|
[109] 1.
Mein Heyland! was werd' ich beginnen!
Ich gantz mit Lastern überhäufft/
In tieffsten Unglücks-Schlam vertäufft.
Jetzt werd' ich meiner Boßheit innen/
Jetzt werd' ich durch mich selbst erschreckt:
Indem mich deine Gnad auffweckt.
Und mir/ wie hoch ich dich verletzet
Und hart erzörnt/ vor Augen setzet.
2.
Wie wird mir/ ach! ach! mein Gewissen/
Fühlt schärffster Wunden grimme Noth!
Mein Hertz erschüttert ob dem Todt/
Und wird vom innern Wurm durchbissen.
Rinnt herbe Thränen Tag und Nacht!
Rinnt/ rinnt des Höchsten Donner kracht!
O wann nichts übrig mehr/ als Sterben!
O könt ich in der Grufft verderben!
3.
Ich leider bin von Gott geschieden!
Durch eine Maur' ob der mir graut/
Die ich von Missethat gebaut!
Nun miß' ich Freude/ Trost/ und Frieden.
Ich schau der Höllen offnes Hauß/
Speit auf mich Glut und Marter aus!
Des Höchsten Gri i wil Urtheil sprechen/
Und schon den Richterstab zubrechen.
4.
Der Himmel wird mir/ ach! geschlossen/
Er deckt mit Wolcken seine Zier/
Die heil'gen Wächter fliehn für mir/
Kein Trost ko it mehr herab geflossen/
Ich schaue nichts als Blitz und Nacht/
Indem erhitzter Wetter Macht/
Mit viel verhärter Donner-Knallen
Auf meinen Scheitel dräut zu fallen.
[110]
5.
Die Erd' ermüdet mich zu tragen/
Bricht unter mir/ ich schau die Klufft/
In der man ewig Zetter rufft!
Ich schau die Werckstatt grauser Plagen/
Ich schau verruchter Seelen Pein!
Ach! was kan mehr erschrecklich seyn!
Mehr schrecklich ists/ daß in den Bränden
Die Marter nimmermehr zu enden.
6.
O grauser Anblick! kan ich sehen/
Hier schau ich was ich je begieng/
Und wider meinen Gott anfing;
Was je gewünscht/ gedacht/ geschehen!
Hier schau ich was ich unterließ/
Was ich vor Gnade von mir stieß/
Weh! weh mir! weh/ mein gantzes Leben/
War nur des Satans Dienst' ergeben/
7.
Wie wickel' ich mich aus der Ketten
Die Brust und Glieder schon umfast?
Wer rettet mich von dieser Last?
Darff ich vor Gottes Richtstul tretten?
Was geb ich an? was wend ich vor/
Ich der vor ihm stopfft Hertz und Ohr!
Kan ich ihm wol auf tausend Fragen
Auch nur ein' einig' Antwort sagen.
8.
Ach Jesu die fall ich zu Fusse/
Der du dich hast zum Heil der Welt
In Noth und Marter eingestellt/
Ich ko i in ernster Reu und Busse.
Du hast ja des Gesetzes Fluch
Und ungerechter Richter-Spruch/
Daß ich nicht ewig möcht umkommen/
Unschuldig über dich genommen.
9.
Du hast als du vor mich gestorben
Und dein gekröntes Haupt geneigt/
Und dein eröffnet Hertz gezeigt/
Mir die Gerechtigkeit erworben
Hat nicht dein Rosinfarbes Blut
Gelescht der Höll erhitzte Glut[111]
Ach ko i denn/ ko i mich zu entbinden
Ko i dann/ und tilge meine Sünden.
10.
Ach ko i und heile meine Wunden!
Brich ein/ was zwischen mir und Gott.
Du hast ja durch den heilgen Todt
Mit mir auf ewig dich verbunden.
Wie könt ich denn verlassen stehn!
Wie könt ich Trostloß von dir gehn!
Nein! nein! mit dir wil ich obsiegen/
Laßt Fluch und Sünde mich bekriegen!
Buchempfehlung
Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro