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Schon strahlt auf alle Lande das Frühroth hell und warm,
Da lehnte Max im Sammtstuhl, ein Buch hielt er im Arm;
Das Buch war's seiner Thaten, genannt der Theuerdank,
Der Spiegel seines Lebens, sein eigner Schwanensang.
Er liest in seinen Thaten! – Der Engel, der gesandt,
Die Augen ihm zu schließen, schwebt schon gen Oestreichs Land.
Er liest in seinen Thaten! – Ihr Fürsten, blickt nun her,
Lernt, was kein Mönch euch lehret, zu sterben so wie der.
Er liest, wie Junker Fürwitz oft an des Abgrunds Rand,
In Flammen und in Fluthen zur Kurzweil ihn gesandt,
Und wie der Meuchler Unfall aufs Sturmmeer ihn gesetzt,
Den Fels auf ihn geschleudert, den Leu auf ihn gehetzt.
[329]
Er liest es, sieht nach oben und preist der Gottheit Kraft,
Die Noth, Gefahr und Drangsal so siegreich weggerafft,
Die ihn aus hartem Kampfe mit Element und Natur
Gesund und glorreich führte, ja doppelt kräftig nur!
Er liest nun fort, wie Neidhart, der arge böse Greis,
Ihm gern vom Haupt gerissen so Kron' als Lorberreis
Und Heere gen ihn sandte, gewaltig zu Roß und Schiff,
Den Gifttrank für ihn mischte und Meucheldolche schliff.
Er liest's, greift an den Busen und preist des Menschen Kraft,
Die herrlich sich bewährte im Kampf der Leidenschaft,
Sie, die im Streit der Herzen sein großes Herz ließ siegen
Und in dem Streit der Schwerter sein Schwert nicht unterliegen.
Fort liest er; blühend liegt nun vor ihm die ferne Zeit,
Es nahn der Jugend Bilder in Schaaren, dicht gereiht,
Die alten Kampfgenossen entsteigen froh der Gruft,
Und Morgenroth umhaucht sie, Freiheit und Bergesluft!
Im weißen Brautgewande, mit grünem Myrthenzweig,
Steht vor dem Kaiserjüngling Prinzessin Ehrenreich;
Da glänzt das Antlitz Maxens hell wie des Morgens Strahl,
»Maria!« schluchzt er leise, – »Maria!« verhallt's im Saal.
Es glüht ein mildes Lächeln auf seiner Wang' empor,
Und eine helle Thräne bricht aus dem Aug' hervor;
Es hat sich still zum Busen sein Haupt herabgebeugt,
Und zu den Knieen mählich nun Buch und Hand geneigt.
So fanden ihn die Seinen; so saß er regungslos,
Das Denkbuch seiner Thaten lag offen in seinem Schooß.
Mild glomm das letzte Lächeln, das um den Mund ihm stand,
Klar hing die letzte Thräne an seiner Wimpern Rand.
[330]
Und feuchten Auges knieten jetzt nieder All' im Kreis
In feierlichem Schweigen um den entseelten Greis. –
Seht, wie ein Fürstenleichnam so herrlich sich verklärt
Und leicht des Schlachtentodes und Trauerpomps entbehrt!
Der Tag, da Max gestorben, ist Nacht für Oesterreich,
Gebrochen alle Herzen, jed' Aug' an Thränen reich!
Und doch glüht kein Komete, kein Sturm verheert das Land,
Kein Todtenvogel wimmert, kein Städtchen steht in Brand.
Nein! glänzend strahlt der Himmel, und Frühlingslüfte wehn,
Voll Reben glühn die Hügel, voll Segen die Thäler stehn,
Frisch grünen Wald und Wiese, die Quellen sprudeln klar,
Im Aether jubeln Lerchen, zur Sonne steigt der Aar!
Hart an der Burg zu Neustadt steht eines Schreiners Haus,
Da tönt ein Liedlein täglich in dumpfem Klang heraus,
Der greise Meister singt es in früh'ster Morgenstund',
Uralt und silberhaarig aus welkem zitterndem Mund.
Mehr denn ein halb Jahrhundert ist wohl seither verrauscht,
Seit diesen Sang der Morgen zum erstenmal belauscht;
Zwei Leben hat zum Ziele seither geführt die Zeit,
Der Bürgerpflicht war eines, dem Thron das andre geweiht.
Bunt war die Bahn des Königs, kein Tag dem andern gleich,
Nun sonnenhell, nun stürmisch, bewegt und thatenreich;
Einförmig sieht die eigne der Meister vor sich schweben,
Kennt wer sein heutig Handeln, der kennt sein ganzes Leben.
[331]
Da trat herein zur Werkstatt ein trüber düstrer Mann:
»Auf, Meister! Maxens Leichnam kam heut aus Wels hier an,
Horch, wie ihn Glockenläuten und Priestersang begrüßt!
Rasch für die Kirche bauen sollt ihr das Trauergerüst.«
Der Schreiner thürmt die Balken als Leichenbühn' hinan,
Vom selben Holz stand fertig ein Wieglein nebendran,
Die Späne stäubten sprühend, und Säg' und Hammer klang,
Dazwischen tönt im Takte des Meisters alter Sang:
»Wohin, ihr Reiterheere? Wohin, du trüber Kumpan?
Wohin, ihr Schiffer zu Meere? Wohin, du Krückenmann?
Ob schiffend, hinkend, reitend, All' hin ins Todtenreich!
Daheim bleib' ich, bereitend die Särge mir und euch!«
1 Der Theuerdank (Einer, der auf Abentheuer denkt) ist ein allegorisches Epos, dessen Held (Maximilian selbst, unter dem Namen Theuerdank), von dreien feindseligen allegorischen Personen, nämlich Fürwittig (Vorwitz, jugendliche Unbesonnenheit), Onfallo (Unfall, feindliche Elementarereignisse) und Neydelhardt (Neid, Mißgunst, Haß der Menschen), in die verschiedenartigsten gefahrvollen Abenteuer verwickelt, dieselben siegreich besteht und endlich die schöne Prinzessin Ehrenreich (Maria von Burgund) als Braut erringt. Dieses Gedicht erschien zuerst in Nürnberg 1517, in Folio, mit vielen Holzschnitten geschmückt. Auf dem Titel ist Melchior Pfinzing als Verfasser genannt, doch ist nur die Ausführung von ihm, Plan und Anlage gehören ganz dem Kaiser selbst.
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Der letzte Ritter
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