Riwalin und Blancheflur.

[3] Ein Herr war in Parmenienland,

Von Jahren jung, ein Kind genannt,

Derselbe war, wie der Bericht

Von seinen Abenteuern spricht,

Wohl von Geburt der Könige würdig,

An Lande Fürsten ebenbürtig,

Von Leibe hold, den Schönsten gleich,

Getreu und kühn und mild und reich;

Und wem er Freude sollte tragen,

Dem war der Herr in seinen Tagen

Eine Freudespendende Sonne,

Der Welt eine Wonne,

Dem Adel eine Lehre,

Den Magen eine Ehre,

Und seines Landes Zuversicht;

An Tugenden gebrach's ihm nicht,

Die ein Herre haben sollte,

Nur daß er zu ferne wollte

In seines Herzens Lüsten schweben

Und nur nach seinem Willen leben,

Davon ihm auch groß Leid gedieh.

Denn leider, so ist und war es hie:

Aufblühende Jugend und volles Gut,

Die zwei, die führen Uebermuth.

Vertragen, was doch gar mancher Mann

In hochgewaltigem Wesen kann,

Daran gedacht er selten:

Uebles mit Ueblem vergelten,

Kraft erzeigen wider Kraft,

Das war seine Eigenschaft.

Nun geht es auf die Länge nicht,

Wenn Einer mit Kaiser Karls Gewicht,

Was ihm geschieht, vergelten will.

Weiß Gott, der Mann muß mehr als viel

An diesem Handel übersehen,

Oder ihm muß großer Schade geschehen.

Wer keinen Schaden ertragen kann,

Dem wächst noch größrer Schaden an,

Und ist ein unheilvoller Brauch;

So fähet man den Bären auch:

Der rächet jeden einzeln Schaden,

Bis er mit Schaden wird beladen.

Bei Jenem war's ein solches Spiel:

Er rächte sich so oft und viel,

Bis er davon den Schaden nahm.

Daß aber er zu Schaden kam,

Das kam von keiner Bosheit nicht,

Davon doch Manchem Schade geschicht:

Es kam von der Blindheit

Der unmündigen Kindheit,

Daß er in seiner blühenden Jugend

Mit jugendlicher Herrentugend

Wider sein eignes Glücke stritt;

Die spielende Kindheit spielt ihm mit,

Die in seinem Gemüthe

Uebermüthig blühte.

Er that so recht wie alle Kind,

Die meistens ohne Fürsicht sind;

Ihm kamen Sorgen nicht in Sinn,

Er lebt und lebt und lebt so hin,

Seit seines Lebens Licht anfing,

Das wie der Tagesstern aufging

Und in die Welt helllachend sah;

Da wähnte er, was doch nie geschah,

Daß er immer also sollte leben

Und in der lebenden Süße schweben.

Nein, seines Daseins Anbeginn,

Der ging mit kurzem Dasein hin;

Die morgenliche Sonne,

Seines Lebens Wonne,

Kaum ließ sie spielen ihren Schein,

So fiel sein jäher Abend ein,

Der ihm zuvor verborgen,

Und löschte seinen Morgen.

Wie aber er geheißen war,

Das thut uns diese Märe dar:

Die Aventüre nennet ihn

Beim rechten Namen Riwalin

Auch sonst Kanelengres vom Land.

Von Vielen zwar wird er genannt

König im Land zu Lohnoys,

Dagegen Thomas uns bewies,

Der's in den Aventüren las,

Daß er vom Land Parmenien was[4]

Und hatte ein besondres Land

Von eines brittischen Herren Hand,

Und sollte dem sein unterthan;

Derselbe hieß li Duc Morgan.

Nun war der Herre Riwalin

Mit großen Ehren wohl gediehn:

Er trug die Sporn ins dritte Jahr

Und hatte sich erworben klar

Die ganze Kunst der Ritterschaft,

Zu Streit und Orlog volle Kraft;

Er hatte Land und Leut und Gut;

Ob es nun Noth, ob's Uebermuth

Erschaffen haben, weiß ich nicht:

Wie seine Aventüre spricht,

So griff er als einen schuldigen Mann

Morganen, seinen Lehnsherrn, an.

Er kam geritten in sein Land

Mit so gewaltiglicher Hand,

Daß er ihm die Macht verkürzte

Und viele Burgen stürzte.

Die Städte mußten sich ergeben,

Mußten lösen ihr Gut und Leben,

So lieb, so leid es ihnen was,

Bis daß er auf die Letzt besaß

An Gut und Gülten große Kraft,

Damit er seine Ritterschaft

So sehr verstärkt und mehrte,

Daß, wo er hin sich kehrte,

Es wären Burgen oder Städte

Er viel nach seinem Willen thäte.

Auch nahm er oftmals Schaden dran

Und zahlte mit manchem guten Mann;

Denn Morgan war auf seiner Wehr,

Bestund ihn oft mit seinem Heer

Und brach ihm ab von seiner Kraft.

Denn zu Orlog und zu Ritterschaft

Gehört Verlust so wie Gewinn;

Darüber geht der Orlog hin:

Verlieren und gewinnen,

Das muß den Krieg verspinnen.

Dasselbe that ihm Morgan wieder:

Er warf ihm Städt und Burgen nieder

Und brach ihm, weil sich das begab,

An Land und Leuten vieles ab

Und wollt ihn ganz verderben,

Doch konnt er nichts erwerben;

Denn immer aus dem Feld schlug ihn

Mit großem Schaden Riwalin,

Und trieb das also lang und viel,

Bis er ihn brachte ans letzte Ziel,

Daß er auf keinen Sieg mehr baute,

Sich nicht mehr zu erhalten traute,

Als nur in seinen Vesten,

Den stärksten und den besten.

Die belagerte Riwalin

Und gab ihm aus voller Hand darin

Zu bataljen und zu streiten,

Und trieb ihn zu allen Zeiten

Stracks zurück bis in das Thor,

Auch hatte er oftermals darvor

Turnier und glänzende Ritterschaft.

So lag er ihm ob mit seiner Kraft

Und hauste in seinem Lande

Mit Raub und Mord und Brande,

Bis daß der Herzog Frieden bot

Und es erwarb mit aller Noth,

Daß ihm gestattet ward, zu tagen,

Ein Jahr die Fehde zu vertragen:

Der Friede ward von Beiden

Mit Burgen und mit Eiden

Gefestet, wie es billig schien.

Und also kehrte Riwalin

Heim mit den Seinen, reich und froh;

Aus milder Hand lohnt' er sie so,

Daß er sie alle machte reich;

Dann ließ er sie aus seinem Reich

In Freuden und mit Ehren

Wieder zur Heimath kehren.

Nun es Kanelen so gelang,

So dauert es darnach nicht lang,

Bis daß er aber zu einer Fahrt

Ergötzens halber schlüssig ward

Und aber aus dem Lande ritt

Und nahm gar großen Reichthum mit,

So wie der Ehrbegierige thut.

All das Geräthe und all das Gut,

Das er gebrauchen wollte

Und ein Jahr lang haben sollte,

Das ward ihm in ein Schiff getragen.

Er hatte vieles hören sagen,

Wie voller Sitte und Ehre

Der junge König wäre[5]

Von Kornewall Herr Marke,

Der an Ehren starke,

Der Kornewall und Engelland

Beide hatte in seiner Hand.

Durch Erbschaft war er Kornwalls froh,

Um England aber stand es so:

Das erhielt er jenesmales,

Da die Sachsen von Gales

Die Britten all vertrieben

Und Herren vom Lande blieben.

Von denen auch sein Name ist;

Britannien hieß es vor jener Frist,

Erobert aber, ward es genannt

Nach denen von Gales Engelland.

Nun die das Land besaßen

Und unter sich vermaßen,

Da wollten sie alle Königlein

Und Herren für sich selber sein,

Was ihnen allen schlimm gedieh;

Denn alsobald begannen sie

Zu kämpfen und sich zu morden stark

Und befahlen endlich dem König Mark

Sich und das Land zur Pflege.

Seit war es ihm allewege

So hold und unterthänig,

Daß niemals einem König

Ein Königreich gehorchte baß.

Auch sagt uns die Historie, daß

In allen Nebenlanden,

Die unter Marke standen,

Kein König werther war als er.

Dahin war Riwalins Begehr:

Ihm wollt er sich ergeben,

Ein Jahr mit ihm verleben,

In Züchten üben seine Jugend

Und lernen neue Rittertugend,

Daß seine Sitte würde fein.

Sein edles Herz gab ihm das ein,

Daß, wenn er fremder Sitten achte,

Er seine eignen besser machte

Und würde selbst erkannt daran.

In solcher Weise hub er an:

Er befahl so Leut als Land und Gut

In seines Mareschallen Hut,

Der hieß Rual li Foitenant;

Er hatte seine Treu erkannt.

Alsbald fuhr Riwalin zu Meer

Mit zwölf Gesellen und nicht mehr;

Ihm war genug an dem Geleit.

Nun sich also verlief die Zeit,

Daß er zum Lande Kornwall kam

Und auf dem Meere allda vernahm,

Daß Marke der werthe

Zu Tintayol verkehrte,

Beschloß er bald dahinzuziehn.

Er stieg ans Land; da fand er ihn

Und freute sich deß von Herzen sehr.

Sich und die Seinen kleidet er

Reich und wie ihm geziemte wohl.

Nun, daß er kam gen Tintayol,

Empfing ihn Mark, an Tugend reich,

Gar tugendlich und fürstengleich,

Und Alle wollten ihm dienen;

Man bot da Riwalinen

Ehr und Empfang im Saale,

Daß er zu keinem Male

Zuvor und auch an keinem Ort

So hold empfangen ward, wie dort.

Da spielten seine Gedanken froh,

Und Hofessitte gefiel ihm so,

Daß er im Stillen sprach zu sich:

»Bei meiner Treu, Gott selbst hat mich

Zu diesem Landgesinde bracht!

Mein Glücke hat mich wohl bedacht:

Was ich von Tugend und von Zier

An Mark vernommen, ist alles hier.

Sein Leben ist höfisch und wohlgethan.«

Nun sagt er ihm sein Begehren an,

Warum er kommen wäre.

Als Marke seine Märe

Und seinen ganzen Sinn vernommen,

Da sprach er: »Gott und mir willkommen!

Leib, Gut und was ich nenne mein,

Das soll zu Eurem Gebote sein.«

So ging es Riwalinen wohl

Am Hof; der Hof war seiner voll:

Er war bei Allen hochgeehrt,

Bei Arm und Reichen lieb und werth,

Wie nie zuvor ein Gast bei ihnen.

Auch mocht er dessen wohl verdienen,

Der tugendhafte junge Held:

Er war und konnte aller Welt[6]

Mit seinem Leib und Gute,

Mit seinem geselligen Muthe

Getreu sein und zum Dienst bereit.

So lebt' er in der Würdigkeit

Und in der rechten Güte,

Die er in sein Gemüthe

Mit täglich neuer Tugend nahm,

Bis König Marke's Hochzeit kam,

Wozu er alles laden

Vom Land und den Gestaden

So mit Gebot als Bitte hieß.

Wenn er den Seinen bieten ließ,

So kam die Ritterschaft zu Hand

Vom Königreich zu Engelland

Und fuhr je einmal in dem Jahr

Gen Kornwall, eine große Schaar.

Dieselben brachten auf ihrem Ritt

Gar viel der süßen Frauen mit

Und manche andre Herrlichkeit.

Nun war das schöne Fest bereit,

Angesetzt und besprochen,

Die blühenden vier Wochen,

Wo der viel süße Mai einzieht,

Bis daß er wieder von hinnen flieht,

Bei Tintayol auf grünem Plan,

Daß sich die Festgenossen sahn

Auf einer wonnevollen Au,

Wie sie kein Aug im Lenzesblau

Zuvor gesehen oder seit.

Die süße sanfte Maienzeit

Hatte an sie mit süßer Hand

Ihre süße Unmüßigkeit gewandt.

Da waren kleine Waldvögelein,

Die der Ohren Freude sollen sein,

Blumen und Blüthen, Gras und Kraut,

Und was das Auge gerne schaut,

Was edle Herzen erfreuen soll,

Deß war die Sommeraue voll.

Man fand da, was man wollte,

Was der Maie bringen sollte,

Den Schatten zu der Sonnen,

Die Linden bei dem Bronnen,

Die sanften linden Winde,

Die Marke's Hofgesinde

Höfisches Kosen brachten.

Die lichten Blumen lachten

Aus dem bethauten Grase.

Des Maien Freund, der grüne Rase,

Hatte aus Blumen sich gemacht

So wonnigliche Sommertracht,

Daß sie die lieben Gäste

Empfing mit eignem Feste.

Der Bäume Blust sah Jedermann,

Der süße, so süßlachend an,

Daß Herz und Muth, befangen ganz,

Sich an den lachenden Blüthenglanz

Mit spielenden Augen machte

Und ihm entgegen lachte.

Das holde Vogelgetöne,

Das selige, das schöne,

Dem Herzen und dem Sinne

Zu seligem Gewinne,

Erfüllte mit Freuden Berg und Thal.

Die wonnevolle Nachtigall,

Das liebe süße Vögelein,

Das immer soll gesegnet sein,

Da sang aus blühenden Zweigen

Mit solchem Lufterzeigen,

Daß manches Herz, manch edles Blut

Freude gewann und hohen Muth.

Da hatte die Gesellschaft sich

In hohen Freuden wonniglich

Gelagert auf das grüne Gras,

Wie eines Jeden Wille was,

Wie eines Jeglichen Begehr

Auf Freuden stund, darnach lag er:

Die Reichen waren gelagert reich,

Die Höfischen höfisch, Diese weich

Auf Polstern, unterm Seidenzelt,

Die unter Blumen im grünen Feld.

Die Linde gab ein gnüglich Dach,

Und Viele barg ihr Zeltgemach

Mit blättergrünen Aesten.

Von Hofgesind und Gästen

Hat keiner noch geherbergt nie

So wonniglich als bei Marke hie.

Auch war da Vorrath aller Art,

Was ziemt bei Festen, nicht gespart

Von den Speisen und edlen Gewanden

War alles da vorhanden,

Und Jeglicher nach Wunsch versehn;

Auch durfte Keiner leer ausgehn,[7]

Denn König Mark nahm ihrer wahr

So reichlich, daß sie immerdar

Lebten reich und waren froh.

Nun erhob das schöne Fest sich so,

Und was der gerne sehende Mann

Zu sehen guten Muth gewann,

Das ließ die Hochzeit wohl geschehn;

Man sah hier, was man wollte sehn:

Diese kamen, zu sehn die Frauen,

Andre, um den Tanz zu schauen;

Der sah den Buhurt in voller Schaar,

Der sah tjostiren ein Ritterpaar.

Wozu nur Einen sein Wille trug,

Das fand er alles da genug;

Denn Alle, die da waren

In freudehaften Jahren,

Beflissen sich in die Wette,

Wer Freude brächt und hätte;

Und Marke dem guten,

Dem höfisch hochgemuthen,

Ohn andrer Frauen Lieblichkeit,

Die er an seinen Kranz gereiht,

War vor den Schönsten allen

Ein Wunder zugefallen,

Das war seine Schwester Blancheflur,

Ein Fräulein, daß auf keiner Flur

So schöne Rose war geboren.

Von ihrer Schönheit ward geschworen,

Sie sehe kein lebendiger Mann

Mit inniglichen Augen an,

Der nicht davon noch größre Minne

Zu Weib und Tugenden gewinne.

Die selige Augenweide,

Die machte auf der Haide

Munter und keck manch junges Blut,

Manch edles Herze hochgemuth.

Dazu war auf der Aue

Manch andre schöne Fraue,

Die waren alle werth zu minnen,

Der Schönheit reiche Königinnen,

Und ließen alles auf dem Plan

Freude und hohen Muth empfahn

Und machten fröhlich Herz und Sinn.

