Ebentheuer von einem Ritter,
der sich in ein Mädchen verliebt,
und wie sich der Ritter umbrachte

[57] 1.

Ein Mann mit einem Ordensband,

Der Ritter Hardiknut,

Verließ die Stadt, und kam aufs Land,

Wie oft der Städter thut.

Von Geigern und Castraten fern,

Und vom Redutentanz,

Vertauscht' er seinen Ordensstern

Mit einem Schäferkranz.


2.

Der Schoos der Au, der Wiesenklee

Verlieh ihm süßre Rast,

Als Himmelbett' und Canapee

Im fürstlichen Pallast.

Er irrte täglich durch den Hayn,

Mit einer Brust voll Ruh,

Und sah, im Blumenmond, dem Reyhn

Der Schäferinnen zu.


3.

Stracks war sein Herz, als er im May

Hier Rößchen sah, dahin,

Er liebte bis zur Raserey

Die holde Schäferin.

Sie wurden drauf gar bald vertraut.

Was Wunder doch! Er war

Ein Mann von Welt, und wohlgebaut,

Und Rößchen achtzehn Jahr.
[57]

4.

Sie gab, durch manchen Thränenguß

Erweichet, ihm Gehör.

Zuerst bekam er einen Kuß,

Zuletzt noch etwas mehr.

Itzt wurde, nach des Höflings Brauch,

Sein Busen plötzlich lau.

Er saß nicht mehr, am Schlehenstrauch,

Mit Rößchen auf der Au.


5.

Des Dorfes, und des Mädchens satt,

Warf er sich auf sein Roß,

Flog aus dem Dorf, kam in die Stadt,

Und wieder in sein Schloß.

Hier taumelt' er von Ball zu Ball,

Vergaß der Rasenbank,

Wo, beym Getön der Nachtigall,

Sein Mädchen ihn umschlang.


6.

Sein Rößchen, das auf Wiesengrün

Mit ihren Schafen saß,

Sah Mann und Roß vorüberfliehn,

Indeß sie Blumen las.

Mein Hardiknut, mein Hardiknut!

Er sah und hörte nicht!

Und drückte sich den Reisehut

Noch tiefer ins Gesicht.


7.

Ach Jesus! ruft sie, Jesus, ach!

Vom Schrecken übermannt,[58]

Starrt sie dem falschen Buben nach,

Bis Mann und Roß verschwand.

Und schluchzt, und wirft sich in das Gras,

Verflucht, ihr Falschen, euch,

Weint ihren schönen Busen naß,

Weint ihre Wangen bleich.


8.

Kein Tanz, kein Spiel behagt ihr mehr,

Kein Abendroth, kein West,

Das Dörfchen dünkt ihr freudenleer,

Die Flur ein Vipernnest.

Ein melancholisch Heimchen zirpt

Vor ihrer Kammerthür,

Und weißagt ihren Tod. – Sie stirbt,

Beklaget sie mit mir!


9.

Die dumpfe Todtenglocke schallt,

Drauf in das Dorf. Man bringt

Den Sarg daher. Der Küster wallt

Der Bahre vor, und singt.

Der Pfarrer hält ihr den Sermon,

Und wünscht dem Schatten Ruh,

Der diesem Jammerthal entflohn,

Und klagt und weint dazu.


10.

Man pflanzt ein Kreuz, mit Flittergold

Bekränzet, auf ihr Grab,

Und manche Herzensthräne rollt

Von jeder Wang herab.[59]

Es wurde Nacht. Ein düstrer Flor

Bedeckte Thal und Höhn,

Auch kam der liebe Mond hervor,

Und leuchtete so schön.


11.

Vernehmt nun, wies dem Ritter gieng!

Er lag auf Eiderpflaum,

Um welchen rother Atlas hieng,

Und hatte manchen Traum.

Er zittert auf. Mit blauen Licht

Wird sein Gemach erfüllt,

Ein Mädchen tritt ihm vors Gesicht,

Ins Leichentuch verhüllt.


12.

Ach, Rößchen ists, das arme Kind,

Das Hardiknut berückt!

Die Rosen ihrer Wangen sind

Vom Tode weggepflückt.

Sie legt die eine kalte Hand

Dem Ritter auf das Kinn,

Und hält ihr weißes Grabgewand

Ihm mit der andern hin.


13.

Blickt drauf den ehrvergeßnen Mann,

Den Schauer überschleicht,

Dreymahl mit hohlen Augen an,

Und wimmert, und entweicht.

Sie kam drauf, jede Mitternacht,

Sobald es zwölfe schlug,[60]

Vermummt in die Gespenstertracht,

Ins weiße Leichentuch.


14.

Der Ritter fiel, in kurzer Zeit,

Drob in Melancholey,

Und ward, verzehrt von Traurigkeit,

Des Todes Conterfey.

Mit einem Dolch bewafnet, floh

Er aus der Stadt, und lief

Zum Gottesacker hin, allwo

Das arme Rößchen schlief.


15.

Wankt' an die frische Gruft, den Stahl

Dem Herzen zugekehrt,

Und sank. Sein Antlitz wurde fahl,

Und blutig ward das Schwert.

Es gieng ihm mitten durch das Herz,

Entsetzlich anzuschaun,

Die Augen starrten himmelwärts,

Und blickten Furcht und Graun.


16.

Sein Grab ragt an der Kirchhofmaur,

Der Landmann, der es sieht,

Wenns Abend wird, fühlt kalten Schaur,

Und schlägt ein Kreuz, und flieht.

Auch pflegt er, bis die Hahnen krähn,

Den Mordstahl in der Brust,

Mit glühenden Augen, umzugehn,

Wie männiglich bewußt.
[61]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 57-62.
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