Lob der Gottheit

[3] Du bist es Schöpfer, der durch einen Wink

Zahllose Welten schuff,

Der Rosen um des Morgens Stirne band,

Und um des Abends Haupt


Den Kranz von Gold. Dich lobet die Natur,

Das bunte Veilchenthal,

Die Morgenröthe, die ihr junges Bild

In jede Welle prägt.


Dich lobt der Westwind, der die grüne Fluth

Der Saaten kräuselt, Dich

Erhebt die Windsbraut, die den Eichenwald

Entwurzelt und zerreißt.


Dich lobt der Donner, der am Himmel rollt,

Und rothe Blitze sprüht,

Der Wolkenbruch, der auf die Wiese fällt,

Und sie in Meer verkehrt.


Dich loben Flocken, die das grüne Haar

Des finstren Tannenhayns

Mit Silber überstreun, und weißen Flor

Um die Gebüsche ziehn.


Die ganze Erde ist Dein Lobgesang,

Und Hymn' auf Hymne steigt

Zu Deinem Thron empor, wo Du im Licht,

Wie im Gezelte, wohnst.
[3]

Verstummest du allein, du Mensch? Erwach

Vom Schlummer, der dich drückt,

Wirf deine Blicke rings umher, und sieh

Die Wunder seiner Macht.


Preiß deinen Schöpfer, wenn der frühe Hahn

Den Morgen ausposaunt,

Erheb ihn, wenn das milde Abendroth

Die Hügelspitzen mahlt.


Erheb ihn, wenn die Nacht der See entsteigt,

Und ihr Gewand, durchwebt

Mit goldnen Sternen, und mit Mondenschein,

Rund um den Himmel wirft. –


Preiß ihn durch Hymnen, heiliges Gefühl

Ergreife dich, wenn du

Den Schöpfer denkst, der dich ins Leben rief,

Den Gott voll Gnad und Huld.
[4]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 3-5.
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