Darüber ging's zum Buhurt hin:

Die Werthesten und Besten

Von Hofgesind und Gästen,

Die ritten hier und dort zur Schaar;

Auch kam der werthe Marke dar

Und sein Geselle Riwalin

Nebst andrem Hofgesind um ihn,

Die wollten sich auch befleißen,

Sich also zu erweisen,

Daß es würdig der Märe

Und wohl zu loben wäre.

Auch waren Rosse zur Stelle,

Bedeckt mit Zendel und Pfelle,

Die Decken gemacht mit großem Fleiß,

Manche Schabrake schneeig weiß,

Viele von rothen, andre von blauen,

Gelb, braun, grünen Farben zu schauen,

Diese von edler Seide gemacht,

Jene geschlitzt mit mancherlei Pracht,

Bunt gewirkt und parriret,

So und so gefeitiret.

Die Ritterschaft kam auf den Plan,

Mit reichen Kleidern angethan,

Die waren geschlitzt mit großer Zier.

Auch ließ der Sommer schauen hier,

Daß er auf Marke's Seite sei:

Der wonnigen Kränzlein mancherlei

Von Blumen sah man bei der Schaar:

Die brachte er ihm zur Steuer dar.

In diesem herrlichen Lenzesdampf

Erhob sich herrlicher Ritterkampf:

Die waren an einander sehr

Und drängten sich allstets hin und her

Und trieben das so lange fort,

Bis sich der Buhurt zog zum Ort,

Wo Blancheflur im Freien,

Die Wunder-Ros' im Maien,

Dazu manch andre schöne Frau

Im Kreise saßen auf der Schau;

Denn diese ritten so ehrenreich,

So ritterlich, so kaisergleich,

Daß es mit Lust manch Auge sah.

Das Beste, was jedoch geschah,

Das that der höfische Riwalin,

Der auch fürwahr erlesen schien,

Daß er an dem Ort und Tage

Den Kranz vor Allen trage.

Auch nahmen sein die Frauen wahr

Und sagten, daß in der ganzen Schaar[8]

Niemand nach Rittersitte

So leicht und trefflich ritte,

Und lobten alle seine Zier.

»Seht,« sprachen sie, »der Jüngling hier,

Der ist ein wonnevoller Mann:

Wie wonnig steht ihm alles an,

Wie er sich trägt, wie er sich hält!

Wie ist sein Leib nach Wunsch bestellt!

Wie reimen so vollkommen sich

Die edlen Beine königlich!

Wie fest sein Schild zu aller Zeit

An seiner Stelle liegt im Streit!

Der Schaft, wie edel in seiner Hand!

Wie wohl steht ihm all sein Gewand!

Sein Haupt, sein Haar, wie wonnereich!

All seine Gebärden, wie engelgleich!

Wie minniglich sein ganzer Leib!

O immer wohl dem seligen Weib,

Das Freude an ihm erleben soll!« –

Nun merkte ihr Aller Sinn gar wohl

Blancheflur die gute,

Der er in ihrem Muthe

So gut als ihnen Allen,

Der werthe Mann, gefallen.

Sie hatte ihn in ihr Aug genommen,

Er war ihr in ihr Herze kommen;

Das blieb als Königreich fortan

Dem Gewaltigen unterthan;

Er saß mit Scepter und Krone

Auf ihres Herzens Throne,

Nur daß sie es so stille trieb,

Daß es geheim vor Allen blieb.

Als nun vorbei der Buhurt war,

Auseinander ging die Ritterschaar

Und Jeglicher sich wandte,

Wohin sein Herz ihn sandte,

Da kam es, daß von ungefähr

Das Roß trug Riwalinen her,

Wo Blancheflur die schöne saß.

Gleich sprengt er näher durch das Gras,

Und als er ihr in die Augen sah,

Den Gottesgruß entbot er da:

»A, Deus vus sal la bele.« –

»Merzi,« dit la Puzele.

»Dank!« sprach sie und fuhr schamhaft fort:

»Der reiche Gott im Himmel dort,

Der alle Herzen macht froh und reich,

Der reiche Euch Herz und Muth zugleich!

Gar tiefen Dank für den Willkommen,

Und aber des Rechtes unbenommen,

Das ich an Euch zu fordern han.« –

»Ach, Süße, was han ich gethan?«

Sprach Riwalin dagegen fein. –

Sie sprach: »An einem Freunde mein,

Dem besten, den ich je gewann,

Habt Ihr mir Leides angethan.« –

Ja, Herre, dachte er bei sich,

Was Märe ist dies? und was han ich

Gethan wider ihre Hulden?

Was gibt sie mir zu Schulden?

Er wähnte, ob er irgendwen

Der Ihren, Diesen oder Den,

Unwissend an der Ritterschaft

Geschädigt durch des Armes Kraft,

Davon ihr Herz voll Schwere

Und ihm entrüstet wäre.

O nein, der Freund, nach dem sie frug,

Das war ihr Herz, in dem sie trug

Von seinen Schulden Ungemach;

Das war der Freund, von dem sie sprach;

Doch nicht verstand der Ritter sie,

Und mit gewohnter Courtoisie

Sprach er gar minniglich zu ihr:

»Schöne, ich will nicht, daß Ihr mir

Haß oder argen Willen traget;

Drum, ist es wahr, was Ihr mir saget,

So richtet selber über mich:

Was Ihr gebietet, das thu ich.« –

Die Süße sprach: »Ob dieser Mär

Hasse ich Euch nicht allzu sehr;

Auch will ich Euch drum nicht Minne geloben.

Ich will Euch aber baß erproben,

Was ich für Buße soll empfahn

Für das, was Ihr mir habt gethan.«

Da neigt er sich und wollte gehn;

Die Schöne, wie sie das gesehn,

Seufzt ihn gar heimlich an und sprach

Aus inniglichem Herzen: »Ach,

Herzlieber Freund, Gott segne dich.« –

Da erst begann es wissentlich

Zu werden in der Beiden Sinn.

Der junge Ritter ging dahin,[9]

Der sich Gedanken machte

Und viel im Herzen dachte,

Was Blancheflurens Schwere

Und diese Märe wäre.

Den Gruß und alles, was sie sprach,

Den Segen und das viel süße Ach,

All ihre Gebärden sah er an,

Bis er so nach und nach begann

Den Seufzer und den holden Segen

Wohl auf der Minne Weg zu legen.

Fürwahr, ihm kam die Zuversicht,

Die zwei, die seien anders nicht

Erzeugt, als nur durch Minne.

Das entzündt auch seine Sinne,

Daß sie hinwieder fuhren

Und nahmen Blanchefluren

Und führten die alsbald mit zu Hand

In Riwalinens Herzensland

Und kröneten sie ihm darin

Mit Kron und Scepter zur Königin.

Ja, Blancheflur und Riwalin,

Der König, die süße Königin,

Die theilten unter sich wohl gleich

Der Herzen zwiefach Königreich:

Das ihre ließ sie Riwalinen,

Dagegen mußt ihr das seine dienen,

Und wußte doch ihrer Keines nicht

Von des Andern Dienst und Lehenspflicht.

So hatte sich das sehnende Paar

Einmüthiglich und recht fürwahr

Mit Herz und Sinn in Eins verbunden:

Da hat wohl Recht sein Recht gefunden.

Sie lag ihm auch im Herzen

Und mit denselben Schmerzen,

Die sie um seinetwillen trug.

Nun aber er noch nicht genug

Von ihrem Sinne war belehrt,

Nicht wußte, wovon sie war beschwert,

Von Haß oder aber Minne,

Das machte seine Sinne

Noch stets in Zweifel schwanken:

Er schwankte mit Gedanken

Bald auf, bald ab, bald hin, bald her.

Jetzt wollt er von dannen, in Sorgen schwer,

Und auf einmal wollte er wieder dar,

Bis daß er gar verfangen war

In seiner Gedanken Schlingen

Und konnte nimmer entspringen.

