Vierte Szene

[521] EIN DIENER.

Der Vizekönig!

ALEXANDRA.

Gewiß bewaffnet, wie er immer ist,

Wenn er zu uns kommt, seit es ihm mißlang,

Durch Schmeichelei den Sinn uns zu betören,

Wie ers im Anfang zu versuchen schien.

Weißt du, daß Salome in jener Zeit

Vor Eifersucht verging,

MARIAMNE.

Sie tuts noch jetzt!

Denn lächelnd und vertraulich sag ich ihm,

Wenn sie dabei ist, stets die schlimmsten Dinge,

Und da sie selbst nicht müde wird, zu spähn,

So werde ich nicht müde, sie zu strafen

Für ihre Torheit!

JOSEPH tritt ein.

ALEXANDRA auf Josephs Waffen deutend.

Siehst du?

MARIAMNE.

Mag er doch!

Sein Weib verlangts, damit sie träumen kann,

Sie habe einen kriegrischen Gemahl.

ALEXANDRA zu Joseph.

Ich bin noch da![521]

JOSEPH.

Ein seltsamer Empfang.

ALEXANDRA.

Mein Sohn ist auch noch da! Er hat, wie einst,

In eine Totenkiste sich versteckt.

Jag ihn heraus, ich wills dafür verzeihn,

Daß du das einmal ungeheißen tatst.

Du mußt die Kiste aber diesmal nicht

Auf einem Schiff, das nach Ägypten segelt,

Du mußt sie suchen in des Kirchhofs Bauch.

JOSEPH.

Ich bin nicht der, der Tote wecken kann!

ALEXANDRA mit Hohn gegen Mariamne.

Wohl wahr! Sonst wärst du sicher mitgezogen,

Um deinen Herrn, wenn ihn sein Knien und Flehn

Vor dem Liktoren-Beil nicht schützen sollte –

MARIAMNE.

Er kniet und fleht!

JOSEPH zu Mariamne.

Ich kann dir zeigen wie!

»Man hat mich des geziehn!« Ich räum es ein.

»Des aber nicht!« Ich füg es gleich hinzu,

Damit du alles weißt! – So wird ers machen.

ALEXANDRA.

Prahlst du für ihn?

JOSEPH.

So hat ers schon gemacht!

Ich stand dabei, da ihn die Pharisäer

Verklagen wollten beim Antonius.

Er hatte es statt ihrer selbst getan,

Vorausgeeilt ins Lager, wie er war,

Und sagte, als sie kamen, Punkt für Punkt

Die Rechnung wiederholend und ergänzend:

Sprecht, ob ich etwas ausließ oder nicht!

Den Ausfall kennst du, mancher von den Klägern

Verlor den starren Kopf, als sie nicht wichen,

Er trug des Römers volle Gunst davon.

ALEXANDRA.

Da waren beide jünger, wie sie jetzt sind.

Des einen Übermut gefiel dem andern,

Und um so mehr, weil er auf fremde Kosten

Geübt ward, nicht auf eigne. Kann dem Römer

Der Pharisäer denn was sein, des Zunge

Beständig Aufruhr predigt gegen Rom?

Wer dem den Bart rauft, kürzt sein Ansehn! dachte

Antonius und lachte, doch ich zweifle,[522]

Ob er das auch geschehn läßt an sich selbst!

JOSEPH.

Du sprichst, als wünschtest du –

ALEXANDRA.

Ob unsre Wünsche

Zusammengehn, ob nicht, was kümmerts dich?

Halt du den deinen fest! Für dich ists wichtig,

Daß er zurückkehrt!

JOSEPH.

Meinst du? Wenn für mich,

So auch für dich!

ALEXANDRA.

Ich wüßte nicht, warum?

Es gab schon einmal eine Alexandra,

Die eine Krone trug in Israel,

Die zugriff, als sie frei geworden war,

Und sie nicht liegen ließ für einen Dieb.

Es soll, bei Gott! nicht an der zweiten fehlen,

Wenns wirklich


Zu Mariamne.


Makkabäerinnen gibt,

Die kindsche Schwüre halten!

JOSEPH aushorchend.

Es ist wahr!

Solch eine Alexandra gabs einmal,

Doch, wer ihr Ziel erreichen will, der muß

Ihr Beispiel ganz befolgen, nicht nur halb.

Sie söhnte sich, als sie den Thron bestieg,

Mit allen ihren Feinden aus, nun hatte

Niemand von ihr zu fürchten, nur zu hoffen,

Kein Wunder, daß sie fest saß bis zum Tod!

MARIAMNE.

Das find ich kläglich! Wozu einen Zepter,

Wenn nicht, um Haß und Liebe zu befriedgen?

Die Fliegen zu verscheuchen gnügt ein Zweig!

JOSEPH.

Sehr wahr!


Zu Alexandra.


Und du?

ALEXANDRA.

Sie sah im Traum wohl nie

Den Ahnherrn ihres Stamms, den großen Judas,

Sonst hätt sie wahrlich keinen Feind gescheut,

Denn noch vom Grab aus schützt er seine Enkel,

Weil er in keinem Herzen sterben kann.

Wie sollt er auch! Es kann ja niemand beten,

Der sich nicht sagen muß: ich dank es ihm,

Daß ich noch knieen darf vor meinem Gott

Und nicht vor Holz, vor Erz und Stein!

JOSEPH für sich.

Der König[523]

Hat recht gehabt! Ich muß die Tat vollbringen,

Und zwar an beiden, oder sie erleiden.

Ich muß mir auf das Haupt die Krone setzen,

Wenn ichs vorm Beil des Henkers sichern will.

Hier starrt mir eine Welt von Haß entgegen!

Wohlan, sie sprachen sich das Urteil selbst;

Ich hab sie jetzt zum letzten Mal geprüft,

Und wäre nur sein Bote da, ich würde

Es mitleidslos den Augenblick vollziehn!

Jedwede Vorbereitung ist getroffen.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 521-524.
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