Neunzehntes Kapitel

[241] Eine Tochter erscheint und will Uli bilden


Ds Elisi hatte nämlich großes Wohlgefallen an Uli und tat recht dumm mit ihm.

Schon im Winter hatte es dasselbe gefaßt, und wenn des Sonntags nachmittags Uli allein in der Stube war, so machte sich Elisi an ihn, kramte ihm alles aus, und er mußte raten und bewundern, so daß es Uli recht erleidete, in die Stube zu kommen. Die bessere Jahreszeit unterbrach diese Konferenzen, da bekam ds Elisi Längizyti. Es hatte ein halb Dutzend Blumentöpfe. Die hatten bisher monatelang ruhig an einem Ort stehen können, wenn Vreneli sie nicht der Sonne oder dem Regen nachtrug. Nun waren sie ihm nie am rechten Ort.[241] Uli stund selten vom Essen auf, daß ds Elisi ihm nicht sagte, er müsse ihm seine Meienstöcke fürerstragen, das Vreneli trüge gar keine Sorge zu ihnen, es ließe sie je eher je lieber zugrunde gehen. Und selten kam Uli so schnell fort, als er wollte; er mußte bald an diesem, bald an jenem schmöcken, und wenn er fort wollte, so kam es Elisi in Sinn, an einem andern Ort wären sie noch besser, und er mußte sie noch einmal weitertragen und noch an einem schmöcken, welcher das vorige Mal übersprungen worden war. Saßen die Knechte am Abend auf dem Bänkli vor dem Stalle, so kam Elisi mit einer Gießkanne zum Brunnen und tat so ungeschickt und schüttete sich Wasser in die Schuhe, bis Uli ging und half, während die Andern tapfer lachten und ziemlich unverhohlen über das Schlärpli spotteten. Regnete es oder waren ihm die Meien sonst nicht im Kopf, so trippelte es doch da herum, ja einigemal nahm es sogar eine Lismete in die Hand und spazierte damit den Schopf auf und ab, weil es seine kalten Füße erwärmen müßte, wie es sagte.

Ja einmal im Emdet legte es sein Schaubhütli auf, zog lange Handschuhe an, schob zwei Paar Bracelets daran herauf, nahm sein Sonnenparesöli und ging hinaus, als sie mit dem Wagen Emd holen wollten. Uli mußte ihm einen Rechen auslesen, und nun fuhr Elisi, mit der einen Hand das Sonnenparesöli haltend, mit der andern den Rechen, in die Matte sich schrecklich gebärdend über den harten Sitz auf dem Wagen und dessen jämmerliche Stöße. In der Matte wollte es Uli, der Heu auf den Wagen gab, nachrechen, das ging aber nicht. Erstlich fing sich ihm der Rechen immer im Grase, daß es ihn nicht loskriegen konnte, zweitens konnte es nicht rechen und zugleich das Paresöli halten, und die Sonne schien doch so heiß! Elisi setzte sich daher auf den Wagen mit seinem offenen Paresöli. Es war eine schwere Aufgabe für den Lader, den Wagen gehörig zu laden bei dem darauf sitzenden[242] Elisi, das kein Glied machen konnte, das, wenn es etwas Platz machen sollte, Brülle ausließ, daß es den Schwalben, welche den Wagen umflogen, fast gschmucht wurde. Er mußte es hin- und herheben samt seinem Paresöli wie ein kleines Kind. Ringsum in den Matten stunden die Leute still, als sie das Parisöli auf dem Heufuder sahen, wußten zuerst nicht, was das war, denn so etwas hatten sie noch nicht gesehen, und lachten sich dann fast tot, als sie unter dem Parisöli auch das Elisi wahrnahmen. Als das Fuder höher und höher wurde, war es in einem beständigen Kreischen und wollte doch nicht herab. Als es auf dem schwankenden Wagen heimfuhr, hörten die »Herr Jeses, Herr Jeses! Ach heyt mih, heyt mih dr tusig Gottswille!« nicht auf. Endlich war man glücklich im Tenn, aber nun fing die Not erst an. Elisi durfte weder hinten dem Wellenseil nach hinunter noch vornen über das Fürgstütz. Der Vater und die Mutter kamen heraus, als sie das Geschrei hörten, und als die Letztere ihre Tochter mit dem Parisöli schreiend auf dem Fuder sah, sagte sie: »Du Tüfels Göhl, was kommt dir doch in Sinn? Hat man unser Lebtig e sellige Göhl mit dem Parisol uf enem Heufuder gesehen?« Joggeli begehrte mit der Mutter auf, daß sie jetzt hintendrein balge; sie hätte vorher wehren sollen, daß es nicht gehe, jetzt mache sie ihm nur Angst. Diese war in der Tat groß. Uli hatte hinten ans Fuder eine Leiter angestellt, und Elisi sollte auf die hinaustreten und da hinunter. Aber Elisi stund zitternd auf dem Fuder, das offene Parisöli in der Hand, und allemal, wenn es den Fuß hob, schrie es: »Herr Jeses, Herr Jeses! Heyt mih, heyt mih, ih fallen abe!« Endlich sagte Joggeli: Das tue nichts so, Uli solle hinauf und Elisi holen; es sei aber dumms von ihm, daß er Elisi einmal da hinauf gelassen, er hätte wohl denken sollen, das komme so. Uli ging die Leiter auf und wollte Elisi die Hand bieten. Aber Elisi schrie noch ärger. Da ging er aufs Fuder und wollte Elisi hin,[243] aus auf die Leiter heben, damit es auf derselben allein hinuntergehen könne; da schrie aber Elisi geradeaus, als ob man es am Messer hätte. Es blieb Uli endlich nichts übrig, als Elisi auf den Arm zu nehmen wie ein kleines Kind und so es zu tragen. Das ließ auch Elisi sich gefallen und hielt sich so wacker an Ulis Hals, daß er ganz braun und blau den Boden erreichte. Solange Elisi lebte, bildete diese Heufahrt seine Hauptgeschichte. Wenn man es erzählen hörte, was es da ausgestanden und erlebt, so stunden einem fast die Haare zu Berge, und man kam zur Überzeugung, daß was der Kapitän Parry auf seiner Nordpolexpedition erlebt, nur Kleinigkeiten seien gegen das, was Elisi von der Matte bis ins Tenn erfahren. Daneben behandelte es Uli handkehrum wieder mit gar mächtigem Hochmut, antwortete ihm so wenig als den andern Diensten, wenn er guten Tag oder gute Nacht wünschte, hielt ihm vor, er rieche nach dem Kühstall, führte ihn aus über seine rauhen, großen Knechtenhände, konnte sich aber denn doch nicht enthalten, mit seinen magern, bleichen Händen daran herumzufingerlen.

Uli war dieses sehr unangenehm, ohne daß er eine weitere Bedeutung darein setzte. Er meinte, das gehöre zu den Eigentümlichkeiten und Meisterlosigkeiten des verzogenen Kindes. Er war damit geplagt und wurde von den andern Diensten ausgeführt. Indessen benahm er sich anständig, denn es war immerhin die Meisterstochter, während hingegen die Andern das Mädchen zum Narren hielten oder es so rücksichtslos verhöhnten, besonders wenn sie zu Weihnacht aus dem Dienst wollten, daß es gar oft heulend und schreiend vor seinen Alten Klage führte und sich ins Bett legen mußte, sich gebärdend fast wie ein wirbelsinnig Kind. Joggeli nahm dann seinen Stecken und höpperlete weiters. Die Mutter sprach zu, es solle doch nicht so plären, es sei doch nicht dr wert, gab ihm Tropfen, und wenn es weit kam, so ging sie hinaus und[244] putzte dem Sünder ab, daß er inskünftig ihr Meitschi rüeyig lasse. Dagegen erhielt sie gewöhnlich zur Antwort: Daß man Elisi gern rüeyig lasse, aber es solle dann in der Stube bleiben und brauche nicht zu ihnen zu kommen und anzufangen. Man sei doch nicht dafür da, sich von einem Sellige, das auf der Himmelswelt nichts sei, kujonieren zu lassen.

Dem Elisi kam es auf einmal in Kopf, es wolle seinen Bruder besuchen, es wußte niemand warum. Es war eine unmußige Zeit. Der Vater wollte es nicht führen; man wollte es ihm ausreden, aber ds Elisi fing an zu plären, zu schnopsen, als ob es ersticken wolle, bis es endlich hieß, Uli solle es morgen führen. Nun kam es nach und nach zu sich selbst, tat Kästen und Schäfte und Kommoden auf und füllte die ganze Stube mit seinen Herrlichkeiten und rief das ganze Haus zu Rate, mit was es die Trinette ärgern könnte. Dem Uli war die Reise nicht anständig; er ging nicht gerne zu Johannes, und auch hörte er den Spott seiner Mitknechte nicht gerne, die sich lustig darüber machten, daß er mit der Meisterstochter im Lande herumfahren könne. Zudem schien ihm Vreneli puckt und mutz, gab ihm kurzen Bescheid und warf seine Schuhe, die er zum Salben brachte, gar unsanft in eine Ecke. Diese Unfreundlichkeit mühte Uli doch und er hätte gerne gewußt, woher sie stamme, aber er hatte keine Gelegenheit, zu fragen. Als er am Morgen erschien, schön angetan mit dem Halstuch, das ihm die Meisterfrau gekramet, da warf es ihm spöttische Blicke zu und sagte ihm, er hätte wohl angewendet, aber er werde gedacht haben: Helf, was helfen mag!, aber dem Elisi möge er doch nicht nach. Allerdings erschien dieses gar schön und glitzerig, umbunden und aufgezäumt mit allem Möglichen, zwei Jungfrauen hinter sich, von denen jede ein Pack mit Kleidern trug, und hintendrein die Mutter mit einer Drucke, worin noch eine Kappe und die Mänteli waren, die nicht verdrückt werden durften. Es wollte freilich den[245] andern Tag wiederkommen, aber es sagte, man wisse nie, was es gebe, und es sei einem nicht wohl, wenn man sich nicht wenigstens zweimal anders anziehen könne. Als der Zug durch die Stube war, ergriff Vreneli die Katze und trug sie einige Schritte nach mit der Frage auf der Zunge, ob es die nicht auch noch mitnehmen wolle. Doch besann es sich eines Andern, setzte die Katze wieder ab, ging zurück und drückte trübe Augen ans angelaufene Fenster.

Uli hatte sich voraufgesetzt, im verdeckten Sitz saß vergnügt ds Elisi. Es versuchte, sobald das Haus im Rücken war, mit Uli zu reden, aber das wilde junge Roß fesselte dessen Augen so, daß er nicht rückwärtssehen, seine Antworten nur so abgebrochen über die Achsel geben konnte. Da wurde ds Elisi ungeduldig, und einige Regentropfen gaben ihm den Vorwand, den Uli zu heißen, auf den Sitz zu kommen. Er machte Umstände, allein da er endlich den Regen und seinen Hut bedachte, so setzte er sich neben ds Elisi. Nun war diesem recht wohl neben Uli und es sagte ihm mehrere Male, er solle sich nur nicht so in den Ecken drücken, sie hätten gar wohl Platz nebeneinander, sie seien ja Beide noch nicht so dick wie der Vater und die Mutter, und die müßten doch auch Platz haben. Die Mutter sei auch nicht immer so dick gewesen wie jetzt, sie hatte manchmal gesagt, sie sei zu ihrer Zeit noch dünner gewesen als es. Es werde ihm auch schon bessern; der Doktor hätte ihm schon manchmal gesagt, wenn es einmal einen Mann habe, so werde es schon wieder rote Backen bekommen. Es sei das schönste Kind gewesen, wo man hätte sehen wollen. Die Leute seien allbets bei ihm stillgestanden und hatten die Hände ob dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: »Nei aber, wie ist das doch ein Kind! So ein schönes haben wir noch nie gesehen!« Es besinne sich gar wohl daran. Noch wo es ins Weltschland gekommen sei, sei nit mengs schöners Meitschi im Kanton gsi. Backen hatte[246] es gehabt wie gmalet und eine Haut so glatt, man hätte sich können darin luegen wie in einem Spiegel. Wenn es allbets sys Gitarrli an einem rot und schwarzen Bändel umgehängt habe und vor dem Hause auf und ab spaziert sei und schöne Lieder gespielt und gesungen habe, zum Beispiel»Im Aargäu sy zweu Liebi, und die händ enandere gern« oder »Üsi Chatz und ds Herre Chatz hey enandere bisse,« so seien ganz Kuppele Weltsch um es gestanden und hätten ihm flattiert; es hätte nur brauchen Ja zu sagen, so hätte es zehn für einen haben können von den Vornehmsten, wo im Weltschland seien, und so schön, so schön, daß man hier nichts so sehe. Das seien dort andere Leute als hier. Da sei es aber krank geworden und hätte wieder heim gemüßt, und da sei man gar wüst gegen ihns gewesen; es hätte arbeiten sollen wie öppe eine gemeine Baurentochter, und Speise hätte es brauchen sollen, so wie sie andere Leute auch hätten, wie sie aber kein Hund im Weltschland fresse, der leicht meisterlosig sei. Seither hätte es, es könne es wohl sagen, keine gesunde Stunde gehabt, aber es werde ihm schon noch bessern. Darauf erzählte ds Elisi seine ganze Krankengeschichte dem Uli; die dauerte, bis sie das Städtchen vor sich sahen, wo ds Elisi noch kramen wollte.

Da ließ es halten und sagte dem Uli, es regne nicht mehr er solle wieder voraufsitzen, die Leute würden sonst nicht wissen, was das gegeben habe, daß es mit dem Knecht im Schesli hocke, und könnten ihm einen wüsten Lärm machen, den es nicht begehre. Das stach Uli in die Nase, und schweigend setzte er sich vorauf. Im Wirtshaus machte sich ds Elisi ganz breit, ließ sich nicht übel aufwarten, nachdem es doch auch an Uli gedacht und befohlen hatte, daß man ihm einen Schoppen gebe und etwas Weniges zu essen, öppe es Mümpfeli Fleisch und es Brösmeli Gchöch, und aß nur vom Besten. Rindfleisch nahm es keins, deren hätten sie daheim alle Tage,[247] sagte es, und vom Gemüse, daß es deren keins gegessen, seit ihm der Herr erlaubt, es treibe ihm den Bauch gar auf, und vom Kalbfleisch wollte es wissen, daß es zu fett mache, und im Weltschland in den Häusern, wo man leicht vornehm sei, esse man gar keins. Hingegen den Fischen, Tauben, Hähnelinen sprach ds Elisi munter zu, als ob es gedroschen hatte. Es kramete tüchtig und sagte in jedem Laden, es wolle seinen Knecht schicken, die Sache zu holen. »Wo ist mein Knecht?« frug es, sobald es wieder im Wirtshause war. »Mein Knecht muß mir das holen, mein Knecht soll anspannen.« So ging es an einem fort, bis sie endlich wieder zum Tor aus waren.

Kaum dachte Elisi, nun könne vom Städtchen aus sie niemand mehr sehen, nicht einmal mehr der Sigrist im Turm oder der Landjäger im Schloß, so zog es ein rotes Nastuch hervor und sagte Uli, es hätte ihm auch etwas gekramet, er solle sehen. Er begehre nichts, sagte Uli, er könne es sonst machen. »So sieh doch,« sagte Elisi. Er hätte nicht Zeit, sagte Uli, er müsse auf das Roß sehen. Er solle halten und hereinkommen, befahl Elisi. Er sei wohl da, sagte Uli, es könnte es ja jemand sehen. »Bist höhn, Uli? Bis doch recht nit höhn,« sagte Elisi. »Was kann ich dafür? Üserein muß tun, was dr Bruch ist, we me nit will vrbrüllet werde. Gmein Lüt heys gar chumlig, es git niemer druf acht, was si mache; sie chönne mache, was es sie achunt, es seyt niemere nüt, aber üsereim paßt alles uf. Bis doch recht nit höhn, sunst han ih kei Freund meh!« So bat, befahl, jammerte, weinte endlich Elisi, bis Uli hineinging, aus Angst, Elisi möchte etwas Ungattlichs anfangen. Nicht weit von Frevligen hielt er aber von selbst und wechselte stillschweigend seinen Platz.

Frevligen ist ein großes Dorf in ebenem Lande, reich an Feldern und Wäldern; eine Heerstraße zieht sich durch dasselbe und schöne Bäche bewässern es, viel Reichtum ist dort, aber auch viel Übermut. Die Leute können notdürftig lesen[248] und schreiben, haben Bildung, darum sind sie auch grenzenlos einbildisch. Weil sie vom A bis Z alle Buchstaben geläufig kennen, so meinen sie, sie kennten auch alle Dinge im Himmel und auf Erden, sprechen daher mit weiten Nasenlöchern, den Hut auf der Seite und die Hand am Geldseckel, über himmlische und irdische Dinge ab, daß Funken davonfahren, als ob die sieben Weisen Schnuderbuben gegen sie wären und jeder von ihnen eine lebendige, herumwandelnde Universität mit allen vier Fakultäten und den sieben freien Künsten im Leibe. Und wenn sie zufällig eine Tabakspfeife im Maul haben, dann will ich niemand raten, ihnen zu widersprechen. Jupiter mit Blitz und Donner in beiden Händen, im Begriff, Städte, Länder zu zerschmettern, muß ein lieblich Mieneli gemacht haben, mit dem Gesicht verglichen, das ein Frevliger macht, wenn er eine Tabakspfeife im Maul hat und Widerspruch vernimmt. Die Flüche entströmen ihm nicht einzeln, sondern dutzendweise, und die »Himmelsdonner« und »Dr Tüfel soll mih näh« hängen aneinander wie Fröschmalter, und je gebildeter er sich glaubt, um so länger und um so gräßlicher flucht er, daß einem dünkt, er sei nicht bloß eine lebendige Universität, sondern auch eine lebendige Dampfmaschine, die Flüche fabriziert en gros. Wenn sie von weitem eine Wahrheit hören, seis nun eine religiöse oder eine medizinische, eine politische oder juridische, so blähen sie sich dagegen auf mit Schnauben und Tabak, als ob sie Schwefel unter der Nase fühlten. Wenn ihnen aber ein halbwitziger Gumi oder ein am Verunglücken begriffener juridischer oder medizinischer oder politischer Spekulant die sinnlosesten Unwahrheiten, die wüstesten Lästerungen vorplaudert, so tut es ihnen wohl durch den ganzen Leib; sie strecken wohlbehaglich die Beine von sich aus, und wohl Einer oder der Andere steht auf, schlägt auf den Tisch und brüllt, indem er Maul und Augen aufreißt, daß sein ganzes Gesicht nur ein[249] Loch scheint: »Dä het jetz auf meine armi türi Himmelsgottsseel recht, dä vrfluecht Millionstusigsdonner!« Diese Leute sind ein fürchterlicher Beweis von einem menschlichen Zustande, in welchem man nur Lügen zu lieben, zu glauben imstande ist; sie beweisen die Wahrheit der Worte, daß nur, wer aus der Wahrheit ist, ein wahrhaft Gemüt in sich trägt, Wahrheit begreifen, lieben und glauben kann. Wer diese psychologische Wahrheit im Auge behält, der kann sich gar manches Rätsel im Staatenleben erklären, und gar manche Erscheinung, mit der er sonst nichts zu machen wußte, wird ihm deutlich. Wenn der widerlichste, wüsteste, selbstsüchtigste Lümmel mehr Glauben, mehr Anhang findet als der aufrichtigste Menschenfreund, so weiß er, was da einzig trösten kann.

Als sie dort vor das Wirtshaus fuhren, worin Johannes der Wirt war, so kam der Stallknecht, das Pferd abzunehmen. Kinder stunden vor dem Hause, aber bewegten sich nicht, Gesichter fuhren vom Fenster weg und zeigten sich nicht. Ds Elisi stund da vor dem Wirtshaus in grüner Seide, mit halb verfrornem Gesicht, wie ein Krautblatt im Winter, und Uli packte aus, Pack um Pack, die ihm niemand abnahm. Als endlich alles ausgepackt, das Pferd längst im Stall war, wanderten sie der Haustüre zu, bei den Kindern vorbei, die sie mit großen Augen anglotzten, die liebe Tante weder mit Gebärden noch Worten begrüßten, sondern sich herumschlenggeten und den Rücken wiesen, wenn man sie anreden wollte.

Endlich, als sie unter der Haustüre waren, kam Johannes durch den Gang und grüßte zärtlichst seine Schwester: »Bunschur! Bunschur! Was Donners kömmt dir jetzt in Sinn, daß du zu uns kommst? An dich hätten wir jetzt nicht gesinnet. Wo Donners wottst du hin mit deinen Bünteln?« Den Uli grüßte er vertraulich und hätte ihm sogar die Hand gegeben, wenn Uli eine freie gehabt hätte. Ds Elisi sagte, es hätte Längizyti[250] gehabt und es hätte es düecht, es möchte einist zu ihnen zDorf cho. »Dr Vater und dMuetter lassen dich grüßen.« Somit hatte Johannes eine Stube geöffnet, wo die honetteren Reisenden eintraten, und ds Elisi hineingeführt. Uli legte seine Packs ab und ging, Johannes ihm nach, sagend, er wolle es seiner Frau sagen, daß es da sei. Die aber hatte Elisi wohl gesehen, Johannes brauchte es ihr nicht zu melden. Er ging Uli nach, der zu seinem Roß sehen wollte, sprach mit ihm des Langen und Breiten darüber, zeigte ihm dann seine Pferde und Kühe und machte ihm zwischendurch Vorwürfe, daß er nicht zu ihm gekommen; er hätte ein ander Leben bei ihm haben sollen, als er in der Glunggen habe, wo ein ewig Gchär sei und man es nie treffe, bald zu wenig, bald zu viel mache. Unterdessen saß ds Elisi alleine in der Wartstube, sah sich zuerst die greulichen Helgen an, welche an den Wänden hingen zu großer Erbauung manches Kindbettimannes, der nie etwas Gemaltes gesehen als die Wegweiser, die Kirchenzyt und Hochzeitschäfte und -tröge. Nachdem es diese und endlich alles andere angesehen, was in der Stube war, so fing es an auszupacken, und Trinette kam noch immer nicht und niemand offerierte dem Elisi etwas, nicht einmal etwas Kaltes, verschweige etwas Warmes. Trinette machte nämlich die Toilette. So wie sie war an diesem Nebeltage, mit angelaufenem Mänteli und Fingern, ohne Gufen und Ringe, in Schuhen ohne Hinterstück und Kittel ohne Häfte, einer gemeinen Haarschnur und wohlfeiler Ärgäuer Scheube, wollte sie sich vor Elisi, das sie schön seiden gesehen, nicht zeigen. Während nun Trinette sich sträubelte und aufzäumte, blies Elisi unten Trübsal und nahm sich allerhand vor, was es tun und sagen wolle. Mitten in den besten Entwürfen rauschte Trinette heran und sagte: »Bonsoir, Elise; es freut mih, dih z'seh!«, und Elisi sagte: »Merci, Trinette; ich ha glaubt, mi heyg mih ganz vrgesse.« Trinette entschuldigte sich, daß sie noch mit[251] der Näherin zu tun gehabt, die ihr das Mäß zu einem neuen Tschöpli habe nehmen müssen, und sie habe geglaubt, der Mann sei da. Unterdessen musterten die beiden Schwägerinnen einander mit Kenneraugen von oben bis unten, und während Trinette in stolzer Freude, diesmal dr Däche z'sy, Elisi Erfrischungen anbot, der Köchin und der Stubenmagd Befehle gab, sagte Elisi, es möchte in ein Stübli, sich anders anzuziehen. Es hätte für die Reise das Leydest angezogen, wo es gehabt. Es sei nicht gewohnt, in solchen Kleidern zu sein, und möchte sich auch öppe anziehen, wie es der Brauch sei. Gäb was nun Trinette einwandte, Elisi sei ja so de bon goût angezogen, wie wenn es grad aus dem Weltschland käme, setzte es Elisi doch durch, daß man ihm eine Stube anwies und eine Magd ihm alles nachtrug. Drunten wurde nun auf, getragen allerlei Gutes, die Köchin mußte Strübli machen, und der Johannes sollte Neuenburger holen im Keller, tat aber nur Roquemoore in eine Neuenburgerflasche und sagte für sich: »Was wissen doch die, was Neuenburger ist! Roquemoore tuts denen zwee Gäuggle wohl.«

Endlich erschien Elisi, und diesmal nicht grasgrün, sondern schön himmelblau, mit brodiertem Mänteli, großer Gufe, goldener Uhrenkette, Haften am Kittel wie Zwanziger und Göllerketteli, die es ganz vorniederzogen und deren Blämpel mit Gold ausgelegt waren. Es war eine helle Pracht, wie das funkelte und so neu und schön aussah. Trinette ward ganz grün und gelb vor Neid und war auf dem Punkte, die Strübleni abzusagen. Indessen besaß sie sich doch und rühmte Elisis Pracht, aber stichelte dabei: Wie es gar kommod sei, hoffärtig zu sein, wenn man noch bei Vater und Mutter sei, da möge es alles erleiden. Wenn man aber für alles selbst sorgen müsse und noch Kinder habe, so tue einem das die Nase hintere. Sie hätten Beide noch nichts geerbt, und wenn ihre Eltern nicht so gut gegen sie wären, sie könnten es nicht machen.[252] Wenn man schon grusam viel verdiene, so gehe doch grusam viel darauf so in einer Wirtschaft. Elisi wurde nun ganz zweg, aß und trank nach Herzenslust, rühmte die Strübli und besonders den Neuenburger. Der Vater müsse auch solchen anschaffen, sagte es, er hätte immer nur so Kuttlenrugger, wo man im Weltschland damit den Mäusen vergebe; man sage ihm Taveller, er komme da von Biel her. Nun packte Elisi auch seinen Kram aus, unter dem feines Guttuch zu einem Tschöpli für Trinette war, über das dieselbe aber gar sehr die Nase rümpfte. Sie sei gar froh darüber, sagte sie, es sei schön warm, und sie hätte schon lange so etwas gemangelt, sie sei voriges Jahr beim Sauerkabiseinmachen schier erfroren im Keller. Freilich machten solches die Mägde, man müsse doch aber auch zuweilen sehen, wie sie es machen. Die Diensten seien heutzutage gar schlecht, sie luegten nur zu sich. Das war die längste Rede, welche diesen Abend Trinette hielt.

Da kriegte Elisi doch nach und nach Langeweile. Aus der Nebenstube ertönte Gelächter, der Stoff der Rede ging ihm aus, und es düechte ihns, es sei doch schade, wenn niemand in Frevligen seine himmelblaue Bkleidig sehe als die mißgünstige Trinette und die dumme Stubenmagd, die noch mit keinem einzigen Wort ihre Bewunderung bezeugt hatte. Immer mehr wuchs ihm der Glust, wenn die daneben doch auch sehen könnten, wie schön es bkleidet sei; vielleicht wäre einer darunter, der ihm gefiele, und da könnte sich eine gute Partie machen ungsinnet. Es müsse daheim versauren und komme den Leuten nicht vor die Augen, da sei es doch kein Wunder, daß es noch keine Partie gemacht. Darum wolle es doch, wenn es einmal fort sei, nicht in einem Hinterstübli vrgrauen und sich vor niemand zeigen. Aber Trinette, wie sehr auch Elisi um die Stauden schlug, tat keinen Wank, und wenn es fragte, wer wohl drüben sei, so sagte Trinette, es werden die Säutreiber sein von Lutern oder von Eschlismatt. Aber es[253] düechte Elisi, die Säutreiber von Lutern sollten nicht so mögen lachen, und endlich sagte es, sein Knecht werde wohl auch dort sein? Trinette sagte, er werde wohl. Da sagte Elisi, es müßte doch gehen und ihm sagen, wann sie morgen fort wollten, es hätte ihm noch nichts befohlen. Trinette aber antwortete, es wolle ihn kommen lassen, man könne ihm hier ja auch befehlen. Aber Elisi wollte hinüber, stund auf, entschuldigte sich, daß es nicht Mühe machen wolle, und tat die Zwischentüre auf.

Drinnen saßen an zwei Tischen, einem den Fenstern, einem der Wand nach, viele Männer, fluchend, lachend, rauchend, trinkend, spielend. Es waren aber allerdings nicht Säuhändler von Lutern, sondern alte und junge Frevliger, die an ihrem gewohnten Abendwerk saßen; denn da war des Wirtshauses wegen alle Tage Sunntig, in der Kirche aber alle Tage Werchtig. Bei ihnen saßen Johannes und Uli, der Letztere vom Erstern zu Gast gehalten mit Tabak und Wein. Langsam kam aus dem dunklen Hintergrunde das himmelblaue Elisi, stüpfte dem Uli auf die Schulter und sagte ihm, sie wollten am Morgen zeitlich fort, er solle machen, daß zu rechter Zeit gefüttert sei. Jenseits dem Tische saß ein lustiger Gerichtsäß, der fragte: Was das für eine schöne Jumpfere, für ein hoffärtig Meitschi sei, ob ers ihm bringen dürfe? Ein Wort gab das andere. Elisi saß bald auf einem leeren Platz und lebte wohl an den Späßen der Alten und Jungen, sagte aber nicht viel, sondern lachte nur zimperlig und fuhr oft mit dem schönen Schnupftuch manierlich zur Nase, wobei man die Fingerringe sah, und zog oft an seiner goldenen Kette, wobei man dann eine kleine goldene Uhr sah nach alter Façon, wie man sie wohlfeil beim Uhrenmacher kauft. Elisi saß da gar wohl, mehr als zwei Stunden lang, und hatte seine Schwägerin ganz vergessen.

Als endlich niemand mehr viel zu ihm sagte, ging es wieder[254] in die Nebenstube. Da war aber keine Trinette mehr, sondern nur die Stubenmagd, die Tisch deckte und sagte, Trinette sei zu Bette gegangen, sie hätte gar Zahnweh gehabt. Obs öppe öppis angers syg? fragte Elisi. Sie wisse es nicht, sagte die Stubenmagd; daneben könnte es wohl sein, wunderlich genug sei sie dafür. Das war Elisi angeholfen, und vielleicht wären die Beiden die ganze Nacht hinter Trinette gewesen, wenn nicht die Köchin mit einem Fluch zur Türe hereingefahren wäre: Ob es aber angebacken sei, daß es die Suppe nicht hole? Es brännte draußen alles an. Als aufgetragen war, kam Johannes mit Uli und fluchte nicht wenig, als er nur zwei Teller sah; fluchte über seine Frau, daß sie schon im Nest sei, e selligi Plättere gebe es keine mehr im Kanton, entweder fehle es ihr am Gring oder im Gring; fluchte über die Stubenmagd, daß die Dolder Gans nicht drei zählen könne oder meine, sie fressen wie dSäu aus einem Trog. Johannes behandelte Uli wie einen alten Kameraden und sagte ihm alle Augenblicke: »Seh suf! Seh friß!« Mit Elisi war er nicht halb so freundschaftlich, sondern fragte bloß: »Wotsch?«, und wenn Elisi Nein sagte, so sagte Johannes: »He nu, so hesch scho gha!« Daneben spottete er über ihns: Obs nicht bald einen Mann habe, am Wollen fehle es nicht. Er wollte an seinem Platz lernen eine Suppe machen und Strümpf plätzen, vielleicht bekäme es dann einen. »Vielleicht nähmte dich Uli,« sagte er, »wenn du ihn fragst, soll er diese Nacht etwa bei dir liegen?« Mit solchen brüderlichen Späßen würzte Johannes das Mahl.