Der herzenskranke Riwalin

Erwies wohl an sich selbst hierin,

Daß der sehnende Liebesmuth

Recht wie der freie Vogel thut,

Der in der Freiheit sich ergötzt,

Auf den geleimten Zweig sich setzt:

Wird er des Leimes innen,

So will er wieder von hinnen,

Da klebt er mit den Füßen schon,

Nun regt er die Federn und will davon;

Doch wo er nur berührt das Reis,

Wenn noch so fern, wenn noch so leis,

Da ist er gebunden, ist in Haft;

So schlägt er denn mit aller Kraft

Her und hin, und hin und her,

Bis er mit seiner Gegenwehr

Sich gar am Ende selbst besiegt

Und festgeleimt am Zweige liegt.

Recht in derselben Weise thut

Der unbezwungene Jugendmuth

In sehnender Gedanken Haft,

Wenn Liebe an ihm ihr Wunder schafft

Mit minniglichem Schmerze

Da will das gefangene Herze

Zu seiner Freiheit wieder,

Doch zieht's die Süße nieder

Der verstrickenden Minne.

Da verwirrt es sich darinne

So mächtig, daß es sich aus dem Bann

Sich so, noch so befreien kann.

Und also ließ sich Riwalin

Von seinen Gedanken hinüberziehn

Und verwirren in der Minne

Zu seiner Königinne.

Ihn hatte die Verworrenheit

In wunderlichem Trug entzweit:

Er wußte nicht, ob ihm ihr Muth

Gesinnt war übel oder gut,

Noch immer war es ihm nicht klar,

Ob Haß ihr Sinn, ob Liebe war.

Er konnte nicht Trost noch Zweifel sehen,

Das ließ ihn nicht bleiben, ließ ihn nicht gehen.

Trost und Zweifel führten ihn

Ohne Ende her und hin:[10]

Trost sagt ihm Minne, Zweifel Haß,

Und dieser Streit macht ihn so laß,

Daß er mit gänzlichem Vertrauen

Auf ihrer keines wollte bauen,

Auf Haß, noch auch auf Minne.

So gingen seine Sinne

In dunkler Schwebe hin und wieder:

Trost zog ihn auf, und Zweifel nieder.

Er fand nichts Stetes an den zwei Dingen,

Sie wollten nicht zusammen klingen:

So Zweifel kam und that ihm kund,

Ihn hasse Blancheflur, zur Stund

Wankt er zurück und wollte fliehn.

Alsbald kam Trost und trug für ihn

Ihr Herz und einen lieben Wahn:

Da war es um die Flucht gethan.

Er wußte nicht, nach welchen Enden,

Nicht hier, nicht dahin sich zu wenden.

Je mehr er rang, davonzueilen,

Je mehr ihn Minne zwang, zu weilen;

Je stärker er von hinnen flog,

Je fester ihn Minne rückwärts zog.

So spielte sie mit ihm viel und lang,

Bis doch der Trost den Sieg errang:

Bis er den Zweifel gar vertrieb

Und Riwalin versichert blieb

Von Blancheflurens Minne:

Da waren Herz und Sinne

Einmüthiglich auf sie gewandt,

Und galt hinfort kein Widerstand.

Nun, daß die Minne mit süßem Schmerz

Seine Sinne, sein junges Herz

Zu ihrem Willen ganz gewandt,

Das war ihm doch noch unbekannt,

Welch wehevolle Märe

Herzliche Liebe wäre.

Da er nun ganz von Anbeginn,

Wie es mit seiner Königin

Ergangen war, betrachtete

Und wohl auf alles achtete,

Mund, Wange, Kinn und Stirn und Haar

Und Schläfe sich wieder stellte dar,

Den freudereichen Ostertag,

Der lachend in ihren Augen lag,

Da nahm ihn wahre Minne hin,

Die echte Feuerzünderin,

Die stieß ihr Sehnefeuer an,

Das Feuer, davon sein Herz entbrann,

Das seinem Leben zur selben Stund

Offenbarlich machte kund,

Was herzdrückende Schwere

Und sehnende Sorge wäre:

Denn er trat in ein ander Leben,

Ein neues Leben ward ihm gegeben.

Er wandelte, da ihm's geoffenbart,

Seine Sinnen und seine Art

Und war von Grund ein andrer Mann;

Denn alles, was er jetzt begann,

Da war ein wunderliches Wesen

Und Blindheit viel darin zu lesen.

Die angebornen Sinne,

Die waren von der Minne

So wild und unstet, so verkehrt,

Wie es sein Uebermuth begehrt.

An seinem Leben fraß das Leid:

Von rechter Herzensfröhlichkeit,

Der er sich sonst doch gern ergeben,

Zog er sich ab mit Widerstreben.

Schweigen, traurig und einsam sein,

War seines Lebens Brod und Wein,

Seit sein ganzes Gemüthe

In sehnenden Nöthen glühte.

So auch entging der sehnlichen Pflicht

Die sehnende weiße Rose nicht;

Die war auch mit demselben Schaden

Durch ihn, wie er durch sie, beladen.

Die Gewalthaberin Minne

War auch in ihre Spinne

Gar unversehn mit Sturm gekommen

Und hatte ihr mit Gewalt genommen

Den besten Theil von ihrer Ruh.

Sie war wie umgetauscht im Nu,

War weder sich selber noch der Welt

Nach ihrer alten Art gesellt:

Was ihr von Freuden wohl eh gefiel,

Was sie erkor zu Schimpf und Spiel,

Das war ihr alles ungenehm.

Ihr Leben fügte sich nur nach dem,

Wie ihr die Noth zuwog den Tag,

Die schwer auf ihrem Herzen lag;

Und alles, was sie leiden mußte,

Das litt sie, ohne daß sie wußte,[11]

Woher dieß sehnliche Wehe kam,

Von dem sie nie zuvor vernahm,

Was sogethane Schwere

Und Herzenssorge wäre;

Und sprach gar oft und viel bei sich:

»O weh, Gott Herre, wie lebe ich!

Wie und was ist mir denn geschehen?

Ich habe doch manchen Mann gesehen,

Von dem mir nie kein Leid geschah;

Und seit ich diesen Mann ersah,

Seit ward mein Herz doch nimmermehr

So frei noch fröhlich wie vorher.

Dies Sehen, das mir hier geschehn,

Wär's lieber blieben ungesehn!

Es hat mir schweres Leid gesandt.

Mein Herz, das keine Noth gekannt,

Das ist davon versehret;

Es hat mich ganz verkehret

Dies Sehen an Muth und Leibe.

Sollte jeglichem Weibe,

Wenn sie ihn höret oder sieht,

Geschehen, so wie mir geschieht,

Und ist ihm solches angeboren,

So geht durch ihn viel Huld verloren

Und lebt er nutzlos als ein Mann.

Wofern er aber zaubern kann

Und hat durch seine Wissenschaft

Dies fremde Wunder mir geschafft

Und diese wunderliche Noth,

So wär er ja viel besser todt,

Und sollt ein Weib ihn nimmer sehn.

Um Gott, wie ist mir von ihm geschehn

So bitter Leid und Wehe!

Ich sah doch wahrlich ehe

Noch ihn, noch irgend einen Mann

Niemals mit feindlichen Augen an

Und hab auch Niemand je gehaßt:

Womit verschuld ich nun die Last,

Daß mir von Jemand Leid geschehe,

Auf den ich mit Freundes Augen sehe?

Was schelte ich aber den guten Mann?

Er ist wohl gar unschuldig dran:

Was ich von ihm und seinetwegen

Mag Herzenssorgen nehmen und hegen,

Das ist, Gott weiß, zu allermeist

Was mich mein eignes Herze heißt.

Ich sah bei ihm noch manchen Mann:

Was kann er dafür, daß er's gewann,

Daß vor den Andern allen

Mein Sinn auf ihn gefallen?

