|
DEr geist des alterthums schrieb den beschaumten wellen
Die künstliche Geburth der liebes-Göttin zu /
Und daß ein muschelhaus auf den gesaltznen stellen
Sowohl zur überfuhr als ihrer ersten ruh
An statt der wiege sey damals bestimmt gewesen;
Allein so wurde da die wahrheit eingehüllt /
Wer ihre Perlen nun wolt' aus dem schlamme lesen
[22] Der fand sie endlich zwar / doch frembde vorgebildt.
Zieht jenen vorhang weg und last die fabeln schweigen;
Was gilts die wahrheit wird / ja selbst der augen-schein
Euch den verdeckten grund der Sache besser zeigen /
Daß ich so Muschel / Meer als Welle müsse seyn.
In meinen gründen ist die liebe ja gebohren /
Ich bin ihr erster Sitz / ihr Stammhauß / Vaterland /
Mich hat zu dieser See selbst die natur erkohren /
An deren ufern sich das schöne Mädgen fand.
Ihr glieder möget nun vor mir die seegel streichen /
Weil ich die Götter selbst durch mich hervorgebracht /
Ihr selber müstet auch im Mutterleib' erbleichen /
Wenn nicht durch mich das Thor wär' in die welt gemacht.
Es füllet meine frucht den Himmel und die Erde /
Ich mache daß der bau der wundergroßen welt
Nicht vor der letzten zeit zu einer wüsten werde /
Die nichts als distel-sträuch und dörner in sich hält.
Ich bin das paradieß / vor dem die keuschheit wachet /
In dessen gegenden die lebens-früchte blühn /
Wo unser leben wird wie feuer angefachet /
Dabei die Söhne sich / wie Adam / gerne mühn;
Ein Tempel / wo die glutt der liebe stündlich brennet;
Ein Opffertisch / wo milch zum opffer wird gebraucht;
Ein heiligthum / daß die für Priester nur erkennet /
In deren keuscher brust ein reiner weihrauch raucht;
Ein gutes feld / das nur gerathne früchte bringet;
Ein garten / den der thau der wollust überfließt;
Ja der die anmuth hat / die alle welt bezwinget /
Und dessen blumenfeld sein eigner fluß begießt.
Ein Meer / wo Ebb' und Flutt dem Monden-lauffe gleichet;
Ein spiegel-glattes eiß / wo auch ein Riese fält;
Ein hafen / den vergnügt die Zuckerflott' erreichet;
Die Schule / die man nur für junge männer hält;
[23] Der liebe musterplatz die mannschafft auszuüben;
Ein zwinger / welcher zu / doch nicht verschlossen ist;
Die wahlstatt / wo auch wol ein Simson ist geblieben;
Das schützenhauß in dem ein jeder gerne schiest;
Ein Marckt / wo regungen durch blicke zu erlangen;
Ein wechseltisch der uns vor Jungfern / Frauen zahlt;
Ein laden / wo noch nie gebrauchte wahren hangen;
Ein thal / in welches nie das licht der Sonnen strahlt;
Ein bergwerck welches gold und silber-adern heget;
(Die wüntschelrutte schlägt offt allzu hefftig an)
Ein land / das unbesät auch keine früchte träget;
Ein abgrund / wo die welt die perlen fischen kann;
Der männer gröster schatz liegt offt in meinem fache /
Denn das behältnüß bin ich eigentlich dazu /
Drum hält die eifersucht bey mir so scharffe wache /
Damit demselbigen kein frembder eingriff thu.
Hier ist der bienenstock / wo aus der keuschen blume
Der lebens-honig wird zur rechten zeit gemacht;
Der himmel und die welt trägt den zum eigenthume
Wenn ich ihn an das licht / sein ziel davon gebracht.
Der liebe ruhestadt die liegt auff meinem grunde /
Ihr forst / in welchem sie die schönsten zobel jagt /
Die männer sind dabey die besten jäger-hunde /
Denn ihr verwegner geist ist immer unverzagt.
Wenn ich verschlossen bin / so geht die lust im leide /
Offt werden gar darum die länder ruinirt /
Und spinnen trauerflor an statt der weissen seide /
Weil meine muschel nicht den thron mit perlen ziehrt.
So kann der wohlstand sich auff meine pfeiler gründen /
Wer führt nun einen ruhm / der meinen lorbern gleicht?
Bey euch / ihr brüste wird man diesen schwerlich finden /
Die ohnmacht hat euch nicht vergebens so gebleicht.
Nur eines ärgert mich daß auch die kinder wissen
Was die erwachsenen in meinem garten thun /
Wie sie durch ihren thau mein blumenfeld begiessen /
Und mit der grösten lust auff diesem beete ruhn.
Ach könt' ich dieser brutt unnütze reden stillen!
Ein vorschlag fält mir bey: ich will auf's ehst' einmal
[24] Ihr ungewaschnes maul mit meinem wasser füllen /
Wer weiß? befrei' ich mich dadurch nicht dieser qual.
Doch meine blösse heißt itzund mich stille schweigen /
Drumb hüll' ich wieder mich in meine decken ein /
Und wil nur noch mein thun dadurch gebilligt zeigen:
Wo blumen sollen blühn muß thau und regen seyn.
Buchempfehlung
»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro