Lied von dem Weg zu menschlicher Vollkommenheit

[13] Nach der Stimme: Gott, der du selber bist das Liecht.


1.

Ach milder Gott, begnade mich,

In dem ich wil erkennen dich

Und deine Wege wallen.

Erneu mein Hertz und nimm mich mir,

Ich habe mich gelobet hier,

Allein Dir zu gefallen.

Dein Will sey mein Will für und für,

So daß ich mich in dir verliehr.


2.

Das gute Werck, daß ich vollbring',

Ist ein gefügter Ketten-ring,

Von Gottes Gnad' umschlossen.

Ich thue nun, so viel ich woll,

So thu' ich doch nicht, was ich soll:

Die Schwachheit ist verdrossen;

Doch nimmet Gott den Willen an,

Wann man nur leistet, was man kan.


3.

Ich meide Sünd' und Missethat

Und thue guts durch deine Gnad,

So viel mir Huld' erschienen;

In deines Willens Heiligkeit

Bin ich zu jeder Zeit bereit,

Den Nechsten stets zu dienen,

Und traure, daß ich nicht kan seyn

In dieser Schwachheit Engelrein.


4.

Wie gerne wolt' ich hinter mir,

Was irdisch ist, vergessen hier

Und Gott allein anhangen!

Wie gerne wolt' ich Gottes Ehr

Und was gemäß ist seiner Lehr,

Ohn allen Ruhm erlangen,

Auf daß die höchste Heiligkeit

Erleuchte mich zu aller Zeit!


5.

Die ober Stuffen, die man kan

In diesem Leben tretten an,

Ist: GOTT vereinbart werden.

Dann weiß man nichts mehr als von Gott

Und achtet man für eitlen Spott

Die Nichtigkeit der Erden.

Daß ist der Frommen höchster Rhum:

Vollkommen seyn im Christenthum.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 13-14.
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