Da ich so manches edle Weib

Von seinem kaiserlichen Leib

Und seinem ritterlichen Preis

Lobreden hörte, laut und leis,

Als wie ein Ball wird umgeschlagen,

Und alles von seinem Ruhme sagen,

Auch jede Tugend, die man pries,

Mein eignes Auge mich sehen ließ,

Und als ich so ins Herze faßte,

Was an ihm war von Glanz und Glaste,

Damit verlor ich Sinn und Ruh,

Und hiemit fiel mein Herz ihm zu.

Fürwahr, das hat mich blind gemacht,

Das war der Zauber, durch dessen Macht

Ich mein so gar vergaß im Wahn.

Er hat mir Leides nichts gethan,

Der liebe Mann, von dem ich klage,

Den ich mit Klagen im Munde trage.

Mein kindisch meisterloser Muth,

Der ist es, der mir Leides thut,

Der ist's, der meinen Schaden will:

Er will, und will doch allzu viel,

Was er nicht wollen sollte,

Wenn er bedenken wollte,

Was Fug und Ehre schreiben vor.

Nun aber sieht der blinde Thor

Nur seinen eignen Willen an

In diesem wonnevollen Mann,

Auf den er in so kurzer Frist

So ganz und gar gefallen ist.

Und so mir Gott, ich wähne wohl,

Wenn ich's mit Ehren wähnen soll,

Und soll mich nicht der Rede grämen

Und meines magdlichen Namens schämen,

So dünkt mich, daß die Herzensklage,

Die ich durch ihn im Herzen trage,

Nichts andres sei als Minne.

Dieß werd ich daran inne,

Daß ich so gerne bei ihm wär;

Und wie es auch steh um diese Mär,

Es erwächst mir etwas Neues hier,

Das spricht von Minne und Mann zu mir.[12]

Denn was ich all mein Lebenlang

Von Frauen, welche Minne zwang,

Und von der Liebe je vernommen,

Das ist mir an mein Herze kommen:

Der süße Herzensschmerze,

Der manches edle Herze

Peinigt mit süßen Schmerzen,

Der liegt in meinem Herzen.«

Nun, daß die Höfische, Gute

Mit ganzem Sinn und Muthe

In ihrem Herzen versichert war,

So wie die Minnenden alle zwar,

Daß ihr Geselle Riwalin

Zur Herzenslust ihr sei verliehn,

Daß er ihr Trost sei und ihr Leben,

Begann sie die Augen auf ihn zu heben,

Sah auf ihn, wo sie ihn konnte sehn,

Und wo es die Sitte ließ geschehn,

Ersah sie, wie sie ihn grüße

Mit Blicken gar still und süße.

Mit sehnlichen Augenstrahlen

Sah sie ihn oftermalen

Gar minniglich und gar lange an.

Da aber das der minnende Mann,

Ihr Freund, begunte zu merken,

Da begunte ihn erst zu stärken

Minne und Trost, der ihm sprach von ihr;

Da erst entbrann seine Herzensgier,

Nun sah er sie, die ihm's angethan,

Kühnlicher stets und süßer an,

Wie er sie niemals angesehn;

Und ließ es Zeit und Ort geschehn,

So grüßte auch er mit Augen dar.

Als aber die Schöne ward gewahr,

Daß er sie meinte, wie sie ihn,

Da war ihr ganzer Kummer hin:

Sie hatte immer gewähnt, daß er

Gegen sie habe kein Begehr;

Nun aber erkannte sie, daß sein Muth

So innig stand zu ihr, so gut,

Wie Lieb zum Liebe stehen soll.

An ihr erkannt er das Gleiche wohl,

Und das entzündet ihr Beider Begehr,

Davon begunten sie hin und her

Zu meinen sich und zu minnen

Mit herzinnigen Sinnen.

Da ging es ihnen recht, wie man spricht:

Wenn Lieb in Liebes Auge sicht,

Das ist dem Minnefeuer

Eine wachsende Steuer.

Nun Markes Fest zu Ende kam,

Der Adel seinen Abschied nahm,

Da hörte Mark die Märe,

Wie daß ein König wäre,

Sein Feind, geritten in sein Land

Mit so gewaltiglicher Hand,

Daß, wo er ihn nicht dämpfe zur Stund,

So richte der ihm das Reich zu Grund,

So weit er's überreite.

Da ging's aufs Schierste zum Streite,

Und Mark besandte ein großes Heer

Und trat ihn an mit starker Wehr

Und kämpfte, bis er den Sieg gewann,

Und schlug und fing so manchen Mann,

Daß, wer entkam ungeschlagen,

Der konnte von Wunder sagen.

Da fiel der edle Riwalin

Von einem Speer getroffen hin;

Er war durchstochen und so wund,

Daß ihn die Seinen zur selben Stund

Mit großem Jammer, bittrer Noth

Wegführten aus dem Kampf halbtodt,

Gen Tintayol ihn brachten wieder

Und legten ihn da todtwund nieder.

Alsbald erscholl die Märe,

Kanelengres, der wäre

Verwundet und im Streit erschlagen:

Das gab ein jammervolles Klagen

Am Hof und in dem ganzen Land.

Wem seine Tugend war bekannt,

Dem war sein Tod von Herzen leid.

Sie klagten, daß solche Trefflichkeit,

So schöner Leib, so süße Jugend,

So vielgelobte Herrentugend

So schnelle sollt an ihm vergehn

Und ein so frühes Ende sehn.

Sein Freund, der werthe König Mark,

Beklagte seinen Tod so stark,

Daß er noch nie um keinen Mann

So schmerzensvolle Klage begann.

Ihn beweinte manches edle Weib,

Viel Frauen klagten um seinen Leib;[13]

Und wer ihn je zuvor gesehn,

Den erbarmete, was ihm geschehn.

Doch wem dies Leid am nächsten ging,

Als man die Schreckenskunde empfing,

Das war vor allen Eine,

War Blancheflur, die Reine,

Die Höfische, die Gute,

Die in getreuem Muthe

Mit Augen und mit Herzen

Ihres Herzliebsten Schmerzen

Beklagte dar und immerdar;

Und wo sie nur alleine war

Und ihrem Jammer Zeit gewann,

Da griff sie sich mit Händen an,

Da führte sie wohl manchen Schlag

Dahin, dahin, wo ihr Wehe lag,

Da, wo das Herz entgegenschlug,

Da schlug die Schöne sich wohl genug.

So quälte das viel süße Weib

Den jungen schönen süßen Leib

Mit also klagevoller Noth,

Daß sie jedweden andern Tod,

Der nicht von Minne wäre kommen,

Für ihr Leben hätte genommen.

Sie wäre gar verdorben

Und in dem Leid erstorben,

Nur daß ein Trost sie leben hieß,

Eine Hoffnung sie nicht sinken ließ:

Sie wollte durchaus den Wunden sehn,

Auf welche Art es möchte geschehn,

Und wenn sie ihn nur sähe,

Was ihr hernach geschähe,

Das wollte sie leiden williglich.

Mit diesem Trost erhielt sie sich,

Bis daß sie wieder zu Sinnen kam

Und in Gedanken unternahm,

Ihrem Leide zum Frommen,

Wie sie möchte zum Liebsten kommen.

Da kam ihr etwas in den Sinn:

Sie hatte eine Meisterin,

Die sie alle Zeit und alle Wege

Behielt in ihrer Lehr und Pflege

Und ließ sie kaum aus den Augen fort;

Die nahm sie heimlich an einen Ort,

Wo Niemand war als nur sie Beide,

Da hub sie an von ihrem Leide,

Wie sie immer thaten und noch thun,

Aus welchen solche Schmerzen ruhn.

Ihre Augen überwallten,

Sie konnte die Thränen nicht halten,

Die fielen heiß und bange

Ueber die lichte Wange;

Sie hatte die Hände verschlungen

Und hielt sie flehend gerungen.

»Mein Herz und mein Leben!« rief sie und sprach:

»Ach,« sprach sie, »mein Herz und mein Leben, ach!

Ach, du herzliebe Meisterin,

Nun zeige mir deinen treuen Sinn,

Der groß und herrlich in dir ist:

Und nun du so auserlesen bist,

Daß all mein Rath, mein einzig Gut

Einzig auf deinem Rathe ruht,

So klage ich dir mein Herzeleid

Auf alle deine Seligkeit:

Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« –

»Nun, Fraue, was ist Eure Noth

Und Euer jämmerliches Klagen?« –

»Ei, Traute, und darf ich dir's denn sagen?« –

»Ja, liebe Fraue, sprechet an.« –

»Mich tödtet dieser todte Mann,

Der von Parmenien, Riwalin;

Gern, wenn ich könnte, säh ich ihn,

Wüßt ich, wie ich's erwürbe,

Eh denn er vollends erstürbe:

Denn leider kann er nicht gedeihn.

Magst du mir dazu hilfreich sein,

So will ich dir nichts versagen

In allen meinen Tagen.«

Die Meisterin gedachte still:

Wenn ich gestatte, was sie will,

Was mag da Schaden erwachsen dran?

Denn dieser todeswunde Mann

Ist morgen oder noch heute todt:

So hab ich doch in dieser Noth

Meiner Frauen Leib bewahrt und Ehr

Und bin ihr mehr und immer mehr

Vor andern Weibern auserlesen.

»Traut Fraue,« sprach sie, »liebes Wesen,

Euer Weh ist mir von Herzen leid,

Und wo ich Eure Traurigkeit

Mit meinem Leben wenden kann,

Da zweifelt, Fraue, nicht daran.[14]

Ich selbst will gehen zu ihm nieder,

Ihn sehn und alsbald kehren wieder,

Will die Gelegenheit erkunden,

Wie man mag kommen zu dem Wunden,

Und auch der Leute nehmen wahr.« –

Nun trat sie mit Gebärden dar,

Als ob sie seine Noth beklagte,

Wobei sie heimlich zu ihm sagte,

Ihre Herrin möchte ihn gerne sehn,

Dafern er solches ließe geschehn

Mit Fug und auch mit Ehren.

Da stieg sie mit diesen Mären

Wieder zu Blancheflur hinan.

Sie nahm die Maid und legt ihr an

Eines armen Bettelweibes Kleid.

Ihr Angesicht voll Lieb und Leid

Mit dichten Schleiern sie umwand,

Nahm ihre Herrin bei der Hand

Und trat den kranken Helden an.

Nun hatte dieser, Mann für Mann,

Die Seinen ausgetrieben

Und war alleine blieben.

Er sagte ihnen sein Gebot,

Ihm thue Ruh und Stille noth.

Auch sprach die Meistrin, wie sie schritt,

Sie bringe eine Aerztin mit,

Und erwarb, daß man sie zu ihm ließ.

Das Schloß sie vor die Thüre stieß:

»Nun Fraue,« sprach sie, »seht ihn an.« –

Und sie, die Schöne, trat heran;

Sie sah ihm in die Augen und sprach:

»Ach,« sprach sie, »heute und immer ach!

O weh, daß ich je ward geboren!

Wie ist mein Trost so ganz verloren!«

Ihr neigte Riwalin sich schwach,

Weil es an Kräften ihm gebrach,

Als einem todeswunden Mann.

Auch sahe sie das wenig an

Und nahm es unbekümmert hin:

Sie setzte sich zu Riwalin

Und legte still und bange

Die Wange an seine Wange,

Bis daß ihr aber, beide,

Von Lieb und auch von Leide,

Des Leibes Kraft von dannen wich;

Ihr rosenfarbner Mund erblich,

Auf ihrer Haut erstarben

Die lichten Lebensfarben,

Womit ihr Leib gezieret war.

Da ward in ihren Augen klar

So trübe wie die Nacht der Tag,

So daß sie in der Ohnmacht lag

Und ohne Sinne lange;

Ihre Wange an seiner Wange

Sah aus, als ob sie wäre todt.

Und als sie nun aus dieser Noth

Ein wenig wieder zu Kräften kam,

Ihr Lieb sie in die Arme nahm

Und legte den Mund an seinen Mund

Und küßte ihn hunderttausend Stund

In einer kleinen Stunden,

Bis ihm ihr Mund entzunden

Sinne und Kraft zur Minne,

Denn Minne war darinne.

Ihr Mund, der machte ihn freudenhaft:

Ihr Mund, der brachte ihm eine Kraft,

Daß er das kaiserliche Weib

An seinen halb erstorbnen Leib

Gar inniglich und nahe zwang.

Darnach so währte es gar nicht lang,

Bis daß ihr Beider Wille erging

Und das viel süße Weib empfing

Ein Kind von seinem Leibe.

Da war er auch von dem Weibe

Und von der Minne beinahe todt:

Half ihm nicht Gott aus seiner Noth,

So war es aus mit ihm gewesen,

Doch Gottes Huld ließ ihn genesen.

Also genas da Riwalin,

Und Blancheflur, die ward durch ihn

Entladen von einem Herzensschaden

Und aber mit einem Schaden beladen:

Groß Leid verlor sie an den Mann,

Von dem sie größers noch gewann.

Sie ließ die sehnende Herzensnoth

Und trug mit sich davon den Tod:

Die Noth sie mit der Minne vertrieb,

Der Tod ihr mit dem Kinde blieb.

Und dennoch, wie es ihr auch ging,

In welcher Weise sie auch empfing

Hie Frommen und dort Schaden,

Entladen ward und beladen,[15]

So sah sie doch nichts anders an,

Als die liebe Liebe, den lieben Mann.

Ihr war nicht Kind noch Todesloos

Bewußt in ihres Leibes Schooß:

Minne und Mann war ihr bewußt;

So that sie in rechter Lebenslust,

Was der Lebende soll, der Minnende thut;

Ihr Herze lag, ihr Sinn, ihr Muth

An Riwalin alleine.

Hinwieder lag auch der seine

An ihr und ihrer Minne.

Es trugen ihr Beider Sinne

Nur Eine Liebe, nur Ein Begehr:

So war er sie, und sie war er,

Er war für sie, und sie für ihn:

Da Blancheflur, da Riwalin,

Da Riwalin, da Blancheflur,

Da Eine treue Liebe nur.

Ihr Leben war Ein Leben so,

Sie waren mit einander froh,

Erhöhten ihr Gemüthe,

Das stand in Einer Blüthe;

Und konnten sie zusammensein,

Das war ihr Lebenssonnenschein,

Da war ihr Herzensglücke voll,

Da war es ihnen sanft und wohl,

Da hätten sie ihr junges Leben

Um tausend Kronen nicht hergegeben.

Jedoch nicht lange, so ging's zu Leid:

Denn in der ersten Freudenzeit,

Da sie am besten lebten

Und in der Wonne schwebten,

Da kamen Boten zu Riwalin,

Sein Feind Morgan sei wider ihn

Mit großem Heer gebrochen ins Land.

Auf diese Märe ward am Strand

Ein Schiff für ihn bereit gemacht

Und alsobald darauf gebracht,

Was er bedurfte für die Reise,

All sein Geräth, so Roß als Speise.

Die minnigliche Blancheflur,

Als sie die Jammermär erfuhr

Von ihrem herzgeliebten Mann,

Da fing ihr ganzer Kummer an:

Vor Herzeleid es ihr geschah,

Daß sie nicht hörte und nicht sah.

Die Farbe an ihrem Leibe

Glich einem todten Weibe.

Aus ihrem Munde sprach das Weh

Nur das viel arme Wort: »O weh!«

Das sprach sie und kein andres Wort.

»O weh!« so sprach sie fort und fort:

»O weh nun, Minne, o wehe, Mann!

Wie habt ihr mich gefallen an

Mit Mühsal und mit großem Leid!

Minne, der Welt Unseligkeit!

Da an dir so kurze Freude ist,

Da du so wankend und unstet bist,

Was minnet all die Welt an dir?

Ich sehe doch wohl, du lohnest ihr

So, wie der Falschgesinnte thut:

Dein Ende, das ist nicht so gut,

Als du der Welt verheißest,

Wenn du sie lockst und reißest

Durch kurze Lust zu langem Leid

Deine verlockende Trüglichkeit,

Die in so falscher Süße schwebt,

Die trüget alles, was da lebt.

Das zeigt sich nun an meiner Pein

Was meine Freude sollte sein,

Das läßt mich nichts erwerben

Als Herzleid und Verderben.

Mein Trost fährt hin und läßt mich hie.«

Nun ihr Herz also Wehe schrie,

Trat ihr Geselle Riwalin

Mit weinendem Herzen zu ihr hin

Und wollte nehmen Urlaub von ihr.

»Fraue,« sprach er, »gebietet mir:

Ich soll und muß zur Heimath fahren.

Euch Schöne möge Gott bewahren!

Bleibt immer glücklich und gesund!« –

Und abermals verblich ihr Mund,

Und aber von der Herzensnoth

Fiel sie in Ohnmacht und für todt

Vor ihm in Schooß der Meisterin.

Ihr Sehnegenosse Riwalin,

Da er das große Leid ersah,

Das seiner Blancheflur geschah,

War er als treuer Gesell bereit:

Er nahm auf sich ihr sehnend Leid

Und theilte es mit ihr inniglich.

Die Farbe auf seinem Gesicht erblich,[16]

Mit klagenden Gebärden

Setzt er sich traurig zur Erden;

Seine Kraft war ihm zerspalten,

Kaum konnt er sich erhalten,

Bis sie so weit zu Sinnen kam,

Daß er sie süß hin zu sich nahm

Und hielt das freudelose Weib

Herzinniglich an seinen Leib

Und küßte ihr viel und lange

So Mund als Aug und Wange

Und herzte sie beständig,

Bis daß sie ward lebendig

Und kam zu Sinnen und genas

Und aufrecht von sich selber saß.

Nun daß sie wieder zu sich kam

Und ihren Freund bei sich vernahm,

Da sah sie ihn mit Jammer an:

»Ach,« sprach sie, »herzgeliebter Mann,

Wie ist mir leid von Euch geschehen!

Herre, wie hab ich Euch müssen sehen

Zu so viel Leid und Herzensklage,

Als ich in meinem Herzen trage

Von Euch, von Euren Schulden.

Dürft ich mit Gunst und Hulden

Euch alles sagen, so möchtet Ihr

Besser und freundlicher thun mit mir.

Herre und Freund, gar mancherlei

Ist dieses Leids, und vor allen drei,

Die tödtlich und nicht zu wenden sind.

Das eine ist, daß ich trage ein Kind,

Deß weiß ich nicht zu genesen,

Will Gott nicht mein verwesen.

Das andere, das ist noch mehr:

Mein Bruder und mein Herr, wenn er

An mir ersieht dies Ungemach,

Dazu auch seine eigne Schmach,

So wird er mich verderben

Und schmählich lassen sterben.

Das dritte ist aber die größte Noth

Und ist viel ärger als der Tod:

Ich weiß wohl, wird sich's auch begeben,

Daß mich mein Bruder lässet leben

Und will mich nicht verderben,

So wird er mich aber enterben

Und wird mir nehmen Gut und Ehr,

Da muß ich immer hinterher

Unwerth und schlechtes Namens sein.

Dazu muß ich mein Kindelein,

Das einen lebenden Vater hat,

Erziehen ohne Vaterrath.

Und dennoch wollt ich nimmer klagen,

Dürft ich die Schmach alleine tragen,

Und ginge mein alt erlauchtes Haus

Und der König frei, mein Bruder, aus,

Und möchte er so des Hohns und mein

Mit Ehren ledig und ohne sein.

Wenn aber Alle, die da sind,

Die Märe sagen, ich habe ein Kind

Erworben kebslich, und geht der Schall

Durch Engelland und durch Kornewall,

So ist es für beide Lande

Eine offenbare Schande.

Und wehe, wenn ich das gewann,

Daß man mich sieht mit den Augen an,

Daß zwei Lande von Schulden mein

Erniedrigt und bescholten sein,

So wär ich Eine besser todt.

Seht, Herre,« sprach sie, »das ist die Noth,

Die immerwährende Herzensklage,

In der ich alle meine Tage

Ersterben muß mit lebendem Leib.

Herr, helft Ihr nicht mir armem Weib,

Und fügt's der milde Gott nicht so,

So werd ich nimmer hienieden froh.« –

»Traut Fraue,« sprach er da zu ihr,

»Habt Ihr erworben Noth von mir,

Die will ich büßen, so gut ich mag,

Und Euch bewahren von diesem Tag,

Daß Euch nicht Schmach noch Wehe

Durch mich hinfort entstehe.

Ich habe, mag was will geschehn,

So gar viel Liebs an Euch gesehn,

Daß es unbillig wäre,

Wenn Ihr die ringste Schwere

Mit meinem Willen solltet tragen.

Fraue, ich will Euch alles sagen,

Mein Herz und allen meinen Muth:

Leid und Lieb, Uebel und Gut,

Was Ihr genießen mögt und leiden,

Davon will ich mich nimmer scheiden,

Da will ich immer stehen bei,

Wie groß auch unsre Mühsal sei.[17]

Ich biet Euch zweier Dinge Kür,

Die leget Eurem Herzen für:

Entweder bleib ich, oder ich fahr;

Nun legt Euch selbst die Sache dar:

Wollt Ihr, daß ich zu Tintayol

Euer Geschick erwarten soll,

Das sei. Geruhet aber Ihr

Hinzufahren und heim mit mir,

Ich selbst und alles, was ich han,

Das ist Euch immer unterthan.

Ihr habt mir Lieb erzeigt so viel,

Daß ich's Euch wohl gedenken will

Mit meinem Leib und Gute.

Wie nun Euch sei zu Muthe,

Fraue, dessen berichtet mich:

Denn was Ihr wollt, das will auch ich.« –

»Dank, Herre,« sprach die Schöne froh:

»Ihr redet und bietet mir es so,

Daß Euch Gott lohnen müße,

Und daß ich Eure Füße

Immer gerne umfahen soll.

Freund und Herre, Ihr wisset wohl,

Des Bleibens kann hier nimmer sein:

Die Noth mit meinem Kindelein,

Die kann ich leider nicht verhehlen,

Als wenn ich trachte mich wegzustehlen:

Das wäre mir der beste Rath

Nach dem, wie sich die Sache hat.

Freund, Herre, dazu rathet Ihr.« –

»Nun, Fraue,« sprach er, »folget mir:

Zu Nacht, wenn ich zu Schiffe geh,

So richtet Ihr's, daß Ihr noch eh

In aller Stille dar seid kommen,

Daß ich, wenn ich Urlaub genommen,

Euch dann im Schlosse finde

Bei meinem Ingesinde.

So richtet's: also muß es sein.«

Darauf ging Riwalin hinein

Zu Marke und sagte ihm Märe,

Was ihm entboten wäre

Von seinem Volk und seinem Land.

Urlaub er nahm von seiner Hand,

Darnach von all den Seinen;

Die klagten um den Feinen,

Daß er nie größere Klage sah,

Als die allda um ihn geschah:

Viel Segens ward ihm mitgegeben,

Daß Gott ihm möge Ehr und Leben

Nehmen in seinen Schirm fortan.

Nun endlich kam die Nacht heran,

Und als er zu seinem Schiffe stieß

Und sein Geräthe laden ließ,

Da fand er seine Frauen dort,

Die schöne Blancheflur, an Bord:

Alsbald hieß er die Segel spannen,

Und also fuhren sie von dannen.

Nun Riwalin zu Lande kam

Und die viel große Noth vernahm,

In welche Morgan ihn gebracht

Mit seines Heeres Uebermacht,

Seinen Marschall er besandte,

An dem er Treue erkannte,

An dem sein meister Trost noch lag,

Der aller seiner Ehren pflag

Ueber sein Volk und über sein Land:

Das war Rual li Foitenant,

Der Treuen und der Ehren Stab,

Der nie gewankt von Treuen ab;

Und dieser, dem es aus dem Grund

Bekannt war, that ihm alles kund,

Welch bittre Noth und Schwere

Dem Land erwachsen wäre.

