Bey Michaelis Grabe

[90] Sey mir heilig, o Flur, wo Michaelis schläft,

Von den Edeln beklagt, wo sein gebeugter Gleim

Thränen, Thränen des Herzens,

Auf den steigenden Hügel goß.


Öde trauert umher, manches verwelkende

Blatt umwirbelt dich, Grab, flüstert dem Wandelnden

Süße Schwermuth entgegen,

Ein Verkünder der Sterbligkeit.


Wecke, kehrest du Lenz, wecke die Nachtigall

Hier zu Klagegesang, streue manch farbigtes

Blümchen unter die Neßeln,

Die hier Schauer dem Narren wehn.


Und du, seliger Geist, reiße dich lächelnd aus

Jähns Umarmungen los, schwinge, du Seraph, dich

Erdhernieder, wo schluchzend

Gleim die Laute der Trauer schlägt;


Oder schluchzend, an Schmidts Busen gesenket, spricht:

Ach, den redlichen Freund, warum entrief der Tod,

In der Blume der Jugend,

Ihn, das Muster der Biederkeit?


Warum schweiget das Spiel, welches dem Laster bald

Rache donnerte, bald leiseren Lautes scholl,

Unter den Blüthen des Mayen,

Von der Süße der Liebe scholl?


Lispl' ihm Trost in die Brust, Heiterkeit in den Blick,

Du Bewohner des Lichts, wandle dann strahlender,

Engelthränen im Auge,

Durch die Chöre der Seligen.
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Sey mir heilig, o Grab! Enkel und Enkelin

Bist du heilig, wie mir, Barden der Afterwelt

Weihn dir Lieder der Klage,

Wenn dein Moos schon begonnen ist.
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Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 90-92.
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