[122] Disputanten.

Disputanten und zwar / was anlangt

I. Die Præsides, betriegen 1) wenn sie ihre Disputationes oder ein Stück davon ausschreiben, und die Auctores, woraus sie diß oder jenes genommen, nicht treulich allegiren. 2) Wenn sie ausländische rare Disputationes umdrucken lassen / den Nahmen des rechten Auctoris supprimiren / und davor ihren eigenen darunter setzen / um sich / wenn ihnen Quæstio status solte moviret werden / legitimiren zu können. 3) Wenn sie sich ihre Disputationes, die sie pro Loco halten sollen / von andern gelehrten Magistris oder Professoribus verfertigen lassen / und solche hernach vor ihre eigene Arbeit ventiliren. 4) Wenn sie sich von den Opponenten die Objectiones[122] nebst den Responsionibus vorher communiciren lassen / und solche hernach auf den Catheder feliciter herlesen. 5) Wenn sie gelehrtere Respondenten nehmen / als sie sind / damit sie nicht viel decidiren dürffen, und nicht etwa möchten prostituiret werden. 6) Wenn sie in den Prolegomenis güldene Berge oder eine sonderliche Ausführung einer Materie versprechen / und man doch / nach Uberlesung derselben / nichts anders / als parturiunt Montes, darüber urtheilen kan. 7) Wenn sie in ihren Disputationibus falsche Allegata machen / oder gar Bücher und MSta allegiren / die nicht in rerum natura sind. 8) Wenn sie an Orten, wo sie wissen, daß über die Disputationes gar keine, oder eben nicht so scharffe Censur ist / gefährliche Principia und Lehr-Sätze in ihren Disputationibus vortragen /und solche pro Auctoritate defendiren wollen. 9) Wenn sie es mit dem Decano anstellen / daß er denen scharffen Opponenten sein bald Silentium gebieten muß. 10) Wenn sie ihre Decisiones mit Schreyen und vielen Subdistinctionen so confus einrichten / daß die Opponenten gantz vom Scopo abgeführt werden / und / da diese darauf nicht weiters zu excipiren mehr wissen, sie, die Præsides, victorisiret zu haben / sich rühmen wollen. 11) Wenn sie die Opponenten / die unter einander selbst widrige Principia haben, zusammen hetzen / um da sie schon in die Enge getrieben sind / sich vor den scharffen Opponenten zu liberiren. 12) Wenn sie ihre Disputationes gleich als Schediasmata heraus geben, und darnach noch verschiedene Dinge mit beybringen / die in der Disputation, aus Furcht /[123] sie möchten in Conflictu übertölpelt werden / nicht mit ventiliret worden.

II. Respondenten / betriegen / 1) Wenn sie sich auf den Titul der Disputation pro Auctoribus ausgeben, und doch daran das wenigste, auch wol nicht eine einige Zeile verfertiget / ja nicht einmahl durchgelesen haben. 2) Wenn sie die Disputationes, wovon sie sich vor Auctores fälschlich angeben, ihren Landes-Fürsten oder hohen Ministris, als Primitias oder Erstlinge ihrer erlangten Gelehrsamkeit dediciren / um desto eher Beförderung oder ein gutes Recompence zu bekommen. 3) Wenn solche von denen Præsidibus Epistolas commendatitias und von andern Professoribus, Magistris oder guten Freunden Carmina gratulatoria erbetteln / und darinnen ihre Gelehrsamkeit heraus streichen lassen. 4) Wenn sie sich die Objectiones von den Opponenten vorhero communiciren /und die Responsiones darauf von denen Præsidibus in die Feder dictiren lassen. 5) Wenn sie vor dem Conflictu denen Opponenten zu viel zutrincken / daß diese hernach ihre Objectiones nicht ordentlich proponiren können. 6) Wenn sie / ehe sie mit einander ins Auditorium gehen, sich von den Opponenten ihr Exemplar der Disputation, wozu diese etwa die Objectiones mit kurtzen Thesibus ad marginem geschrieben haben / unter dem Prætext, sie hätten das ihrige nicht bey sich, ausbitten / um nur / was und worwider sie etwa opponiren werden / daraus zu erlernen / und sich desto besser mit gegen-Pfeilen zu versehen. 7) Wenn sie eine Proposition und deren Probation wiederum in infinitum[124] probiren / und dadurch das Auditorium, als welches von dergleichen Probationibus in infinitum keinen Nutzen hat / vergeblich aufhalten. 8) Wenn sie eine Proposition, da es doch nöthig ist / gar nicht probiren lassen, sondern nur en general eine inadæquate Antwort darauf geben, um dadurch ihre Ignoranz zu verbergen. 9) Wenn sie sich anstellen, als ob sie das Argument nicht capiret hätten, um dadurch entweder selbst desto mehr Zeit zur Beantwortung desselben zu gewinnen, oder aber den Præsidem zu veranlassen, daß er ihnen drein helffe. 10) Wenn sie sich den erstern Opponenten mit Fleiß so lang herum zancken, daß die letztern, so insgemein die schärffsten sind, nicht zum Vortrag kommen können. 11) Wenn sie die Objectiones derer Opponenten als Metaphases εἰς ἄλλο γένος verwerffen, ohnerachtet es connexa mit der Disputation seyn, und diese durch jene trefflich erläutert wird. 12) Wenn sie es mit dem Pedell anlegen / daß dieser zeitlicher kommt und vorgeben muß / die bestimmte Zeit sey verflossen, da es sich doch in der That nicht also verhält, und es nur zu dem Ende geschicht, damit sie desto eher aus dem Fegfeuer erlöset werden.

III. Opponenten, betriegen 1) Wenn sie den Præsidem und Respondentem gleich anfänglich in Feruorem zu bringen suchen / damit sie confus gemachet werden, und sich nicht gleich recolligiren können. 2) Wenn sie einem und andern Paragrapho der Disputation und denen darinn enthaltenen Allegatis einen falschen Sensum affingiren. 3) Wenn sie mit Logomachien auffgezogen kommen /[125] und an statt, daß sie das Haupt-Werck angreiffen solten / nur beym Neben-Wercke bleiben, und dem Præsidi, daß er in der Disputation hier und dar wider den Priscianum geschlegelt habe, oder anders vorwerffen / da sie doch offtmahls wissen oder mercken / daß es nur Druckfehler sind. 4) Wenn sie um sich formidable zu machen, und den Præsidem oder Respondenten in ein Bocks-Horn zu jagen und zu confundiren / das Auditorium so voll schreyen daß weder Præses noch Respondens für ihnen ein Wort aufbringen können. 5) Wenn sie ihre Objectiones auf eine pur lautere sophistische Art einrichten / daß weder Præses noch Respondens sich darein zu finden wissen. 6) Wenn sie dem Præsidi captiosas Quæstiones vorlegen / um demselben / er mag solche mit ja oder mit nein beantworten, zu fangen, oder aber ihn von der Haupt-Materie zu einer andern / worinnen etwa der Præses nicht sonderlich beschlagen, abzuführen suchen. 7) Wenn sie mit dem Præside, der zumahl pro Loco disputirt, oder Respondenten um eines Interesse willen heuchlen / und ihm nicht recht auf den Zahn fühlen. 8) Wenn sie den Præsidem, der in Beantwortung ihrer vorgebrachten Argumentorum, wie von Augusto Buchnero gelesen wird / etwas blöde ist / sonsten aber das seinige wohl verstehet, ärger, als einen Tertianer, herunter machen / um dadurch die künfftige Auditores von Besuchung seiner Collegiorum abzuschrecken. 9) Wenn sie den Præsidem, da er die Decision geben will / interrumpiren und ihn nicht ausreden lassen, damit er dem Auditorio seinen Mentem nicht recht expliciren[126] könne. 10) Wenn sie dem Præsidi, der das Donum Perspicuitatis nicht hat / drein zu helffen sich anstellen, seinen Responsionibus aber einen solchen Sensum beyfügen, der ihren Objectionibus nicht contrair, hergegen dem Præsidi schnurstracks entgegen / um ihn hernach ex propria Confessione convinciren zu können. 11) Wenn sie gleich anfangs mit lächerlichen Possen aufgezogen kommen, daß das gantze Auditorium darüber lachen muß, und eingenommen wird / dem Præsidi hernachmahls / er mag auch antworten, was er wolle / abzulegen. 12) Wenn sie sich nach geendigter Disputation rühmen / wie sie Præsidem und Respondentem ad absurda gebracht hätten / da doch wohl das Gegentheil passiret ist / und sie durch solches Vorgeben, nur dem Præsidi oder Respondenten an ihrer Renommee zu schaden suchen.


Mittel: Gute academische Disputanten-Ordnung /darinnen auch auf obige Dinge reflectiret würde /könte solchem Unfug ziemlicher massen abhelffen.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 122-127.
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