[516] Mariamne tritt ein.
ALEXANDRA für sich.
Sie kommt! Ja, wär sie von ihm abzuziehn
Und zu bewegen, mir nach Rom zu folgen,
Dann – Doch, sie haßt und liebt ihn jetzt zugleich!
Wag ich noch einen letzten Sturm? Es sei!
Sie eilt auf Mariamne zu.
Du suchst den Trost, wo er zu finden ist!
Komm an mein Herz!
MARIAMNE.
Den Trost?
ALEXANDRA.
Brauchst du ihn nicht?
Dann hab ich dich verkannt! Doch hatt ich Grund,
Dich für ein Weib, wie du keins bist, zu halten,
Du warst bei mir verleumdet!
MARIAMNE.
Ich? Bei dir?
ALEXANDRA.
Man sprach mir von Umarmungen und Küssen,
Die du dem brudermördrischen Gemahl
Gleich nach dem Mord – Verzeih, ich hätte es
Nicht glauben sollen.
MARIAMNE.
Nicht?
ALEXANDRA.
Nein! Nimmermehr!
Aus mehr als einem Grund nicht! Hättest du
Dem blutgen Schatten deines Bruders auch
Das schwesterliche Opfer einer Rache[516]
Herzlos entziehen können, die du nicht
Durch Judiths Schwert und nicht durch Rahabs Nagel,
Nein, einzig durch ein Wenden deines Mundes
Und durch ein stilles Kreuzen deiner Arme
Dir nehmen und dem Toten weihen solltest:
Er selbst, der Mörder, hätte nicht gewagt,
Sich dir zu nähern, denn du gleichst dem Toten,
Du wärst ihm vorgekommen, wie der Leichnam
Des Aristobolus, den man geschminkt,
Er hätt sich schaudernd von dir abgewandt.
MARIAMNE.
Er tat das eine nicht, noch ich das andre!
ALEXANDRA.
So sei – Doch nein! Vielleicht blieb dir ein Zweifel
An seiner Schuld noch. Willst du den Beweis?
MARIAMNE.
Ich brauch ihn nicht!
ALEXANDRA.
Du brauchst –
MARIAMNE.
Er gilt mir nichts!
ALEXANDRA.
Dann – Doch ich halt den Fluch auch jetzt zurück,
Es hat dich ja ein andrer schon getroffen!
Du gehst noch in den Ketten einer Liebe,
Die niemals ruhmvoll war –
MARIAMNE.
Ich dächte doch,
Ich hätt mir den Gemahl nicht selbst gewählt,
Ich hätte mich nur in das Los gefügt,
Das du und Hyrkan über mich, die Tochter
Und Enkelin, mit Vorbedacht verhängt.
ALEXANDRA.
Ich nicht, mein feiger Vater schloß den Bund.
MARIAMNE.
So tat er, was dir nicht gefiel?
ALEXANDRA.
Das nicht!
Sonst wäre ich zuvor mit dir entflohn,
Mir stand die Freistatt in Ägypten offen,
Ich sag nur, der Entschluß ging aus von ihm,
Dem ersten Hohenpriester ohne Mut,
Und ich bekämpfte bloß den Widerwillen,
Mit dem ich anfangs ihn vernahm. Allein
Ich tat es, denn ich fand des Feiglings Handel
In kurzem gut, und gab für Edoms Schwert
Die Perle Zions, als er drängte, hin!
Ja, wär die Schlange, die Cleopatra[517]
Um jene Zeit gestochen, eine giftge
Gewesen, oder wär Antonius
Auch nur auf seinem Zug hieher gekommen,
Ich hätte nein gesagt! Nun sagt ich ja!
MARIAMNE.
Und dennoch –
ALEXANDRA.
Ich erwartete von dir,
Daß du den Kaufpreis nicht vertändeln würdest,
Und daß du den Herodes –
MARIAMNE.
O, ich weiß!
Ich hätte mir von ihm für jeden Kuß
Im voraus einen Kopf, der dir mißfiel,
Bedingen und zuletzt, wenn keiner dir
Mehr trotzte, als sein eigner, ihn zum Selbstmord
Bewegen, oder auch, wenn das nicht ging,
An ihm in stiller Nacht die Katzentat
Der Judith listig wiederholen sollen,
Dann hättst du mich mit Stolz dein Kind genannt!
ALEXANDRA.
Mit größerem, als jetzt, ich leugn es nicht.
MARIAMNE.
Ich zog es vor, dem Mann ein Weib zu sein,
Dem du mich zugeführt, und über ihn
Die Makkabäerin so zu vergessen,
Wie er den König über mich vergaß.
ALEXANDRA.
Du schienst dich doch in Jericho auf sie
Noch einmal zu besinnen, wenigstens
Warst du die erste, die mit einer Klage
Hervortrat, als ich selbst sie noch zurückhielt,
Um dich zu prüfen. Wars nicht so?
MARIAMNE.
In Jericho
Verwirrte mich das gräßliche Ereignis,
Es kam zu schnell, vom Tisch ins Bad, vom Bad
Ins Grab, ein Bruder, ja, mir schwindelte!
Doch, wenn ich meinem König und Gemahl
Argwöhnisch und verstockt die Tür verschloß,
Bereu ichs jetzt, und kanns mir nur verzeihn,
Wenn es geschehn ist, wie in Fiebers Glut!
ALEXANDRA.
In Fiebers Glut!
MARIAMNE halb für sich.
Auch hätt ichs nicht getan,
Wär er in Trauerkleidern nicht gekommen![518]
Rot, dunkelrot hätt ich ihn sehen können,
Doch –
ALEXANDRA.
Ja, die fand er rasch! Er hatte sie
Voraus bestellt, wie andre Mörder sich,
Wo möglich, Wasser schöpfen, eh sie morden –
MARIAMNE.
Mutter, vergiß nicht!
ALEXANDRA.
Was? Daß du das Weib
Des Mörders bist? Das bist du erst geworden,
Und bist es nur so lange, als du willst,
Ja, bists vielleicht, wer weiß! schon jetzt nicht mehr;
Des Toten Schwester aber warst du stets
Und wirst es bleiben, wirst es dann sogar
Noch sein, wenn du – du scheinst dazu geneigt –
Ins Grab ihm nachrufst: Dir ist recht geschehn!
MARIAMNE.
Ich bin dir Ehrfurcht schuldig, und ich mögte
Sie nicht verletzen, darum halte ein!
Ich könnte sonst –
ALEXANDRA.
Was könntest du?
MARIAMNE.
Mich fragen,
Wer Schuld ist an der Tat, ob der, der sie
Vollbrachte, weil er mußte, oder die,
Die sie ihm abdrang! Laß den Toten ruhn!
ALEXANDRA.
So sprich zu einer, die ihn nicht gebar!
Ich trug ihn unterm Herzen, und ich muß
Ihn rächen, da ich ihn nicht wecken kann,
Daß er sich selber räche!
MARIAMNE.
Räch ihn denn,
Doch räch ihn an dir selbst! Du weißt recht gut,
Daß es der Hohepriester war, der rings
Vom Volk umjauchzte, selbst schon schwindelnde,
Und nicht der Jüngling Aristobolus,
Der gegen sich hervorrief, was geschah.
Wer trieb den Jüngling nun, das sag mir an,
Aus seiner Selbstzufriedenheit heraus?
Es fehlt' ihm ja an bunten Röcken nicht,
Die Blicke schöner Mädchen anzuziehn,
Und mehr bedurft er nicht zur Seligkeit.[519]
Was sollt ihm Aarons Priestermantel noch,
Den du zum Überfluß ihm überhingst?
Ihm kam von selbst ja kein Gedanke drin,
Als der: wie steht er mir? Doch andre hielten
Ihn seit dem Augenblick, daß er ihn trug,
Fürs zweite Haupt von Israel, und dir
Gelang es bald, ihn selbst so zu betören,
Daß er sich für das erste, einzge hielt!
ALEXANDRA.
Du lästerst ihn und mich!
MARIAMNE.
Ich tu es nicht!
Wenn dieser Jüngling, der geboren schien,
Der Welt den ersten Glücklichen zu zeigen,
Wenn er so rasch ein dunkles Ende fand,
Und wenn der Mann, der jeden andern Mann,
Wie er sein Schwert nur zieht, zum Weibe macht,
Wenn er – ich weiß nicht, ob ers tat, doch fürcht ichs;
Dann tragen Ehrsucht, Herrschgier, zwar die Schuld,
Doch nicht die Ehrsucht, die der Tote hegte,
Und nicht die Herrschgier, die den König plagt!
Ich will dich nicht verklagen, mir geziemts nicht,
Ich will dafür, daß du uns ein Gespenst,
Ein blutges, in die Ehekammer schicktest,
Von dir nicht eine Reueträne sehn,
Obgleich wir nie jetzt mehr zu zweien sind,
Und mir der dritte so den Sinn verstört,
Daß ich verstumme, wenn ich reden sollte,
Und daß ich rede, wenn zu schweigen wär;
Ich will nicht einmal deinen Rachedurst
Ersticken, will nicht fragen, was du rächst,
Ob deine Pläne oder deinen Sohn:
Tu, was du willst, geh weiter, halte ein,
Nur sei gewiß, daß du, wenn du Herodes
Zu treffen weißt, auch Mariamne triffst;
Den Schwur, den ich zurückhielt, als er scheidend
Ihn foderte, den leist ich jetzt: Ich sterbe,
Wenn er stirbt. Handle denn und sprich nicht mehr!
ALEXANDRA.
So stirb! Und gleich! Denn –
MARIAMNE.
Ich verstehe dich![520]
Und deshalb glaubtest du, ich brauchte Trost?
O nein! Du irrst! Es schreckt mich nicht,
Wenn das Gesindel, das die Auserwählten
Nur, weil sie menschlich-sterblich sind, erträgt,
Ihn mit dem Mund schon totgeschlagen hat.
Was bleibt dem Sklaven übrig, wenn der König
In Pracht und Herrlichkeit vorüberbraust,
Als sich zu sagen: Er muß dran, wie ich!
Ich gönn ihm das! Und wenn er an den Thron
Ganz dicht ein Schlachtfeld rückt mit tausend Gräbern,
So lob ichs, es erstickt in ihm den Neid!
Doch, daß Herodes lebt und leben wird,
Sagt mir mein Herz. Der Tod wirft einen Schatten,
Und der fällt hier hinein!
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
|
Buchempfehlung
Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.
98 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro