Die Zusammenkunft

[193] Es kehrte singend wieder der Frühlingsboten Chor,

Schon guckten frische Halme verschämt zum Licht empor.

Max mit dem Baierherzog lustwallt' auf grünender Bahn,

Und so zum treuen Freunde hob er zu sprechen an:
[193]

»Mein Ludwig, sieh, wie das Leben so schön rings aufersteht,

Wie um Paläst' und Hütten die Freude geschäftig geht!

Der Liebe Boten kehren jetzt wieder ins Land herein,

Auch du sollst meiner Liebe ein treuer Bote sein.


Zieh hin zu Burgunds Maria, bring meinen Gruß ihr dar,

Dann reiche, mein Vertreter, die Hand ihr am Altar,

Und führe sie ins Brautbett – ei lächle, Schalk, mir nicht!

Denn erzgewappnet zu liegen erheischet deine Pflicht.


Gewappnet am rechten Arme, gewappnet am rechten Bein,

Das deute: in Kampf und Frieden soll sie mein Wahlspruch sein!

Und zwischen euch Beiden blitze ein scharfer blanker Degen,

Das deute: weh dem Frevler, der unsrem Bund entgegen!«


Es ritt der Baierherzog frohlächelnd seine Bahn,

Und wer ihn sieht, wird fröhlich, der Pfaff' und Kriegskumpan,

Die Bauern und die Städter freu'n sich in ihrem Sinn,

Und im Burgunderlande die schöne Herzogin!


Zu Gent vor den Thoren wirbelt einst Staubgewölk empor,

Draus flattert's und blitzt's wie Fähnlein, wie Panzer und Waffen hervor,

Darinnen scharrt es und stampft es wie muthiger Rosse Huf,

Dazwischen singt es und klingt es wie jubelnder Krieger Ruf.


Jetzt zieht sich durch die Straßen der reisige Männertroß,

Neunhundert deutsche Ritter, gewappnet, hoch zu Roß,

Inmitten ist ein Jüngling auf braunem Hengst zu sehn;

Jedoch, ihr Leute, was bleibt ihr All' vor dem Einen stehn?
[194]

Er reitet wie die Gefährten in schlichtem Waffenglanz,

Nur nickt im blonden Gelock ihm ein dünner Perlenkranz;

Ist der es, oder die Flamme, die aus dem Aug' ihm fährt,

Was Jedem, der vorbeiwallt, vom Haupt die Mütze kehrt?


Die Herzogin entgegen den deutschen Rittern zieht,

Ihr Antlitz war der Spiegel, drin Schönheit sich besieht,

In ihren Rabenlocken glomm der Demanten Pracht,

Wie eine Handvoll Sterne, gesä't in schwarze Nacht.


Sie blickt dem Heldenjüngling ins Gluthenaug' hinein:

»Ei, wie's da flammt wie Saphire, wie heller Demantschein!«

Dann auf den goldnen Locken ruht lang ihr holder Blick:

»Ich sandt' ein einzig Ringlein, du bringst vielhundert zurück!«


Sie sinkt ihm an den Busen in frommer, keuscher Gluth:

»Willkommen mir und den Landen, du edles deutsches Blut!«

Max war der sel'ge Jüngling; wer hat ihn nicht erkannt?

Doch ihr verriethen's Ringlein, Saphir und Diamant.


Schon schweigen alle Sänger in Lüften und im Wald,

Zu Gent doch im Palaste noch Saitenspiel erschallt;

Und Mond und Stern' meinten allein noch spazieren zu gehn,

Doch vor'm Palast im Garten ist noch ein Pärchen zu sehn.


Im Saale jubelt die Freude, laut wie des Bergstroms Hall,

Im Garten lispelt die Liebe, wie leiser Wellenfall;

Der Wald glaubt, jetzt zu flüstern sei ihm allein erlaubt,

Das Paar doch straft ihn Lügen, wenn er solch Märlein glaubt.


Nur Einer hört ihr Wispern, der dort im Aether wohnt,

Der blasse Hirt der Sterne, mein alter Freund, der Mond;

Jüngst, als ich mit ihm gewandelt zur Liebsten auserwählt,

Da hat er aus alter Freundschaft mir's unterweg erzählt:
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»O wären wir zwei Sterne, die nebeneinander glühn!

Ach, wären wir zwei Wolken, die miteinander ziehn!

Wir blickten dann zur Erde, wie Sein auf Vergangenheit,

Wie Freie auf die Fesseln, wie Freude auf das Leid.


Wir wollen sein zwei Blumen, die Duft und Blüthen streun,

Und Jedem, der vorbeiwallt, das Aug' und Herz erfreun,

Die sich ins Schwesterauge und auf zur Sonne sehn

Und einst, verwelkt, zum Himmel auf Frühlingslüften wehn;


Dann aus dem Wolkenkleide sehn wir zur Welt herab

Und blicken lächelnd Beide auf unser eigen Grab!« –

So sprachen sie gar Manches, was Liebe sprach und spricht,

Wer Liebe kennt, erräth es; wer nicht, versteht's auch nicht.


Da hielt, um nicht zu stören, die Luft den Odem an sich,

Der Bach floß leiser, stiller, als ob er auf Zehen schlich,

Geschwätz'ge Pappeln hielten mit dem Geflüster ein:

Nun still, ihr Schwestern, morgen wird auch ein Tag noch sein.


Jetzt tritt mit freundlichem Neigen das Brautpaar in den Saal,

Da wirbelt lust'ger Reigen bei funkelndem Kerzenstrahl;

Wie da manch junger Dame das Mieder höher schwillt,

Wie's da manch feinem Ritter pocht unter'm Goldwamms mild!


Doch wer ist dort der Eine in jener Ecke verschanzt,

Mit Rhein- und Franzenweine und Bechern rund umpflanzt?

Mit offnem Maul gelagert liegt Schranzenvolk um ihn,

Wie um den Wolf die Gänse, bei jener Predigt in Wien.1


Sein Auge glänzt wie Liebe, sein Mund scheint Spott zu sein,

Die Stirn ist alt und runzlig, die Wange Rosenschein,

Sein Nam' ist Kunz von der Rosen, bei Hofe Narr genannt,

Doch kamen alle Klugen um Rath zu ihm gerannt.
[196]

Und als er dort sah kommen nun Bräutigam und Braut,

Da hob er zwei volle Becher, stand auf und jauchzte laut:

»Heil euch, Burgund und Oestreich! Heil dir, du herrlich Paar

Was ferne war, ist nahe, und Eins, was Zweie war!


So sind zwei Regenbogen nur einer Sonne Bild,

So wird's zu einem Strome, wenn Fluß zu Flusse quillt,

Zwei Blumen in einem Topfe sind nur ein Blumenstrauß,

Zwei Sorten Wein im Kopfe erzeugen nur einen Rausch!«

Fußnoten

1 In der Wallnerstraße in Wien befindet sich ein Haus und darauf ein altes Gemälde, vorstellend, wie der Wolf den Gänsen predigt.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 193-197.
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Der letzte Ritter
Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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