Das XVII. Kapitel.

[69] Was der Courasche vor ein lächerlicher Poß widerfuhre, und wie sie sich deswegen wieder rächete.


Schaue, mein Simplice! also war ich bereits deines Kameraten Springinsfelds Matresse und Lehrmeisterin, da du vielleicht deinem Knan noch der Schwein hütetest, und ehe du geschickt genug warest, anderer Leute Narr zu sein, und hast dir doch einbilden dörfen, du habest mich im Saurbrunnen betrogen!

Nach der ersten mantuanischen Belägerung bekamen wir unser Winterquartier in einem lustigen Städtlein, allwo es bei mir anfieng, ziemlich Kundenarbeit zu geben. Da vergieng kein Gasterei oder Schmaus, dabei sich nicht die Courasche fand, und wo sie sich einstellete, da galten die italienische Putani Wohl nichts; dann bei den Italienern war ich Wildbret und etwas Fremds, bei den Teutschen konnte ich die Sprach, und gegen beiden Nationen war ich viel zu freundlich, darneben noch trefflich schön; so war ich auch nicht so gar hoffärtig und teuer, und hatte sich niemands keines Betrugs von mir zu besorgen, dem aber die Italienerinnen dichte vollstaken. Solche Meine Beschaffenheiten verursachten, daß ich den welschen Huren viel gute Kerl abspannete, die jene verließen und mich hingegen besuchten, welches bei ihnen kein gut Geblüt gegen mir setzte. Einsmals lude mich ein vornehmer Herr zum Nachtessen,[69] der zuvor die berühmteste Putana bedient, sie aber auch meinetwegen verlassen hatte. Solches Fleisch gedachte mir jene wiederum zu entziehen und brachte mir derowegen wiederum durch eine Kürschnerin bei demselben Nachtimbiß etwas bei, davon sich mein Bauch blähete, als ob er hätte zerspringen wollen; ja die Leibsdünste drängten mich dergestalt, daß sie endlich den Ausgang mit Gewalt öffneten und eine solche liebliche Stimm über Tafel hören ließen, daß ich mich deren schämen mußte; und sobald sie die Tür einmal gefunden, passierten sie mit einer solchen Ungestüm nacheinander heraus, daß es daherdonnerte, als ob etliche Regimenter eine Salve geben hätten. Als ich nun dessentwegen vom Tisch aufstunde, um hinwegzulaufen, gieng es bei solcher Leibsbewegung allererst rechtschaffen an: Alle Tritt entwischte mir aufs wenigst einer oder zehen, wiewohl sie so geschwind aufeinander folgten, daß sie niemand zählen konnte; und ich glaube, wann ich sie alle wohl anlegen oder der Gebühr nach fein ordentlich austeilen können, daß ich zwo ganzer geschlagener Glockenstund trutz dem besten Tambour den Zapfenstreich darmit hätte verrichten mögen. Es währete aber ungefähr nur eine halbe Stund, in welcher Zeit beides, Gäst und Aufwarter, mehr Qual von dem Lachen als ich von dem kontinuierlichen Trompeten erlitten.

Diesen Possen rechnete ich mir vor einen großen Schimpf und wollte vor Scham und Unmut ausreißen; ebenalso tät auch mein Gastherr, als der mich zu etwas anders, als diese schöne Musik zu halten, zu sich kommen lassen, hoch und teuer schwörend, daß er diesen Affront rächen wollte, wann er nur erfahren könnte, durch was vor Pfefferkörner- und Ameiseneier-Köch diese Harmonia angestimmt worden wäre. Weil ich aber daran zweifelt, ob nicht er vielleicht selbst den ganzen Handel angestellt, siehe, so saße ich dort zu Protzen, als wann ich mit den blitzenden Strahlen meiner zornigen Augen alles hätte töden wollen, bis ich endlich von einem Beisitzenden erfuhr, daß obengedachte Kürschnerin damit umgehen könnte; und weil er sie unten im Hause gesehen, müßte er gedenken, daß sie irgends von einer eifersichtigen Damen gedinget worden, mich einem oder andern Kavalier durch diesen Possen zu verleiden, maßen man von ihr wüßte, daß sie ebendergleichen einem reichen Kaufherrn getan, der durch eine solche Musik seiner Liebsten Gunst verloren, weil er sie in ihrer und ander ehrlichen Leute Gegenwart hören lassen. Darauf gab ich mich zufrieden und bedachte mich auf eine schleunige Rach, die ich aber weder öffentlich noch grausam ins Werk setzen dorfte, weil wir in den[70] Quartiern (ohnangesehen wir das Land dem Feind abgenommen) gute Ordre halten mußten.

