Heidelberg

[13] Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,

Du, der Vaterlandsstädte

Ländlichschönste, so viel ich sah.


Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,

Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,

Leicht und kräftig die Brücke,

Die von Wagen und Menschen tönt.


Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst

Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,

Und herein in die Berge

Mir die reizende Ferne schien,


Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,

Liebend unterzugehen,

In die Fluten der Zeit sich wirft.


Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen

Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

All ihm nach, und es bebte

Aus den Wellen ihr lieblich Bild.


Aber schwer in das Tal hing die gigantische,

Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,[14]

Von den Wettern zerrissen;

Doch die ewige Sonne goß


Ihr verjüngendes Licht über das alternde

Riesenbild, und umher grünte lebendiger

Efeu; freundliche Wälder

Rauschten über die Burg herab.


Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,

An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,

Deine fröhlichen Gassen

Unter duftenden Gärten ruhn.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 13-15.
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