Freiheit

[277] Wer ist's, der Maxen bringen die blut'ge Kunde mag

Von all der Seinen Tode am unheilschwangern Tag?

Pirkheimer1 ist's, der muthig als kühner Streiter ficht

Mit Schwert und scharfer Feder für Wahrheit, Recht und Licht.


Wie nahm der Fürst die Kunde? Wohl war's ihm herbe Pein?

Wohl wird er weinend klagen, verzweifeln gar? – O nein!

Die Eule kreischt wohl wimmernd, wenn sie der Pfeil durchdringt,

Der Königsschwan, auch todtwund, der ächzt nicht, sondern singt.


Zu Kostniz stieg der König zu Schiff um Mitternacht,

Vor ihm der See so ruhig, ob ihm der Sterne Pracht!

Der Mond blickt sanft ins Aug' ihm, als spräch' er ihm aus Herz:

Ich habe schon belauschet viel größern bittrern Schmerz!


Die Wellen spielen ums Schifflein, als flüsterten sie ihm zu:

Wir trugen schon so Manchen, der elender als du!

Ums Haupt ihm kosen die Lüfte, als weht' es im Schmeichelwind:

Wir haben schon getrocknet manch herbe Thräne lind!


Und als der Fürst des Morgens zu Lindau stieg ans Land,

Da schmiegte sich das Frühroth um seiner Wangen Rand,

Als rief's zu ihm hernieder vom hohen Aetherthron:

Ich habe wieder geröthet viel bleiche Wangen schon!


So hell und licht wie Mondschein, und wie die Lüfte klar,

Und wie der See so ruhig nun Maxens Seele war;

In seinem Herzen tagt es wie lichte Morgenstund',

Er neigt sein Haupt am Strande und küßt den deutschen Grund.
[278]

Vor sich die Schweizerberge sieht glanzverklärt er stehn;

So hat manch Fürst und Sänger sie seither noch gesehn.

Heil jedem edlen Fürsten, Heil seinem Volk auch dann,

Wenn er der Freiheit ruhig ins Antlitz schauen kann!


Wo aber sind die Sieger, die Schweizer hingeflohn?

Wo lagern jetzt die Helden? was ward ihr Siegeslohn?

Wo bleibt das Lied, das brausend dem Preis der Freiheit brennt?

Wo bauten sich die Tapfern des Ruhmes Monument?


Seht dort den melkenden Sennen, den Fischer hier im Kahn,

Den Pflüger und den Schnitter, den Jäger auf felsiger Bahn;

Ihr braucht nicht weit zu schauen, ihr seht die Helden schon!

Rings freie Luft und Erde, das ist ihr Siegeslohn.


Horch, Becher klingen beim Mahle, die Büchse kracht im Wald,

Die Sensen klirren im Thale, des Aelplers Horn erschallt,

Dort Läuten der Alpenheerden, fern Abendglockengetön!

Das ist das Lied der Freiheit! Klang je ein Lied so schön?


Muth, Wahrheit, Treu' und Liebe und Einfalt, Glaub' und Recht,

Das ist die heil'ge Sieben im lichten Farbengeschlecht,

Das ist der Regenbogen, deß Leuchten ewig brennt

Hoch über den Schweizerbergen als Freiheitsmonument!

Fußnoten

1 Pirkheimer Bilibald, geb. 1470 zu Eichstädt in Franken, gest. 1530 zu Nürnberg, Jurist, Theolog, Mathematiker, Geschichtschreiber, Philolog und Mediciner, Alb. Dürer's Freund, Mitglied des Rathes zu Nürnberg und 1499 im Schweizerkriege Feldhauptmann der nürnbergischen Truppen. Als unparteiischer Augenzeuge schrieb er die historia belli helvetici und als feuriger Anhänger Maximilians den currus triumphalis honori Maximiliani inventus.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 277-279.
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Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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