irgend auf Erden ward.
Sie kehrten wieder auf ihre Fahrt
Zu ihren Ehren wie vorher.
Sie wurden aber nimmermehr
In allen ihren Jahren
So heimlich, wie sie waren,
Noch fanden sie ihrem Willen seit
So guten Fug wie vor der Zeit.
Jedoch war Marke Schritt für Schritt
Und Hof und Hofgesinde mit
Auf ihre Ehre stark bedacht.
Sie waren aber auf ihrer Acht
Und wurden nicht frei und offen mehr.
Marke, der Zweifler, hatte sehr
Gebeten und geboten
Tristanden und Isoten,
Daß sie um Gott und seinetwegen
Sollten hinfort des Maßes pflegen
Und die viel süßen Stricke
Der inniglichen Blicke
Vermeiden und entbehren,
Und nicht so heimlich wären,
Noch so vertraulich wie sonst je.
Dies Gebot that den Gelieben weh.
Ausgewählte Ausgaben von
Tristan und Isolde
|
Buchempfehlung
Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.
178 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro