Zwanzigstes Kapitel

[260] Uli kriegt Gedanken und wird stark im Rechnen


So lief die Fahrt glücklich und unschuldig ab, aber nicht ohne Folgen. Es stieg Uli nach und nach doch zu Haupt, daß er da leicht zu einer reichen Frau kommen, glücklich werden könne. Denn so unsinnig es ist, so ist doch im gemeinen Sprachgebrauch Glücklichwerden und Reichwerden gleichbedeutend. Man hört ja so oft: »Der kann wohl, der ist glücklich gewesen im Heiraten und hat mehr als zehntausend Pfund[260] erwybet. Freilich ist seine Frau ein Laschi und er hat viel mit ihr, aber was macht das, wenn man Geld hat? Das Geld ist doch die Hauptsache.« Von dieser allgemeinen und doch so unbegründeten Ansicht war Uli nicht frei, wollte er ja doch auch reich, ein Mann werden. Wenn er an Elisi Äußerungen dachte, die freilich im Nebel und im Regen getan waren, so kam es ihm immer wahrscheinlicher vor, daß es ihn nehmen würde, wenn er es recht begehrte. Der Bruder hatte ihn so freundschaftlich behandelt, so viel Zutrauen ihm gezeigt, daß er meinte, der würde wirklich nicht sehr darwider sein. Wenn es einer sein müßte, so wäre er ihm lieber als mancher Andere. Den Eltern, dachte er, wäre es wohl im Anfang nicht recht, und sie wurden wüst tun; aber wenn einmal Elisi es erzwängt hätte, die Sache geschehen, so machte es ihm keinen Kummer, ihnen lieb zu werden.

Der Gedanke, einmal auf der Glungge Bauer zu sein und so ganz frei schalten zu können, tat ihm gar unendlich wohl. In zwanzig Jahren, rechnete er manchmal aus, wollte er gut noch einmal so reich sein, der ganzen Gegend wolle er zeigen, was das Bauren könne. Es stieg ein Plan nach dem andern vor ihm auf, wie er es anfangen, was er alles vornehmen wolle, was der Pfarrer sagen werde, wenn er mit der reichen Tochter die Hochzeit angebe, was die Leute in seiner Heimat sagen werden, wenn er einmal mit eigenem Roß und Wagen daherkomme und es heiße, der Uli hätte sechs Roß im Stall und zehn Kühe von den schönsten! Freilich, wenn er dann das Elisi schlärplen sah, so gab es ihm einen Tolgg in seine Rechnung. Er sah wohl, daß es für die Haushaltung nichts, daneben wunderlich und bräuchig und mit allem unzufrieden sei. Das Letztere würde bessern, dachte er, wenn es einen Mann hätte. Er vermöge dann Diensten zu haben, es gehe sonst, wenn die Frau nichts mache; bei solchem Reichtum möge es wohl etwas erleiden. Es sei bei einer jeden etwas zu[261] scheuen, er hätte noch von Keiner gehört, die gewesen sei, daß man nicht noch etwas anderes gewünscht. Reich, reich, das sei doch immer die Hauptsache. Und doch, wenn er Elisi sah, so wollte es ihm erleiden. Das verschienene Tirggeli, Hämpfeli kam ihm gar zu unappetitlich vor. Wenn es ihn mit seinen feuchtkalten Händen anrührte, so schauderte es ihn, es war ihm, als müsse er den Fleck abwischen, den es berührt. Wenn er es erst reden hörte, so zimperlig und doch so dumm, so wollte es ihn aus der Stube treiben, und er mußte für sich denken; »Nein, bei dieser haltest du es nicht aus; bei jedem Wort, das sie sagt, müßtest du dich ja schämen.« Aber wenn er dann von Elisi weg war, so sah er wieder den schönen Hof, hörte das Geld klingen, sah sich im Ansehen, und es kam ihm vor, als sei Elisi doch so wüst nicht, und nach und nach wollte es ihn dünken, als sei es wirklich gescheuter, als man glaube, und wenn es Liebe zu einem hätte und man vernünftig mit ihm rede, so wäre noch etwas mit ihm zu machen und bei einem rechten Mann könnte es noch eine recht vernünftige Frau abgeben.