»Doch,« sprach er, »daß Ihr in guter Zeit

Zu Trost uns allen kommen seid

Und Gott Euch wieder gesendet hat,

So soll deß alles werden Rath,

Und mögen wir noch wohl gedeihn;

Wir müssen nur starkes Muthes sein,

Die Angst und Noth geht bald dahin.«

Dazwischen sagte ihm Riwalin,

Was ihm mit seiner Blancheflur

Wunder und Liebes widerfuhr.

Deß ward er inniglich erfreut:

»Herre,« sprach er, »wohl seh ich heut,

Eur Ehre wächst auf jede Weis,

Eur Würdigkeit und Euer Preis

Und Eure Freude und Wonne,

Die steiget wie die Sonne.

Ihr könntet nie auf Erden

Von einem Weibe werden

So hohes Namens als von ihr.

Derhalben, Herre, folget mir:[18]

Hat sie Euch Heil erwiesen,

So laßt es sie genießen.

Führen wir unser Ding hinaus

Und wenden diesen harten Strauß,

Der uns nun so zu schaffen macht,

So richtet, Herre, mit reicher Pracht

Eine herrliche Hochzeit an:

Da nehmet öffentlich alsdann

Vor Magen und Mannen sie zur Eh;

Und rath ich, daß Ihr sie noch eh,

Da es Pfaffen und Laien schauen,

In der Kirche machen sollt zur Frauen,

So wie der Christenbrauch begehrt:

Womit Ihr denn Euch selber ehrt,

Und Euch's in allen Euren Dingen

Nur um so besser wird gelingen,

Und wird Euch Ehr und Glück umfahn.«


Nun, das geschah, das ward gethan,

Der Rath ins Werk gesetzt vollkommen;

Und als er sie zur Eh genommen,

Befahl er sie von Hand zu Hand

Dem getreuen Marschall Foitenant.

Der führte sie gen Kanoel,

Das war dasselbige Castel,

Nach dem sein Herr, wie ich es las,

Kanelengres geheißen was,

Kanel nach Kanoel genannt;

Und hatte der Marschall auch gesandt

Auf dieses Schloß sein eignes Weib,

Ein Weib, das dran gab Seele und Leib,

Die Welt in weiblichen Treuen

Mit Güte zu erfreuen.

Der befahl er seine Herrin an

Und machte ihr alles unterthan

Und hieß sie pflegen fürstensam.

Nun wieder Rual zum Herren kam,

Beriethen sich die Beiden

Und mußten sich entscheiden,

Wie es um ihre Sachen stand.

Sie schickten durch das ganze Land

Und sammelten ihre Ritterschaft

Und wandten ihre ganze Kraft

Auf nichts als auf die Gegenwehr.

So ritten sie mit ihrem Heer

Morganen und den Seinen zu.

Die blieben auch nicht in ihrer Ruh

Müßig liegen vor Riwalin:

Sie erwarteten und empfingen ihn

Mit einem harten Gefechte.


Hei, wie viel guter Knechte

Fielen und starben durch Speer und Pfeil!

Wie wenig blieben ihrer heil!

Wie mancher Mann kam da in Noth,

Und wie gar mancher lag da todt

Und wund von ihrer Beider Macht!

In dieser jammervollen Schlacht

Ward der klagwerthe Held erschlagen,

Den alle Welt wohl sollte klagen,

Wenn Klagen und wenn Grämen

Den Todten zu Nutze kämen:

Kanelengres der gute,

Der in fürstlichem Muthe

Und Herrentugenden keinen Schritt,

Nicht einen halben, rückwärts glitt,

Der lag da jammerwürdig todt;

Jedoch in aller dieser Noth

Kamen die Seinen über ihn,

Konnten ihn kaum dem Feind entziehn,

Führten ihn klagend aus dem Feld

Und begruben ihn als einen Held,

Der nicht weniger und nicht mehr

Als ihrer aller Glück und Ehr

Mit sich zu seinem Grabe nahm.

Daß ich nun viel von Leid und Gram

Und ihrer Trauer sagte,

Was ihrer Jeder klagte,

Was sollte das? es ist nicht noth.

Sie waren alle mit ihm todt

An Ehren und an Gute

Und an allem dem Muthe,

Der guten Leuten sollte geben

So Glück als freudevolles Leben.


Es ist geschehen, so sei's forthin:

Er ist todt, der gute Riwalin;

Da gehört nun weiter nichts dazu,

Als das Eine, daß man mit ihm thu,

Was sich schickt mit einem todten Mann.

Da schlägt nun doch nichts andres an:

Man soll und muß sich sein begeben,

Gott pflege sein im ewigen Leben,[19]

Der edler Herzen nie vergaß;

Und geht die Märe nun fürbaß,

Wie es mit Blanchefluren kam.

Da die viel schöne Frau vernahm,

Was ihr für Weh und Leid geschah,

Wie stand es um ihr Herze da?

Gott, Herre, da sollt du uns bewahren,

Daß wir das je einmal erfahren!

Ich habe keinen Zweifel dran:

Gewann durch einen lieben Mann

Ein Weib je tödtliche Herzensschmerzen,

So waren sie all in diesem Herzen.

Das war tödtlichen Leides voll.

Vor aller Welt bewies sie wohl,

Daß ihr sein Tod zu Herzen ging.

In ihren Augen aber hing

Nicht Eine Thräne bei all dem Gram:

Ja Gott, Herre, wie das aber kam,

Daß da nicht ward geweinet?

Ihr war das Herz versteinet.

Da war kein Leben drinne,

Als nur die lebende Minne

Und nur die viel lebendige Noth,

Die lebend Kampf ihrem Leben bot.

Klagte sie aber, nach ihrer Pflicht,

Um ihren Herren? Nein, sie nicht:

Sie verstummete zur Stunde,

Die Klage starb ihr im Munde;

Ihre Zunge, ihr Mund, ihr Herz, ihr Sinn,

Alles zusammen war dahin.

Die Schöne klagte kein Ungemach,

Ihr Lippe sprach nicht Weh, nicht Ach:

Stille sank sie dahin und lag

In Qualen bis an den vierten Tag,

Erbärmlicher als je ein Weib:

Sie kreisete und wand den Leib

So und so, her und dar,

Und trieb das fort, bis sie gebar

Ein Söhnlein mit viel großer Noth.

Seht, das genas, und sie lag todt.

O weh der Augenweide,

Da man nach leidem Leide

Mit leidigerem Leide

Sieht leidere Augenweide!

Sie, deren Ehre am Herren lag,

Der er mit großen Ehren pflag,

Dieweil und es Gott wollte,

Daß er ihrer pflegen sollte,

Die traf nun leider schweres Leid,

Das übertraf das schwerste weit,

Nun all ihr Trost, all ihre Kraft,

Ihr Wesen, ihre Ritterschaft,

Ihre Würdigkeit und ihre Ehr

Dahin war ohne Wiederkehr.

Er aber, er ist schön gestorben,

Sie gar zu jämmerlich verdorben.

Wie leidig auch der Schade war,

Die Noth, die Land und Leuten zwar

Von ihres Herren Tode kam,

Es war doch nicht so klagesam,

Als wie man diese quälende Noth

Und diesen jammervollen Tod

An dem viel süßen Weibe sah.

Das schwere Leid, das ihr geschah,

Beklage jeder edle Mann;

Und wer vom Weib je Muth gewann

Oder irgend will gewinnen,

Der achte in seinen Sinnen,

Wie leichtliches Mißlingen

In sogethanen Dingen

Den besten Menschen jäh entsteht,

Wie leicht es ihnen zu Leide geht

Am Herzen und am Leibe;

Und soll er dem reinen Weibe

Gnade vom reichen Gott erflehn,

Daß sein Wille sei, ihr beizustehn,

Ihre Hilfe, ihr Trost zu sein.

Wir aber reden vom Kindelein,

Dem Waisen, vater- und mutterlos,

Was Gott mit ihm zu thun beschloß.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 3-20.
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