Aufruf

[201] Indeß wir beim Turniere und Tanze hier gedeihn,

Trinkt in Burgund der Franzmann gemächlich unsern Wein;

Wir kitzeln hier die Ohren mit Märchenlust und Singen,

Dort hat vom Büchsendonner gar Mancher das Ohrenklingen.


»Ein Narr, wer auf dem Todbett sich Hochzeitskränze flicht!

Wer riss' ihm aus den Händen das eitle Spielwerk nicht?

Es schreit um Hülf' und Retter der Feuerglocken Gedröhn,

Beim Brand des eignen Hauses schwärmt nur ein Thor: ei wie schön!


Drum auf, ihr Herrn und Edlen, wohlauf zum Schwertertanz!

Vom Haupt den welken Festkranz! Erringt euch neuen Kranz!

Auf, sammelt eure Schaaren, dann an die Marken frisch,

Dort laden wir uns wieder bei fränk'schen Wirthen zu Tisch!«


So tönte Maxens Rede hell durch den hohen Saal,

Rings jauchzten lautauf Beifall die Edlen allzumal,

Und horch! herauf aus dem Hofe, als stimmt' es froh mit ein,

Scholl muthig Roßgewieher in das Gejubel drein.
[201]

Da hatten Aller Augen zum Fenster sich gekehrt,

An einer Säule gebunden stand unten ein weißes Pferd.

»Ein herrlich Thier, beim Himmel! Ihr Herrn, aus wessen Stall?«

Da schüttelten die Köpfe und zuckten die Achseln All'.


»Seht nur den stolzen Nacken, das Auge muthighell,

Bunt und doch ohne Makel, wie Frühlingswolken das Fell!

Goldquasten rieseln klingend, wirr durch einander bewegt,

Wenn mit dem Hufe stampfend es kühn den Boden schlägt.


Stolz trägt die Purpurdecke, wie'n König, das edle Thier;

Doch ha ha, ein Liebesbrieflein! – seht, 's ist zum Bersten schier!

Geheftet unter dem Schweife trägt es ein weiß Paket,

Ei geh' doch Einer hinunter und seh', was drinnen steht?«


Da machte Einer unten das Blatt behutsam los,

Das in sich solche Worte und solchen Sinn verschloß:

»Wir Louis der Eilft' in Frankreich, Navarr' et cätera

Durch Gottes Gnaden König, Herzog in Burgundia.«


»Ei, heftet unser Vetter an solchen Ort sein Mandat?

Doch fahre fort zu lesen – 's ist lustig in der That!«

So scherzet Max und lächelt, doch glimmt sein Blick voll Gluth,

So lächelt fern das Wölkchen, in dem der Brandkeil ruht.


»An unsern lieben Vetter, Erzherzog von Oesterreich!

Man spricht, Ihr wollt uns besuchen, der Wunsch kömmt unserm gleich;

Drum senden wir dieß Rößlein, der Weg ist etwas weit,

Und käm't Ihr zu Fuß gegangen, es thät uns wahrlich leid.


Auch heißt's, der karge Vater1 zollt' Euch zu erziehn nicht viel,

Drum send' ich Euch entgegen Lehrmeister im Waffenspiel,

Die edle Künst' Euch lehren, wie's solchem Ritter frommt,

Gott und der Jungfrau zu Ehren; indeß lebt wohl und kommt!«
[202]

So sprach der Habsburg Sprosse: »Laßt euch den Schwank ergötzen.

Der König weiß recht artig Maulschellen zu versetzen,

Wir sind zu Gast geladen, nun rasch zu Pferd, zu Pferd!

Und sparet nicht das Lehrgeld, sind nur die Meister was werth.«


Fußnoten

1 Maximilians fortwährender Geldmangel und seines Vaters Friedrich Kargheit sind historisch bekannt.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 201-203.
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Ausgewählte Ausgaben von
Der letzte Ritter
Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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