Das alles ging nur in Ulis Kopf vor, allein es ist nichts so rein gesponnen, es kömmt doch endlich an die Sonnen. Die Reise hatte Elisi und Uli vertraulicher gemacht, es war ein anderer Ton, in dem sie zueinander redeten, und mit den eigenen Augen eines gewissen Einverständnisses blickte ihn ds Elisi an. Uli freilich suchte die Augen zu meiden, besonders wenn sie in Vrenelis Gesichtskreis waren. Denn so wie Elisis Reichtum ihn alle Tage heftiger lockte, so schien ihm Vreneli alle Tage hübscher und anschlägiger. Am besten, dachte er oft, würde es gehen, wenn Vreneli bei ihnen bleiben und die Haushaltung machen wurde. Mehr als früher zog Elisi Uli nach, und wenn es an einem Sonntagnachmittag einen Augenblick alleine mit ihm in der Stube war, so ruhte es nicht, bis es ans Küssen kam. Es wäre für sein Leben gerne wieder[262] einmal mit ihm ausgefahren, allein es wußte nicht wohin, und an die Märkte kamen Vater oder Mutter mit. Indessen, hätte Uli Böses im Sinne gehabt und auf schlechtem Wege zu einer Heirat kommen wollen, wie man deren Beispiele von Schlechtern, als Uli war, viele hat, Elisi hätte Gelegenheit genug dazu gegeben und in sich nichts getragen, das ihns davor geschützt. »Uli, bis nit so schüch!« hatte es vielleicht noch gesagt. Aber Uli war brav, begehrte nichts Böses, mied solche Gelegenheiten, ging der Anlässigkeit von Elisi recht oft aus dem Wege, wollte viel lieber Elisi verdienen als verführen. Er arbeitete um so emsiger, ließ sich alles besonders angelegen sein und wollte sich das Lob erwerben: wenn er schon jetzt nicht reich sei, so könne es ihm bei solcher Anstelligkeit nicht fehlen, es zu werden. Das, glaubte er, werde so viel bei den Eltern ziehen als viele tausend Pfund. Er dachte nicht an das Schreckenswort: Ume dr Knecht!

Nun aber hatten die Nebendiensten auch Augen im Kopf, und weit eher, als Uli noch an etwas gedacht, hatten sie Elisis zutäppisches Wesen bemerkt und Uli damit aufgezogen. Sie schrieben immer mehr seine Tätigkeit der Absicht zu, Tochtermann zu werden. Die Veränderung seit der Reise blieb ihnen nicht verborgen. Sie ersannen allerlei Märlein über die Vorgänge auf derselben, stichelten Uli ins Angesicht und verleumdeten hinter seinem Rücken. Alle Zumutungen, die er machte, deuteten sie, als ob er sich nur auf ihre Kosten wert machen wolle, nahmen sie daher böse auf, stellten sich ungebärdig und dachten, dem wollten sies vrha. Sie paßten Elisi und Uli auf, wo sie nur konnten, suchten ihr zufällig oder absichtlich Beisammensein zu stören oder zu belauschen, allerhand Schabernack ihnen zu machen, und hätten gar gerne irgend ein grobes Ärgernis aufgedeckt, aber dazu gab Uli keine Gelegenheit. Noch ging die Wage bei ihm auf und ab. Es[263] erleidete ihm manchmal Elisi und das Dasein in der Glungge, daß er gerne hundert Stunden da dänne gewesen wäre. Das Mädchen aber ward immer verliebter, kramete Uli bei jeder Gelegenheit, verehrte ihm mehr, als er annehmen wollte, tat so narrochtig mit ihm, daß es endlich selbst den Eltern auffiel. Joggeli muckelte: Da hatte man es jetzt, da könne man sehen, was Uli eigentlich im Schilde führe, dem wolle er aber einen Strich durch die Rechnung machen. Indessen tat er nichts; insgeheim hätte er es seinem Sohn, der ihn so oft bschummelte, gönnen mögen, wenn Elisi einen dummen Streich gemacht und hätte heiraten müssen.

