[272] Mit flatternden Federbüschen,
Mit schmetterndem Hörnerklang
Ziehn Jäger, die schmucken frischen
Gesellen, das Dorf entlang.
Sie ziehn an des Landes Grenzen,
Vorposten zu treuer Wacht,
Die Waffen funkeln und glänzen,
Der Taktschritt dröhnt mit Macht.
Ein Weib sitzt an der Schwelle,
Ihr Knäblein an der Brust,
Dem leuchten die Aeuglein so helle,
Das klatscht in die Hände vor Lust.
»Geduld, du Schelm, du kleiner,
Die Jahre verrinnen schnell,
Dann wirst auch du wohl so Einer,
Solch schmucker frischer Gesell!«
[273]
Die Tritte, die Klänge allmählich
Verhallen am Waldessaum;
Die Mutter, stolz und selig,
Träumt schönen Zukunftstraum:
»O Kind, geboren in Schmerzen,
So hilflos noch und zart,
Erstarke am Mutterherzen
Zu rechter Mannesart!
O blühe, du holde Blüthe,
O wachse, frei von Harm;
Dich schirme, bewache, behüte
Mein Aug', mein Herz, mein Arm!
Doch wie viel Mühn und Gefahren
Noch bis ans ferne Ziel!
Von sorgenschweren Jahren,
Durchwachten Nächten wie viel!
Mit Wonne den eigenen Schlummer
Leg' ich dem deinen zu;
Mein sei die Angst und der Kummer,
Dein sei die Lust und die Ruh'!
Ja, ganz vergessen meiner,
In dir nur leb' ich allein;
Dann wirst du wohl auch so Einer,
Mein Stolz, mein Stab einst sein.« –
[274]
Horch, wüster Schall durchzittert
Der jungen Mutter Traum;
Es hat gar schlimm gewittert
Am fernen Waldessaum.
Die Bahre von Tannenästen
Jetzt tragen Krieger vorbei,
Sie bringen der Tapfern Besten
Getroffen vom Todesblei.
Vom blinden Erz zerrissen
Ein edler Lebensdocht,
An dem gleich treubeflißen
Einst Mutterliebe flocht!
Ach, all die Mühn und Sorgen,
Die Jahre kummerbewegt,
Auf daß man so Einen morgen
Ans Mutterherz dir legt!
Ausgewählte Ausgaben von
In der Veranda
|
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro