Vierte Szene

[168] BRUNHILD.

War das nicht Kriemhild?

GUNTHER.

Ja.

BRUNHILD.

Wie lange bleibt

Sie noch am Rhein?[168]

GUNTHER.

Sie wird wohl nächstens ziehn,

Denn Siegfried muß zu Haus.

BRUNHILD.

Ich geb ihm Urlaub

Und schenke ihm den Abschied obendrein.

GUNTHER.

Ist er dir so verhaßt.

BRUNHILD.

Ich kanns nicht sehn,

Daß deine edle Schwester sich erniedrigt.

GUNTHER.

Sie tut, wie du.

BRUNHILD.

Nein, nein, du bist ein Mann!

Und dieser Name, der mir sonst so feindlich

Erklang, erfüllt mich jetzt mit Stolz und Lust!

Ja, Gunther, ich bin wunderbar verwandelt:

Du siehsts ja wohl? Ich könnte dich was fragen

Und tu es nicht!

GUNTHER.

Du bist mein edles Weib!

BRUNHILD.

Ich hör mich gern so nennen, und es kommt

Mir jetzt so seltsam vor, daß ich das Roß

Getummelt und den Speer geworfen habe,

Als säh ich dich den Bratenwender drehn!

Ich mag die Waffen nicht mehr sehn, auch ist

Mein eigner Schild mir jetzt zu schwer, ich wollte

Ihn auf die Seite stellen, und ich mußte

Die Magd um Beistand rufen! Ja, ich mögte

Jetzt lieber lauschen, wie die Spinnen weben,

Und wie die Vögel ihre Nester baun,

Als dich begleiten!

GUNTHER.

Dies Mal muß es sein!

BRUNHILD.

Ich weiß warum. Vergib mir! Großmut wars!

Was ich für Ohnmacht hielt. Du wolltest mich

Nur nicht beschämen, als ich auf dem Schiff

So unhold trotzte! Davon wohnte nichts

In meiner Brust, und darum ist die Kraft,

Die sich in einer Laune der Natur

Zu mir verirrte, heimgekehrt zu dir!

GUNTHER.

Versöhne dich, da du so milde bist,

Denn auch mit Siegfried!

BRUNHILD.

Diesen nenne nicht!

GUNTHER.

Doch hast du keinen Grund, ihm gram zu sein.[169]

BRUNHILD.

Ich hab auch keinen! Wenn ein König sich

So weit erniedrigt, Führerdienst zu leisten

Und Boten abzulösen, ist es zwar

So wunderlich, als ließe sich der Mensch

Fürs Pferd den Sattel auf den Rücken schnallen

Und bellte oder jagte für den Hund,

Allein, wenns ihm gefällt, was kümmerts mich!

GUNTHER.

So war es nicht.

BRUNHILD.

Auch wirds nur um so lustger,

Wenn er dabei so hoch an Haupt und Gliedern

Hervorragt vor den andern, daß man glaubt,

Er sammle sich von allen Königen

Der Welt die Kronen ein, um eine einzge

Daraus zu schmieden und die Majestät

Zum ersten Mal im vollen Glanz zu zeigen,

Denn, das ist wahr, solange auf der Erde

Noch mehr, als eine, glänzt, ist keine rund,

Und statt des Sonnenringes trägst auch du

Nur einen blassen Halbmond auf der Stirn!

GUNTHER.

Siehst du, daß du ihn schon mit andern Augen

Betrachtet hast?

BRUNHILD.

Ich habe ihn vor dir

Begrüßt! Das räche! Fordre – töte ihn!

GUNTHER.

Brunhild! Er ist der Gatte meiner Schwester,

Und sein Blut ist das meinige.

BRUNHILD.

So kämpfe

Mit ihm und wirf ihn nieder in den Staub

Und zeige mir, wie herrlich du erscheinst,

Wenn er der Schemel deiner Füße ist.

GUNTHER.

Auch das ist hier nicht Brauch.

BRUNHILD.

Ich laß nicht ab,

Ich muß es einmal sehn. Du hast den Kern,

Das Wesen, er den Schein und die Gestalt!

Zerblase diesen Zauber, der die Blicke

Der Toren an ihn fesselt. Wenn Kriemhild

Die Augen, die sie jetzt an seiner Seite

Doch fast zu kühn erhebt, auch senken muß,

So schadets ja wohl nicht, ich aber werde[170]

Dich noch ganz anders lieben, wenn dus tust.

GUNTHER.

Auch er ist stark!

BRUNHILD.

Ob er den Lindwurm schlug

Und Alberich bezwang: das alles reicht

Noch nicht von fern an dich. In dir und mir

Hat Mann und Weib für alle Ewigkeit

Den letzten Kampf ums Vorrecht ausgekämpft.

Du bist der Sieger, und ich fordre nichts,

Als daß du dich nun selbst mit all den Ehren,

Wornach ich geizte, schmücken sollst. Du bist

Der Stärkste auf der Welt, drum peitsche ihn

Zu meiner Lust aus seiner goldnen Wolke

Heraus, damit er nackt und bloß erscheint,

Dann leb er hundert Jahre oder mehr.


Beide ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 168-171.
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