Demnach ich nun die Wahrheit erfahren, daß es nämlich nit anderst hergangen, als wie oben gedachter Tischgenoß geargwohnet, als erkundigt ich derjenigen Damen, die mir den Possen hatt zugerichtet, Handel und Wandel, Tun und Lassen auf das genaueste, als ich immer konnte, und als mir ein Fenster gewiesen wurde, daraus sie bei Nacht denen, so zu ihr wollten, Audienz zu geben pflegte, offenbart ich meinen auf sie habenden Grollen zween Offiziern; die mußten mir, wollten sie anders meiner noch fürderhin genießen, die Rach zu vollziehen versprechen, und zwar auf solche und kein andere Weis, als wie ich ihnen vorschriebe; dann mich deuchte, es wäre billig, weil sie mich nur mit dem Dunst vexiert, daß ich sie mit nichts anders als mit dem Dreck selbst belohnen sollte. Und solches geschahe folgendergestalt: ich ließe eine rinderne Blasen mit dem ärgsten Unrat füllen, der in den untersichgehenben Kaminen durch M. Aßmussen, deren Säuberern, zu finden. Solche ward an eine Stange oder Schwinggerten, damit man die Nüß herunterschlägt oder die Rauchkamin zu säubern pflegt, angebunden und von dem einen bei finsterer Nacht, als der ander mit der Putanen leffelte, welche oben an ihrem gewöhnlichen Audienzfenster lag, ihr mit solcher Gewalt in das Angesicht geschlagen, daß die Blase zersprang und ihn der Speck beides, Nasen, Augen, Maul und ihren Busen samt allen Zierden und Kleinodien besudelte, nach welchem Streich sowohl der Leffler als Exekutor davonliefen und die Kur am Fenster lamentieren ließen, solang sie wollte. Die Kürschnerin bezahlte ich also: Ihr Mann war gewohnet, alle Haar, und sollten sie auch von den Katzen gewesen sein, so genau zusammenzuhalten, als wann er sie von dem güldenen Widderfell aus der Insul Kolchis abgeschoren hätte, so gar, daß er auch kein Abschrödlin von dem Pelzflecklin hinwarf oder in die Dung kommen ließe, es wäre gleich vom Biber, Hasen oder dem Lamm gewesen, er hätte solches dann zuvor seiner Haar oder Woll blutt hinwegberaubt gehabt. Und wann er dann so ein paar Pfund beisammen hatte, gab ihm der Hutmacher Gelt darum, welches ihm auch etwas zu bröslen ins Haus verschaffte; und wann es gleich langsam und gering kam, so kam es doch wohl zu seiner Zeit. Solches wurde ich von einem andern Kürschner innen, der mir denselben. Winter einen Pelz fütterte; derowegen bekam ich von dergleichen Woll und Haaren soviel, als genug war, und macht eitel Schermesser daraus. Als solche fertig oder, besser zu erläutern, als mit[71] ihrer Materi wie der Quacksalber ihre Büchslin versehen oder besalbet waren, ließe ich sie einem von meinen Jungen dem Kürschner unden umb sein Sekret herumstreuen, als welches ziemlich weit hinauf offenstunde. Da nun der erbsenzählerische Haushalter diese Klumpen Haar und Woll sonder liegen sahe und sie vor die seinige hielte, konnte er sich nicht anderst einbilden, als sein Weib müßte sie dergestalt verunehrt und zuschanden gemacht haben, fienge derowegen an, mit ihr zu kollern, gleichsam als wann sie allbereit Mantua und Casal verwahrloset und verloren hätte; und weil sie ja so beständig als eine Hex leugnete und noch darzu trutzige Wort gab, schlug er sie so lederweich, als gelind er sonst anderer wilder und bissiger Tieren Felle bereiten konnte, der heimischen Katzenbalg zu geschweigen, welches mich so wohl kontentierte, daß ich keinen Dutzent Kronen darvor genommen haben wollte.

Nun war der Apotheker noch übrig, der meines Vermutens das Rezept verfertigt hatte, dardurch ich aus der Niedere hin so variable Stimme erheben müssen; dann er hielte Singvögel, die solche Sachen zur Speise genossen, so die Würkungen haben sollen, einen Lärmen zu erregen, wie ich allererst einen erzählet. Weil er aber bei hohen und niedern Offiziern wohl dran war, zumaln wir ihn täglich bei unseren Kranken, die den italienischen Luft nicht wohl vertragen konnten, brauchen mußten, ich auch selbst zu sorgen, ich möchte ihm etwan heut oder morgen in die Kur kommen, als dorfte ich mich nicht kecklich an ihn reiben; gleichwohl wollte und konnte ich so viel Luftkerls, die zwar vorlängst wieder in der Luft zerstoben waren, ohngerochen nicht verdauen, obwohl sie auch andere riechen mußten, da gleichwohl sie selbst schon verdauet waren. Er hatte einen kleinen gewelbten Nebenkeller unter seinem Hause, darin er allerhand War enthielte, die zu ihrer Aufenthaltung einen solchen Ort erfoderten. Dahinein richtete ich das Wasser aus dem Röhrbrunnen, der auf dem Platz zunächst darbeistunde, durch einen langen Ochsendarm, den ich am Brunnenröhrn anbande, mit dem andern Ende aber zum Kellerloch hineinhenken und also das Brunnenwasser die ganze lange Winternacht so ordentlich hineinlaufen ließe, daß der Keller am Morgen geschwappelt voll Wasser war. Da schwammen etliche Fäßlein Malvasier, spanischer Wein und was sonst leicht war; was aber nit schwimmen konnte, lag mannstief unter dem Wasser zu verderben; und demnach ich den Darm vor Tags wieder hinwegnehmen ließe, vermeinte jedermann des Morgens, es wäre entweder im Keller eine Quell entsprungen, oder dieser Posse seie dem Apotheker durch Zauberei zugerichtet[72] worden. Ich aber wußte es zum besten, und weil ich alles so wohl ausgerichtet, lachte ich in die Fäuste, als der Apotheker um seine verderbte Materialia lamentierte. Und damals war mirs gesund, daß der Name Courasche bei mir so tief eingewurzelt gewesen, dann sonst hätten mich die unnütze Bursch ohne Zweifel die Generalfarzern genannt, weil ichs besser als andere gekönnt.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 69-73.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Die Familie Selicke

Die Familie Selicke

Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon