Siebente Szene


[740] Albrecht und Agnes treten auf. Albrecht ist ebenfalls gerüstet.


AGNES. Also, die Ampel, die noch fehlt, bringst du mir mit, nicht wahr? Eine eherne, mit einer langen Kette, daß sie hoch vom Gewölb niederschweben kann.

ALBRECHT. Lieber etwas andres, ich gestehs dir offen. Doch ich habs versprochen, und ich tus!

AGNES. Zürnst du mir?

ALBRECHT. Wie könnt ich! Aber es ängstigt mich, daß dir dies so am Herzen liegt! Hast du eine böse Ahnung? Ich wüßte zwar nicht, woher die dir jetzt noch kommen sollte, und dennoch muß es so sein!

AGNES. Gewiß nicht! Ei, da würd ich von meinem Sarg reden, von den Fackeln, dem Glockengeläut und allem, was ich mir sonst noch wünschte! Und wenn ich fürchtete, dir weh zu tun, würd ich sagen: Denke dir, mir hat geträumt, ich würde begraben, und darüber mußt du dich freuen, denn es bedeutet langes Leben, aber das Leichenbegängnis war so schön, daß ichs dereinst gerade so und nicht anders haben mögte. Und dann würde ichs dir beschreiben!

ALBRECHT. So will ich dir die Ampel nach dreißig Jahren schenken!

AGNES. Wenn du nicht anders willst! Angezündet soll sie ja noch nicht werden! Aber, mein Altrecht, du kennst uns nicht, du weißt nicht, wie wir sind! Ein bürgerliches Mädchen macht sich das Totenhemd gleich nach dem Hochzeitkleid, und sie[740] tut wohl daran, denn sie kann nicht wissen, wie sies sonst in ihrem Alter bekommt! Nun, das liegt mir in der Art, und so lange bin ich noch nicht die Gemahlin eines Herzogs, daß sich schon alles an mir verändert hätte! Aber, du siehst, die Demut ist schon entwichen, denn ich habe nicht, wie meine Gespielinnen, die eigenen Finger geplagt und mir das Sterbegewand genäht, ich habe den Maurer und den Zimmermann gequält und mir eine Totenkapelle erbaut! Nun steht sie, und es ist mir eine Freude, daß ich die Stätte, wo ich meinen längsten Schlaf halten soll, jetzt schon kenne, ja daß ich sie betreten und dort im voraus für mich beten kann! Darum mögt ich auch die Ampel gleich aufhängen, sonst wär mir da in der letzten Stunde ja doch noch etwas fremd!

ALBRECHT. Wenn es nur das ist!

AGNES. Was sonst? Ich seh schon bei Tage einmal nach meinem Bett, weiter nichts! Ei, merkst du denn noch etwas von jener Angst und Beklommenheit an mir, die mich ergriff, als du so ungestüm von Regensburg zurückkehrtest und mich hierher führtest? Damals zitterte ich für mich und dich! Noch hatte ich mich an Vohburg nicht gewöhnt, noch lief ich, wie ein Kind, von Gemach zu Gemach und konnte keins finden, das mir eng genug war, und schon mußt ich das kleine Schloß mit diesem großen vertauschen, neben dem es sich ausnahm, wie mein armes Vaterhaus sich neben ihm ausgenommen hatte! Ach, die Musik unterwegs, das wilde Lebehoch der Bauern, die sich mit ihren Sensen und Pflugeisen um uns zusammenrotteten, die Blumen, die man uns streute, alles entsetzte mich. Du selbst kamst mir ganz fremd vor, weil dus littest und dich darüber freutest; ich erschrak zu Tode, als du hier sogar die Glocken läuten lassen wolltest! Aber das ist vorbei, längst vorbei! Du hörst ja, ich selbst nenne Vohburg jetzt klein, ich wundere mich gar nicht mehr, wenn sich die Armen und Bittenden des Morgens um mich drängen, ich kann fragen, wie eine geborne Herzogin, ich kann den Kopf schütteln und fast abschlagen, ich sollte mich schämen!

ALBRECHT. So will ich dich!

AGNES. Nur in meinen Träumen gehts anders her, sonst würd ich gewiß zu stolz! Da kehrt die alte Zeit wieder, wo ich die Brotkrumen[741] sorgfältig auflesen mußte, die zu Boden fielen, und wo mein Geburtstagsgeschenk meistens darin bestand, daß ich nicht gescholten wurde, wenn ich etwas tat, was nicht ganz recht war. Noch in der letzten Nacht, du mit deiner immer offnen Hand wirst lachen, bat ich meinen Vater glühend und stotternd um irgend eine Kleinigkeit, und er sagte, was er gewöhnlich zu sagen pflegte, wenn er eine Bitte nicht zweimal hören wollte: gut, es sei, aber dann kann ich ein halbes Jahr lang keinen Tropfen Wein mehr trinken! Ich war noch recht unwillig auf ihn, als ich erwachte, aber nun – Ich hab ihn doch wenigstens einmal wieder gesehen!

ALBRECHT. Du wirst ihn – – Er unterbricht sich. Da hab ich dich um die Überraschung gebracht!

AGNES. Nein, mein Altrecht! Ich habs recht gut gemerkt, aber wenn er kommen wollte, wär er längst da gewesen! Ich kann mir auch denken, was ihn abhält, und du mußt ihn darum ehren!

ALBRECHT. Ich glaube doch, er wird diesmal nachgeben! Sonst gehen wir im Winter nach Augsburg zum Mummenschanz.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 740-742.
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