Am folgenden Morgen sah man Uli zuerst, nicht gar viel später erschien Johannes, zu großem Schreck seines Gesindes, zu eigenem großem Zorn. Jedes pflegte seiner Behaglichkeit, im Glauben, der Meister tue es ebenfalls; der Meister faulenzte, im Glauben, es wüßte jeder Dienst, was er zu tun hätte. Als er nun einmal zur unerwarteten Stunde aufstund, da erfuhr[255] er, was die Faulheit der Meisterleute für Wirkung tut auf die Diensten. Er fluchte sich fast die Zähne aus dem Maul, die Zehen ab den Füßen, aber am andern Morgen lag er wieder bis gegen neune; was half da das Fluchen? Was kann in einem Wirtshause alles gehen von morgens fünf bis um neune, wo der Herr Wirt und die Frau Wirtin aufstehen! Nirgends straft wohl Gott die zeitlichen Sünden schneller und deutlicher als die der Wirte, welche überwirten. Wenn Wirt und Wirtin nicht Ruhe schaffen in ihrem Hause zu rechter Zeit mit Hudeln, mit Spielen oder auch nur Dasitzen und Zusehen, wie Andere hudeln über die Zeit, so haben die Einen einen schweren Kopf und zitternde Glieder am Morgen, die Andern mögen sonst nicht auf, und während dieser Zeit geht ihnen weit mehr zugrunde, als sie am Abend verdient haben, und zum Trinkgeld haben sie den ganzen Tag den schweren Kopf, die faulen Glieder, zum Trinkgeld haben sie ein böses Alter und schlechte Kinder, und was Mancher am Ende seines Lebens davonbringt, ist Bettlerbrot, Spitalsuppe und ein schlechter Strohsack. O wenn mancher Wirt wußte, was ginge, ehe er aufsteht, er würde wohl am Abend früher Feierabend machen.

Johannes donnerte und wetterte, solange er seine verstrupften Diensten sah, welche die Gaststube noch nicht aufgeräumt, die Kühe nicht gemolken, die Pferde nicht gestriegelt hatten, und auf dem Wege zu seinem Lande, das er Uli zeigen wollte, klagte er gar bitterlich über alle seine Diensten, wie sie alle nichts wert seien und wie er hundert Kronen geben wollte um einen guten Knecht. Er wußte noch nicht, daß ein schlechter Meister nie gute Diensten hat, daß die einen unter ihm schlecht werden, die, welche gut bleiben wollen ihm weglaufen müssen.

Als sie endlich zurückkamen von ihrem Beschauen, fanden sie das Elisi diesmal ganz in schwefelgelber Montur, das heißt[256] in schwefelgelbem Tschöpli und Fürtuch, betrübt in der Nebenstube, wohin man eben das Frühstück gebracht hatte, zirka um halb zehn Uhr: Strübli von gestern, Anken, Käs, Nidle, Kaffee und schönes weißes Brot. Trinette ließ sich nicht sehen. Es hieß, sie hätte in der Nacht nicht schlafen können und mache jetzt etwas nach. Nachdem man fertig war, sagte ds Elisi noch nichts vom Anspannen. Johannes führte den Uli in seine Keller, und ds Elisi spazierte schön schwefelgelb vor dem Hause auf der Tärasse, im Garten, ums Haus herum, die Handschuhe an den Händen, das Nastuch darin, spazierte hin und her, auf und ab, bis es endlich eilf Uhr schlug. Da winkte es dem Uli und sagte: Sie müßten fort, er solle zwegmachen, es wolle gehn und sich anders an, ziehen; sobald es fertig sei, müsse er anspannen. Es ging fast eine Stunde, bis ds Elisi grasgrün wieder zum Vorschein kam. Und wer saß da prächtig in schokoladefarbener Seide (Donna Maria war noch nicht Mode), kostbar um und um, hinten Silber und vornen Gold? Es war Trinette, Trinette, welche die schwefelgelbe Pracht nicht sehen wollte und auf das grasgrüne Elisi gewartet hatte, um ihm zu zeigen, daß es dann auch noch Kleider hätte, wenn es sich zeigen wolle und wenn es schon noch nicht geerbt hätte und nicht mehr daheim sei. Ds Elisi wurde noch einmal so grün, als es die vor ihm sitzende Herrlichkeit sah, und brachte seinen Mund gar nicht auf zu einem Bonjour und der Frage nach dem Zahnweh. Hingegen Trinette tat wohl etwas schmächtig, war übrigens die Freundlichkeit selbst, wollte Elisi nötigen, heute (so grasgrün) noch dazubleiben. Als alle Bitten umsonst waren, erhielt die Stubenmagd Befehl, schleunig den Tisch zu decken und aufzutragen, gäb wie Elisi wehrte, weil sie erst dischiniert hätten.

Es war ein stattlich Essen da, das Beste, was das Haus vermochte, allein es schmeckte heute dem grasgrünen Elisi nicht halb so gut als gestern dem himmelblauen; sobald es Trinette[257] ansah, stockte ihm der Bissen im Halse, selbst dem Johannes sein Neuenburger hatte heute einen ganz andern Geschmack als gestern. Es hatte keine Ruhe, bis angespannt war.

Als endlich angespannt, alles eingepackt war, ds Elisi im Sitz saß, wollte Uli vorauf, aber Johannes tat es nicht. Er solle doch nicht ein Narr sein, sagte er, sie werden da innen einander nicht beißen, nicht kräbeln, hingegen draußen regne es und sei unlustig. Sie sollten sich nur gut zusammenlassen, so hätten sie nicht kalt; man sei ja dafür auf der Welt, für einander zu helfen. Uli mochte wollen oder nicht, er mußte hinein, und ds Elisi ruckte weg, drückte sich in eine Ecke und ließ sich nicht hervor, bis sie weit außer Frevligen waren.

Endlich hob es den Kopf auf und sagte, es sei froh, daß sie auf dem Heimweg seien; ds Bruders seien wüste Leute, er sei ein Grobian, ein Unflat, Trinette ein böses Mönsch, e halbe Narr. Die werden schön für den Hag hinaus husen. Sie könnten Beide wohl brauchen, aber nichts verdienen; was das Maul wolle, müsse gefressen, was den Augen gefalle, gekauft sein. Für die ledig zu bleiben, die es nur für einen Narren zu halten begehrten, dazu sei es nicht dumm genug, und sollte es einen von der Gasse nehmen, so wollte es heiraten, nur daß die keinen Kreuzer von ihm bekämen. Wenn einst Vater und Mutter gestorben seien und es noch keinen Mann hätte, so wüßte es wohl, wie es ihm ginge; die würden es eingänterlen, bis es murbe genug zum Erben wäre. Aber es sei ihnen noch zu schlimm und wolle dem Trini sein schokelaseidenes Tschöpli eintreiben. Eins, das hunderttausend Pfund erben könne, lasse so das Spiel nicht mit sich treiben. Auf den Reichtum brauche es nicht zu sehen, es vermöchte einen Mann zu erhalten, daß sie Beide gut haben könnten. Aber hübsch müßte er sein und frein, es wolle Freude an ihm haben können. Die Alten scheue es nicht, wenn es wüst tue, so könne es bei ihnen alles zwängen. Wenn es nume afe einer wollte,[258] noch heute wollte es die Sache richtig machen, nume ihnen zTrutz. Nit, es hätte bereits gar Manchen haben können und sie alle abgewiesen, sie hätten ihm nicht gefallen. Aber jetzt meine die Göhle, es wolle gar Keinen und es dürfe sich niemand mehr an ihns lassen. Wenn es vornen anfangen könnte, so machte es es ganz anders; es nähme den Erstbesten, so riskierte es wenigstens nicht, daß es für den Hag hinaus käme. So redete ds Elisi aus seinem ingrimmigen Herzen und rückte immer mehr aus seiner Ecke hervor und sagte: »Uli, du mußt nit so schüch sy!« Kurz, aus lauter Täubi wurde ds Elisi unter dem Fußsack recht zärtlich; bloß den Kopf hielt es, solange es Tag war, in angemessener Entfernung. An dem Städtchen ließ es vorbeilenken und bestimmte einen unbedeutenden Ort zum Füttern. Uli ward es bei dem allem wunderlich zumut; indessen vergaß er nicht, daß seines Meisters Tochter neben ihm sitze, machte von ihrem Gerede keine besondere Anwendung auf sich und von allem Näherrücken keinen Gebrauch, trotz der Aufforderung, nicht so schüch zu sein.

Diesmal bannisierte ds Elisi Uli nicht zu einem aparten Schoppen nebenaus, sondern ließ gleich eine Halbe für sie Beide bringen und dann etwas auf einem Teller, und dann schien ihm dieser Wein noch nicht gut genug, sondern es befahl vom mehbessern und dem Kohli noch ein Immi, ließ sich da zBoden wohl sein und sorgte dafür, daß es dem Uli und dem Kohli nicht übler sei. Der Erstere mußte Hammeschnittli essen, bis er zuletzt glaubte, selbst eine Hamme zu sein.

Als sie wieder fortfuhren, irrte der Sonnenschein, die Tagesheiteri nicht mehr, und ds Elisi wurde auch oberhalb des Fußsackes zärtlich, lehnte sich an Uli an und redete allerlei, bis es endlich sagte: Es gelüste ihns, ihm ein Müntschi zu geben, ob er etwas dawider hätte? Seit dem Weltschland hätte[259] es keine mehr gegeben, es müsse doch probieren, ob es das noch könne. Im Weltschland hätte man beim Pfänderspiel ihm immer gesagt, es könne das Keins so gut wie es. Was sollte Uli dagegen haben? Ds Elisi küßte ihn nun nach Herzenslust ab, und er gab wohl hie und da ein Müntschi wieder, aber ziemlich kaltblütig. Dem Elisi waren sie wirklich auch wohl kalt, und es meinte, dem Vreneli würde er wärmere geben und ungeheißen. Uli wollte von Vreneli nichts wissen und sagte, dem hätte er noch keine gegeben, er wußte nicht, wie dazu kommen. Elisi meinte, das sei doch kurios; es seien nur Müntscheni und täten eim doch so wohl, man wurde es niemand glauben, wenn man es nicht selbst erfahren täte. Und es, eine reiche Tochter, hätte so manches Jahr keine er, halten, daß es ganz vergessen gehabt, wie wohl sie eim täten. Aber das müß ihm künftig nicht mehr so gehen, »gäll, Uli?« Als Uli antworten wollte, tat der Kohli einen Satz, daß sie Beide hoch auffuhren, wollte in einen Acker hinaus, daß Uli mit beiden Händen wehren mußte. Endlich wieder gerade auf der Straße, war er so ertaubet, daß Uli aus Leibeskräften ihn halten mußte. Da war es mit dem Küssen aus und Elisi froh, daß es mit ganzen Gliedern heimkam.

Quelle:
Jeremias Gotthelf: Ausgewählte Werke in 12 Bänden. Band 1, Zürich 1978, S. 241-260.
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