Die Mutter nahm das mehr zu Herzen und sprach Elisi zu: Es sollte doch mit Uli nicht so narrochtig tun und auch denken, was die Leute sagen und wie sie es auf die Trommel nehmen werden. Es schicke sich doch wahrhaftig nicht für ein reiches Meitschi, mit einem Knecht zu tun wie mit einem Schatz. Nit, sie hätte nichts wider Uli, aber er sei doch immer nur der Knecht, und es werde doch keinen Knecht wollen. Dann plärete ds Elisi und sagte: Es sei alles nicht recht, was es mache, man hätte in Gottsname immer mit ihm zu balgen; bald halte man ihm vor, es sei zu hochmütig, bald, es mache sich zu gemein. Wenn es mit einem Knecht ein freundlich Wort rede, so mache man ihm einen Lärm, einen ärgern könnte man ihm nicht machen, wenn es schwanger wäre. Aber man gönne ihm in Gottsnamen keine Freude und alles sei nur auf ihm. Es wäre ihm am wöhlsten, wenn es bald sterben könnte. Und Elisi plärete dabei immer heftiger, bis es keinen Atem mehr hatte, die Mutter in aller Eile das Göllert auftun mußte und wirklich glaubte, das Elisi wolle sterben. Dann schwieg die gute Mutter wieder, denn sie wollte wirklich nicht, daß ds Elisi sterbe. Sie klagte nur zuweilen Vreneli, sie wisse nicht, was sie da machen solle. Tue sie wüst, so wär ds Elisi imstand, etwas Ungeschicktes zu machen; lasse[264] sie es gehen und geschehe dann wirklich auch etwas Ungeschicktes, so werde sie an allem schuld sein sollen und man werde sagen, warum sie nicht zu rechter Zeit dazu getan. Aber einmal jetzt wüßte sie nichts zu machen. Über den Uli könne sie nicht klagen, er führe sich vernünftig auf und sie glaube, es sei ihm eher zuwider. Und so mir nichts dir nichts, bis man mehr zu klagen habe, ihn fortzuschicken, reue sie auch. Und wenn sie es täte, so wäre Joggeli der Erste, der ihr immer vorhielte, sie hätte aus leerem Kummer den besten Knecht fortgeschickt, den sie noch gehabt. Aber er mache es immer so: da, wo sie möchte, daß er rede, da schweige er, und wo er schweigen sollte, da möffele er drein. Vreneli solle immer gut Achtung geben, und wenn es etwas Apartes sehe, es ihr sagen. Aber von Vreneli hatte die Alte wenig Trost, das tat, als ob die Sache ihns nichts anginge. Ds Elisi konnte sich nicht enthalten, dem Vreneli von Uli zu reden, wie er ein Hübscher und Freiner sei und wie es sich nicht verschwören wolle, daß es ihn nicht noch einmal heirate; wenn sie es einmal taub machten und ihm nicht tun wollten, was es begehre, so sollten sie nur sehen, was es mache. Es besinne sich dann nicht lange und es brauche nur ein Wörtlein zu sagen, so gehe Uli und gebe das Hochzeit an. Wenn Vreneli dann auch zu diesem wenig sagte, so hielt ds Elisi ihm vor, es sei schalus. Oder wenn Vreneli ihm zusprechen wollte, es solle doch Uli nicht so zum Narren halten, es begehre ihn doch nicht, oder es solle den Eltern nicht diesen Verdruß machen, so hielt es ihm vor, es möchte Uli selbst und wolle ihns nur abspenstig machen, um selbst ans Brett zu kommen; aber so eine mit einem blutten Füdle nehme Uli nicht, dafür sei er zu gescheut. Es solle sich nicht einbilden, daß es so bald einen Mann bekäme; der leidest Knecht besinne sich, ehe er so ein arm Meitli nehme, und zweimal, ehe er ein unehliches nehme. Das sei immer noch die größte Schand, die es gebe. Obgleich Vreneli[265] solche Reden tief empfand, so ließ es es doch nicht merken, weinte nicht und zankte nicht, sagte höchstens: »Elisi, daß du nicht auch unehlich bist, dafür kannst du nichts, und daß du nicht schon ein Unehliches hast, daran bist du auch nicht schuld.«

Am meisten Not machte Vreneli das eigene Betragen gegen Uli. Je mehr diesem Elisis Geld zu Kopfe wuchs, desto mehr fühlte er sich zu Vreneli gezogen; er konnte es gar nicht leiden, wenn es ihm kurzen Bescheid gab oder böse über ihn schien, und suchte es auf alle Weise zu versöhnen, gut zu stimmen. Er floh Elisi oft und suchte es nie auf; er floh Vreneli nie, suchte es aber oft auf, während es ihn floh und Elisi ihn suchte. Vreneli wollte mit Uli kurz sein und trocken, und doch konnte es, wenn es den besten Vorsatz hatte, oft nicht anders als freundlich mit dem freundlichen Burschen sein, konnte zuweilen sich bei ihm vergessen und zwei, drei Minuten mit ihm schwatzen und lachen. Wenn das dann zufällig ds Elisi sah, so gab es gräßliche Geschichten. Zuerst hielt es Vreneli die wüstesten Sachen vor, bis es nicht mehr reden, kaum Atem finden konnte. In diesem Zustande schoß es manchmal an ihns hin und hätte es prügeln mögen, wenn es ihm nicht an Kraft gebrochen hätte. Dann ging es über Uli her; er mußte hundertmal hören, daß er ein Unflat sei und nur der Knecht. Und es sehe jetzt, was es zu erwarten hätte, wenn es so dumms wäre, wie man meine. Aber es sei Gottlob noch früh genug und es wolle nicht so ein Narr sein, sein Geld einem zu bringen, von dem es fürchten müsse, er verbrauche es mit Huren. Dann fing es an zu heulen über solche Falschheit, und wie es sterben wolle. Manchmal versöhnte es sich schon während diesen Tränen und Uli mußte versprechen, nicht mehr Andern nachzulaufen, dem wüsten Vreni, das ihn locken, verführen wolle, kein gutes Wort zu geben. Bald dauerte der Unfriede lange, und ds Elisi kupete. Dann[266] kam es Uli doch vor: eine, die so schalus sei, die ihm den Knecht so oft vorhalte, so heulen oder kupen könne, sei doch nicht die liebenswürdigste Frau, und da gebe es ein bös Dabeisein und es wäre besser, wenn er die ganze Sache sich aus dem Sinne schlüge. So wie er nun gleichgültig gegen das Kupen ward, so ward es Elisi angst und es suchte die Versöhnung, kramete etwas oder suchte sonst eine Gelegenheit, wo es Uli flattieren, ihm anhalten konnte, er solle es doch lieb haben, es habe sonst keine Freude mehr am Leben. Und wenn es ihn so bös mache, so solle er ihm nicht zürnen, das geschehe nur, weil seine Liebe so groß sei, weil es ihn keiner Andern gönne usw. Wenn es ihn einst recht hätte, so wollte es nicht mehr schalus sein, aber solange es so dahange und nicht wisse, woran es sei, komme es ihm manchmal, als ob es lieber sterben wollte. Es wisse auch nie recht, ob Uli ihns lieb habe; es dunke ihns manchmal, wenn er es recht lieb hätte, so setzte er ganz anders an und nähme die Sache besser in die Hand, er sei da so wie ein Gstabi und mache kein Gleich. Wenn dann Uli sagte, er wüßte es nicht besser zu machen, er wisse ja auch nicht recht, ob ds Elisi ihn eigentlich wolle, und wenn es ihm Ernst sei, so solle es mit den Eltern reden oder sie wollten zum Pfarrer gehen und das Hochzeit angeben und dann sehen, was daraus werden wolle, so sagte Elisi: Das pressiere nicht halb so, Hochzeit halten könne sie immer noch. Das sei die Hauptsache, daß er es lieb habe, und dann sei es in einem Jahr noch frühe genug, oder wenn er recht dransetze (das komme auf ihn an, es wolle sehen), in einem halben. Aber mit dem Donners Vreni solle er nichts mehr zu tun haben, sonst kratze es Beiden die Augen aus und das Mönsch müsse aus dem Hause.

