An einen Blumengarten

[89] Sehnsuchtsthränen rinnen dir oft, die süßen

Sehnsuchtsthränen später Erinnrung, werthe

Scene meiner goldenen Knabenfreuden,

Liebster der Gärten!


Deiner Beete blitzende Wechselfarben,

Wo sich Buttervögel im Thau besahen,

Und auf Silberrosen das Bild des schönen

Frühroths sich mahlte;


Deine Schattenlauben, und Blüthenwipfel,

Wo die Vögel zwitscherten, wo die Bienen

Ihr Entzücken summeten, stehn mir immer,

Immer vor Augen.


Wie die silberschwingigten Stunden tanzten,

Wann ich Veilchenkränze für meine Schwester

Wand, und deine Blumen mit buntgeschnitzten

Stäben vermählte!


Immer, immer schau ich die werthen Plätze,

Wo du mit mir wandeltest, theurer Vater!

Wo dein Mund, dein redlicher Mund, der Tugend

Schöne mich lehrte.


Und die Blumenwasen, wo meine Laura

Durch die tausendfarbichten Kräuterblümchen

Hüpfte, sanftbeglänzet vom Abendgolde,

Zephyrlich hüpfte.


Welch ein Wonnelächeln ihr um die Wangen

Floß! Noch in den Auen des Paradieses

Will ich deiner, blühender Garten, deiner,

Mädchen, gedenken.
[89]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 89-90.
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