[209] Zu Gent auf dem Markte wehten erbeutete Fahnen zur Schau,
Und Siegesbogen erhöhten sich rings in stolzem Bau,
Vor dem Palast der Fürstin da hielt der Siegeszug,
Inmitten ein schmucker Krieger, der lächelnd ein Knäblein trug.
Es winken seine Blumen dem Gärtner so freundlich nicht,
Wie dem beglückten Vater des Kindes Augenlicht;
Der Jungfrau Bildniß spiegelt ein klarer Quell zurück,
Die Mutter sucht's und findet's beglückt in des Säuglings Blick.
O Max, wie schien dir so herrlich des Glückes Sonnenglanz!
Dein Kind hängt dir am Munde,1 am Haupt der Lorbeerkranz!
In deinem Arm die Geliebte, manch treuer Freund dir nah,
Wo ist ein höher Beglückter, so weit die Sonne sah!
Und Siegesfest und Jubel durchziehn das ganze Land,
Und widerhallend jauchzt es bis an der Marken Rand,
In Burgen und in Städten, in Henn'gau und Burgund,
Da sind die Lilien zertreten, da flattert der Aar zur Stund'.
[209]
Da murmelt Frankreichs Ludwig halb lächelnd in den Bart:
»Der Aar ist Zugvogel worden, doch ganz besondrer Art,
Die Schwalben und Störche kehren im Frühling wieder nach Haus;
Doch seltsam ist's, der Adler blieb bis zum Herbste aus.«
Doch Max zu Gent, der scherzet bei frohem Siegesmahl:
»Was Wunder, daß im Herbste, bei matterm Sonnenstrahl,
Nun Rosen, Nelk' und Tulpen und alle Blumen verglühn?
Drum däucht mir's auch natürlich, daß nimmer die Lilien blühn.«
1 Philipp I., der Schöne, geb. zu Brügge am 23. Juni 1478, gest. daselbst 1506, Gemahl Johanna's, der Erbin Ferdinands von Aragonien und Isabellens von Castilien, aus welcher Ehe Karl V. und Ferdinand I., die Ahnherren der spanischen und deutschen Linie Habsburg, entsprossen.
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Der letzte Ritter
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