Natürlich gab die Sache ein groß Gerede weitumher, und man redete weit mehr davon, als daran war. Es gab zwei Partien: die eine gönnte die Geschichte den Eltern, die andere die[267] reiche Frau dem Uli. Je länger die Sache dauerte, und das ging nicht nur ein Jahr, desto mehr gewann der Erfolg an Wahrscheinlichkeit, desto mehr unterzogen sich die Dienstboten dem Uli und stellten sich auf die Seite des mutmaßlichen Tochtermanns, so daß der Hof ein immer blühenderes Aussehen bekam und Uli immer unentbehrlicher wurde. Selbst Joggeli, dem der bare Gewinn in den Sack floß und der wohl rechnen konnte, was zwanzig Klafter Futter, tausend Garben Korn mehr zu bedeuten hätten, verbiß seinen Ärger, tat ein Auge zu und tröstete sich damit, er wolle Uli brauchen so lange als möglich; wenn es einmal Ernst gelten sollte, so könnte man immer noch sehen.

Als einmal Johannes daherkam, der auch von dem Gerede gehört hatte, und verdammt aufbegehrte und forderte, daß man Uli fortschicke, so wollte Joggeli nichts davon hören. Solange er lebe, hätte er hier zu befehlen, und Uli wäre Johannes der Rechte, wenn er ihn hätte. Was hier gehe, gehe Johannes nichts an, und wenn man dem Uli ds Elisi geben wolle, so gehe es ihn auch nichts an. Er müsse nicht glauben, daß er alles allein erben wolle; einstweilen sei, was sie noch hätten und was er ihnen nicht abgeläschlet, noch ihr. Je wüster Johannes tue, desto eher müsse ds Elisi heiraten; es sei nicht, daß es Uli sein müsse, es gebe Andere auch noch. Sie wüßten wohl, wie lieb sie ihm alle seien; wenn er das Geld hätte, so früge er Vater und Mutter und Elisi nichts mehr nach, sie könnten seinethalb alle noch einmal heiraten, und wenns Schinderknechte wären, so wäre es ihm gleich. So redete Joggeli zu seinem Sohne in seinem kärigen, hustenden Tone, daß es der Mutter ganz angst war und sie einredete, er solle doch nicht Kummer haben, das geschehe nicht, sie seie auch noch da und ds Elisi werde nicht alles zwängen und Uli sei ein braver Bursche usw. Johannes wollte nun mit Uli selbst reden, aber der war nicht zu finden. Er sei um eine Kuh aus,[268] hieß es. Trinette, diesmal noch viel schöner schwefelgelb als früher Elisi, bewegte sich um Elisi mit verachtender Miene und gerümpfter Nase und sagte endlich zu demselben: »Pfitusig, wie gmein machst de dih! Mit eme Knecht sih möge abzgä! Es ist eine Schande für die ganze Familie! Wenn meine Leute gewußt hätten, daß meines Mannes Schwester einen Knecht sollte heiraten, sie hätten ihn geschickt Band hauen, er gefiel ihnen ohnehin nicht sonderlich. Aber ih bi Göhls gnue gsi u han e abselut welle. Mi cha dih nimme zur Familie zelle, und du kannst dann sehen, wo du untereschlüfst, einmal hier sollt ihr dann nicht mehr bleiben. Pfitusig, so mit emene Knecht es Glscheipf z'ha! Pfitusig, es gruset mr fry ab dr, ih ma dih nume nimme aluege. Pfitusig, schämst dih nit i dys bluetig Herz yche und teuf i Bode ache!« Aber ds Elisi schämte sich nicht, sondern hängte Trinette noch ein viel böser Maul an und meinte: Ein Meitschi hätte dWehli, sich abzugeben, mit wem es wolle, und könne einen Knecht oder einen Herrn heiraten, vor Gott seien all Menschen gleich. Aber wenn es einmal eine Frau sei, dann würde es sich schämen, bald mit dem Stallknecht und bald mit dem Metzger, bald mit dem Herdknecht und bald mit dem Karrer und zletzt noch mit allen Zundleren und allen Ländern im Geschrei zu sein und Kinder zu haben, wo keins eine Nase habe wie das andere und eins dem andern gleiche wie ein Gäuer einem Weltsch. Wenn Vreneli und die Mutter nicht gewesen wären, so hätten sich die beiden Schwägerinnen die grasgrüne und die schwefelgelbe Seide vom Leibe gerissen. Als die Mutter Trinette mit Zusprechen helfen wollte, so ereiferte sich ds Elisi so, daß man es zu Bette bringen mußte. Erst jetzt, sagte es, als es wieder zu sich und zur Sprache kam, erst jetzt wolle es machen, was ihm anständig sei. Es wolle sich nicht einmetzgen lassen wie eine feiße Sau. Und es sei schlecht von den Eltern, daß sie meinten, es solle ein Kind einzig erben und das andere[269] ohne Mann verrebeln, nur damit alles auf einem Haufen bleibe.

Johannes und seine Frau blieben nicht lange da. Auf dem Heimwege öfters einkehrend, wobei aller Rückhalt verloren ging, kramten sie ihren guten Freunden, Kollegen und Kolleginnen die ganze Geschichte aus, und ihre Erzählung erhob das Gerücht zur vollen Gewißheit. Der Bruder und seine Frau haben es selbst gesagt, hieß es, und die werden doch etwas davon wissen.

Nicht lange darauf fuhr Uli mit einem Roß zMärit, sah aber bald, daß er es nicht verkaufen könne um das, was er lösen sollte. Da es schlecht Wetter war, so nahm er es ab dem Markt und stallete es in einem Wirtshause ein. Wie er in die Gaststube wollte und um eine Ecke bog, prallte er an seinen alten Meister. Mit unverhohlener Freude bot Uli ihm die Hand und sagte, wie froh er sei, ihn anzutreffen und ein wenig bei ihm zu sein. Der Meister war trockener und redete von vielen Geschäften, gab aber doch endlich Uli ein Stelldichein, wo sie ruhig eine Halbe trinken könnten. Dort, nachdem sie in einem Winkel ziemlich gedeckt saßen, eröffneten sie die Vorrede und Johannes fragte, ob es viel Heu gegeben, und Uli sagte »Ja,« und ob bei ihnen das Korn auch schon gefallen wäre, ihres hätte der erste Luft gestoßen. »Du bist alle zweg,« fuhr der Meister nach einigen weitern Zwischenreden fort, »und was hab ich gehört? Du werdest bald Bauer in der Glunggen werden, sagen die Leute.« »So, wer redt das?« fragte Uli. »He, die Leute sagens, es sei weit und breit das Gerede und man rede es für eine bestimmte Wahrheit.« »Die Leute wissen immer mehr,« sagte Uli, »als die, welche es angeht.« Öppis werde doch an der Sache sein, antwortete der Meister. He, sagte Uli, er wolle nicht sagen, daß es es einst nicht geben könne, aber die Sache sei noch im weiten Felde; geredet sei noch nichts darüber, und es könnte noch beid Weg[270] gehen. »He,« sagte Johannes, »es düecht mih, es sei genug geredet.« »He, wieso?« fragte Uli. »He, ds Meitschi ist ja schwanger!« »Das ist eine verfluchte Lüge,« sagte Uli, »ich habe es nie angerührt dä Weg. Ich will nicht sagen, daß ichs nicht hätte können, aber ich hätte mich geschämt, es so zu machen. Es hätten da alle Leute mir schuld gegeben und gedacht, es sei ein Schelmenstreich von mir, wie schon mehr dergleichen geschehen, und das habe ich nicht gewollt. Die Leute müssen mir nicht nachreden, ich sei dä Weg zu einer reichen Frau gekommen.« »So?« sagte Johannes, »das ist dann anders, als ich gehört, und ich habe geglaubt, Uli wolle mich ansprechen, ihm z'best z'reden. Das wäre mir zwider gsi, ich muß es sagen, und deswegen habe ich lieber gewollt, ich hätte dich nicht angetroffen. Es freut mich, daß es nicht so ist, ich hätte auch noch Schmutz davon auf den Ärmel gekriegt. Jedenfalls hätte es mich geärgert, wenn du es auch so gemacht wie andere Lusbueben.« Aber öppis werde doch an der Sache sein? He, sagte Uli, er wolle nicht leugnen, daß er nicht glaube, die Tochter wollte ihn und es wäre zu erzwingen, wenn sie recht ansetzten. Und es hätte ihn allerdings düecht, für ein armes Bürschli, wie er sei, wäre das ein großes Glück, besser machen könnte er es nie. »Das wird doch wohl das bleich, durchschynig Meitschi sy, wo geng ab em Luft mueß, wenn ers nit näh soll?« fragte Johannes. »Öppe gar ds Brävst ist es nicht,« sagte Uli, »es ist magers und ungsüngs; aber es werde ihm schon bessern, wenn es einen Mann habe, hat der Doktor gesagt; aber hunderttausend Pfund bekömmt es.« »Höcklets no geng so da ume, oder rührt es auch etwas an, macht es die Haushaltung?« fragte Johannes. »Werche tut es nicht viel, und in der Küche ist es wenig, aber schön lismen kann es und mit Krällene allerlei Styfs machen. Aber wenn es den Hof einmal bekömmt, so vermag man eine Köchin zu halten. Wenn es nur hie und da nachsieht, es braucht ja nicht[271] selber alles anzurühren,« meinte Uli. »Jä, für nachezluege muß man die Sache selbst verstehen; das ist gar dumm, daß man meint, wenn eine Frau bei einer Sache hocke, so sei damit alles getan. Es kann zum Beispiel eine Frau lang in einer Apothek hocke und lismerle, die Knechte können doch machen, was sie wollen,« sagte Johannes. »Aber es het mih düecht, es lueg gar ulydig dry und gränn eim nume so an, statt eim auch es freundlich Wort z'gä.« Es fehle ihm viel, sagte Uli und es sei gar ein Empfindliches. Aber wenn es einen freinen Mann hätte und öppe zu tun, so viel es möcht, daß es sich ein wenig vergessen könnte, es würde ihm schon bessern. Es sei doch nicht, daß es dann nie könne freundlich sein. Es könne bsunderbar flattieren, und wenn man den Hof recht werche so könne man darauf wenigstens zehntausend Garben machen und zwar nur Korngarben. Das sei viel, sagte Johannes, und solche Höfe gebe es nicht mehr viel im Kanton. Aber wenn man ihm die Wahl ließe, einen gfreuten Hof und eine ungfreuti Frau dazu oder keins von beiden, er wollte hundertmal lieber das Letztere. Reichsein sei eine schöne Sache, aber reich mache noch nicht glücklich; wenn man so einkybig Häpeli daheim habe, das über alles entweder gränne oder pflenne, so möchte der Tüfel dabeisein. Und wenn man einmal die Freude außer dem Hause suchen müsse, so hätte es gefehlt.

»Aber Meister,« sagte Uli, »du hast mich doch immer brichtet, ich solle husen und sparen, so gebe ich auch einen Mann ab, man sei nichts, wenn man nichts habe.« »Ganz recht Uli,« sagte der Meister, »das habe ich gesagt und sage es noch. Es ist einer glücklicher, wenn er huset, als wenn er liederlich ist, und es ist einer kein Mann, wenn er in seinen ledigen Tagen nicht für die alten sorgen kann. Wenn einer in den jungen Jahren nicht einen guten Anfang macht, so kömmt er zu einem bösen Ende. Ein braver Bursche mit etwas Geld kann auch besser heiraten als ein Hudel und soll auf eine rechte[272] Frau sehen, aber die reichste Frau ist nicht immer die beste. Es gibt Weiber, die mir ohne einen Kreuzer lieber wären als andere mit hunderttausend Pfund. Es kommt immer auf die Person an. Mach, was du willst, aber besinne dich wohl.« »Ds Elisi ist freilich eine elende Person,« sagte Uli, »aber es kann ihm bessern; es ist Manche mager gewesen in der Jugend, sie ist im Alter noch dick geworden, und bös aparti ist es nicht, besonders wenn es zufrieden ist. Wenn es höhn ist, dann weiß es freilich nicht recht, was es sagt, und hält mir den Knecht vor und andere Meitscheni; aber wenn es wieder zufrieden geworden ist, so kann es recht kurzweilig sein und hat das beste Herz von der Welt. Es hat mir schon gekramet, es weiß kein Mensch wie viel, und hätte mir noch viel mehr gegeben, wenn ich nicht immer gewehrt hätte.« »Mach, was du willst,« sagte Johannes, »aber ich sage dir noch einmal: besinne dich wohl; es tut selten gut, wenn so Ungleiches zusammenkömmt, und es ist noch selten gut gekommen, wenn der Knecht des Meisters Tochter geheiratet hat. Es ist mir etwas an dir gelegen, einem Andern hätte ich nicht so viel gesagt. Jetzt muß ich heim; komm einmal in müßiger Zeit zu uns, dann wollen wir noch weiter über das Kapitel reden, wenn es nicht zu spät ist.«

Uli sah seinem Meister unzufrieden nach. Ich hätte nicht geglaubt, dachte er, daß der mir mein Glück nicht gönnte. Aber so sind die Donners Bauren, sie sind alle gleich; sie mögen es nicht leiden, wenn ein Knecht zu einem Hof kömmt. Der Johannes ist noch von den Besten einer, aber er mag es auch nicht vertragen, daß sein alter Knecht reicher wird, als er ist, und zu einem schönen Hof kömmt. Was hätte es ihm sonst gemacht, ob ds Elisi hübsch oder wüst ist? Er hat doch auch nicht allein auf die Hübschi gesehen, als er seine Frau genommen. Sie sehen das fast wie eine Sünde an, wenn unsereiner an eine Baurentochter nur denkt, und doch wär noch[273] Manche froh, sie bekäme einen manierlichen Knecht und müßte nicht ihr Lebtag der Hund auf einem Hofe sein. Er lasse sich aber nicht so mir nichts dir nichts absprengen, das sei ihm jetzt schon zu lang gegangen und das Gerede zu fast unter die Leute gekommen, als daß er so davon wolle. Aber ab Brett müsse die Sache, dachte er, er wolle einmal wissen, woran er sei; so zwischen Tür und Angel zu hangen, sei ihm nicht länger anständig. Er wolle es Elisi sagen, es solle mit den Alten reden; bis im Herbst müsse das Hochzeit zu verkünden sein, oder er wolle auf Weihnacht fort, dr Narr wolle er nicht länger sein.

Quelle:
Jeremias Gotthelf: Ausgewählte Werke in 12 Bänden. Band 1, Zürich 1978, S. 260-274.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Wie Uli der Knecht glücklich wird

Buchempfehlung

Anonym

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.

298 Seiten, 15.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon