[524] EIN DIENER.
Der Hauptmann Titus bittet um Gehör!
JOSEPH.
Sogleich!
Will gehen.
ALEXANDRA.
Warum nicht hier?
DER DIENER.
Da ist er schon!
TITUS tritt ein; zu Joseph, heimlich.
Was du befürchtetest, geschieht, das Volk
Empört sich!
JOSEPH.
Tu denn rasch, was ich befahl,
Stell die Cohorte auf und rücke aus!
TITUS.
Das tat ich schon. Nun komm ich, dich zu fragen,
Ob du Gefangne oder Tote willst?
Mein Adler packt so gut, als er zerfleischt,
Und du mußt wissen, was dir besser frommt.
JOSEPH.
Blut darf nicht fließen!
TITUS.
Gut! So hau ich ein,
Eh sie die Steinigung begonnen haben,
Sonst tät ichs später!
JOSEPH.
Sahst du Sameas?
TITUS.
Den Pharisäer, der sich einst die Stirn
An meinem Schild fast einstieß, weil er stets
Die Augen schließt, sobald er mich erblickt?
Den sah ich allerdings!
JOSEPH.
Und wie? Sprich laut!
TITUS.
Auf offnem Markt, von Tausenden umringt,
Herodes laut verfluchend![524]
JOSEPH zu Alexandra.
Sameas
Ging erst vor einer Stunde fort von dir!
ALEXANDRA.
Sahst dus?
TITUS zu Joseph.
Erscheinst du selbst?
JOSEPH.
Sobald ich kann!
Einstweilen –
TITUS.
Wohl! Ich geh!
Will gehen.
ALEXANDRA ruft ihn um.
Ein Wort noch, Hauptmann!
Warum entzogst du uns die Wache?
MARIAMNE.
Fehlt sie?
ALEXANDRA.
Seit gestern abend. Ja!
JOSEPH.
Weil ichs gebot!
TITUS.
Und weil der König, als er ging, mir sagte:
Dies ist der Mann, der meinen Willen weiß,
Was er gebietet, das gebiet ich selbst!
Ab.
ALEXANDRA zu Joseph.
Und du?
JOSEPH.
Ich dachte, Judas Makkabäus
Wär Schutz genug für dich und deine Tochter.
Im übrigen, du hörst, wie's draußen steht:
Ich brauche die Soldaten!
Für sich.
Wenn die Römer
So nahe wären, könnt es mir mißglücken!
Heut schickt ich Galiläer!
ALEXANDRA zu Mariamne.
Meinst du noch,
Mein Argwohn habe keinen Grund?
MARIAMNE.
Ich weiß nicht,
Doch jetzt steckt er mich an. Dies find ich seltsam!
Obgleich – Wenn aus der Wand ein Wurfspieß führe,
Es käme mir nicht unerwarteter!
ALEXANDRA.
Zwei Stöße, und der Weg zum Thron ist frei;
Denn, gibt es keine Makkabäer mehr,
So kommen die Herodianer dran.
MARIAMNE.
Ich würde dich noch jetzt verlachen, wäre
Nicht Salome sein Weib! – Bei meinem Bruder,
Ihr Kopf ist mein! Ich spreche zu Herodes:
Wie du mich rächst an ihr, so liebst du mich!
Denn sie, nur sie ists! Der da nimmermehr!
ALEXANDRA.
Du triumphierst zu früh! Erst gilts zu handeln,
Und diesen Aufstand, dächt ich, nutzten wir![525]
MARIAMNE.
Mit diesem Aufstand hab ich nichts zu schaffen,
Denn wenn Herodes wiederkehrt, so bleibt
Mir nichts zu fürchten, und wenn nicht, so kommt
Der Tod in jeglicher Gestalt mir recht!
ALEXANDRA.
Ich geh!
Will ab.
JOSEPH vertritt ihr den Weg.
Wohin?
ALEXANDRA.
Fürs erste auf die Zinne
Und dann, wohin es mir gefallen wird!
JOSEPH.
Zur Zinne steht der Weg dir frei! Die Burg
Ist abgesperrt!
ALEXANDRA.
So wären wir Gefangne?
JOSEPH.
So lange, bis die Ruhe hergestellt ist,
Muß ich dich bitten –
ALEXANDRA.
Was erkühnst du dich?
JOSEPH.
Ein Stein ist blind, ein römscher Wurfspieß auch,
Sie treffen beide oft, was sie nicht sollen,
Drum muß man ihnen aus dem Wege gehn!
ALEXANDRA zu Mariamne.
Ich steig hinauf und suche meinen Freunden
Durch Zeichen kundzutun, wie's mit uns steht.
MARIAMNE.
Durch Zeichen – deinen Freunden – Mutter, Mutter!
So bist dus wirklich selbst und nicht das Volk?
Wenn du dir selbst nur nicht die Grube gräbst!
ALEXANDRA will gehen.
JOSEPH.
Du wirst gestatten, daß dich mein Trabant
Begleitet. Philo!
ALEXANDRA.
Also offner Krieg?
PHILO tritt ein.
JOSEPH redet mit ihm, anfangs leise, dann laut.
Du hast verstanden?
PHILO.
Ja!
JOSEPH.
Im schlimmsten Fall!
PHILO.
Den wart ich ab, dann –
JOSEPH.
Und mir bürgt dein Kopf!
Für sich.
Mir deucht, Herodes' Geist ist über mir!
ALEXANDRA für sich.
Ich gehe doch! Vielleicht ist der Soldat,
Obgleich ein Galiläer, zu gewinnen![526]
Versuchen will ich es!
Ab.
PHILO folgt ihr.
JOSEPH für sich.
Ich kann nicht anders,
Wie sehr es mich verdächtgen mag, der Aufruhr
Zwingt mich zu diesem Schritt, ich darf sie jetzt
Nicht aus den Augen lassen, wenn ich mir
Die Tat nicht selbst unmöglich machen will,
Denn jede Stunde kann sein Bote kommen!
Ihn selbst erwarte ich schon längst nicht mehr.
MARIAMNE.
Wann starb Herodes?
JOSEPH.
Wann er starb?
MARIAMNE.
Und wie?
Du mußt es wissen, da du so viel wagst!
JOSEPH.
Was wag ich denn? Du gibst mir Rätsel auf!
MARIAMNE.
Nichts, wenn du glaubst, ich finde keinen Schutz,
Sobald die Römer hören, daß mein Leben
Bedroht ist, alles, wenn du darin irrst.
JOSEPH.
Und wer bedroht dein Leben?
MARIAMNE.
Fragst du noch?
Du!
JOSEPH.
Ich?
MARIAMNE.
Kannst du das Gegenteil mir schwören?
Kannst dus bei deines Kindes Haupt? – Du schweigst!
JOSEPH.
Du hast mir keine Schwüre abzufodern.
MARIAMNE.
Wer so verklagt wird, leistet sie von selbst.
Doch weh dir, wenn Herodes wiederkehrt!
Ich sag ihm zweierlei vorm ersten Kuß,
Ich sag ihm, daß du sannst auf meinen Mord,
Ich sag ihm, was ich schwur: ermiß nun selbst,
Welch Schicksal dich erwartet, wenn er kommt!
JOSEPH.
Und was – was schwurst du? Wenns mich schrecken soll,
So muß ichs wissen.
MARIAMNE.
Hörs zu deinem Fluch!
Daß ich mit eigner Hand mich töten will,
Wenn er – O, hätt ich das geahnt! Nicht wahr? –
Dann hätte ich an einen kalten Gruß
Mich nie gekehrt, ich hätte fortgefahren,
Wie ich begann, und alles stünde wohl![527]
Denn anfangs warst du ein ganz andrer Mann!
JOSEPH.
Ich habe nichts zu fürchten!
MARIAMNE.
Weil du meinst,
Es sei unmöglich, daß er wiederkehrt!
Wer weiß! Und wenn! Ich halte meinen Schwur,
Doch eher nicht, bis ich an dir mich rächte,
Bis ich an dir, erzittre, so mich rächte,
Wie er mich rächen würde! Zieh doch jetzt
Sogleich dein Schwert! Du wagst es nicht? Ich glaubs!
Und wie du mich auch hüten magst, ich finde
Zum Hauptmann Titus sicher einen Weg!
Verloren ist dein Spiel, seit ichs durchschaut.
JOSEPH für sich.
Wahr, wahr!
Zu Mariamne.
Ich halte dich beim Wort! Du rächst
Dich so, ganz so, wie er dich rächen würde!
Das hast du mir gelobt! Vergiß es nicht!
MARIAMNE.
So spricht der Wahnwitz! Daß Herodes mich
Mehr liebt, wie ich mich selber lieben kann,
Wird keiner, wird nicht einmal Salome,
Dein tück'sches Weib, bezweifeln, wenn sie mich
Auch eben darum doppelt hassen, wenn sie
Auch eben darum dir den Mordgedanken
Rachsüchtig eingegeben haben mag!
Daß er von ihr kommt, weiß ich, und ich will
Sie treffen, daß sies fühlt, ihr Schmerz um dich
Soll meine letzte Lust auf Erden sein!
JOSEPH.
Du irrst dich! Doch gleichviel! Ich hab dein Wort!
MARIAMNE.
Du wiederholst es noch einmal? Verruchter,
Welch einen Aufruhr nächtlicher Gedanken
Weckst du mir in der Brust und welchen Argwohn!
Du sprichst, als ob Herodes selber mich
Zum Opfertier und dich zum Opferpriester
Erkoren hätte. Ist es so? Beim Abschied
Entfiel ihm, mit Entsetzen denk ich dran,
Ein dunkles Wort. Gib Antwort!
JOSEPH.
Diese geb ich
Sobald es nötig ist, sobald ich weiß,
Daß er –[528]
MARIAMNE.
Dich nicht mehr Lügen strafen kann,
Wenn du ihn feig und schlecht des Schrecklichsten,
Des Maßlos-Ungeheuersten verklagtest,
Bloß um dich selbst vor mir zu reinigen?
Ich sage dir, ich höre dich nur jetzt,
Wo er vielleicht, eh du noch endigtest,
Schon in die Tür tritt und dich niederstößt!
Schweig denn auf ewig, oder sprich sogleich!
JOSEPH.
Und wenn es wär? Ich sag nicht, daß es ist!
Doch wenn es wär? Was würd es anders sein,
Als die Bestätgung dessen, was du fühlst,
Als ein Beweis, daß er dich liebt, wie nie
Ein Mann sein Weib noch liebte?
MARIAMNE.
Was ist das?
Mir deucht, schon einmal hab ich das gehört!
JOSEPH.
Ich dächte doch, es könnte dir nur schmeicheln,
Wenn ihm der Tod nicht halb so bitter wär,
Als der Gedanke, dich –
MARIAMNE.
Was gilt die Wette,
Ich selber bring es jetzt für dich zu Ende!
Als der Gedanke, mich zurückzulassen
In einer Welt, wo ein Antonius lebt!
JOSEPH.
Nun ja! Ich sag nicht, daß er das gesagt –
MARIAMNE.
Er hats gesagt! Er hat – Was hat er nicht!
O, daß er endlich käme!
JOSEPH.
Mariamne! –
Für sich.
Wie hab ich mich verstrickt! Zwar tat ich nichts,
Als was ich mußte! Doch mich packt ein Grauen,
Daß er – ich seh den Aristobolus.
Verflucht die Tat, die einen Schatten wirft,
Eh sie ins Leben tritt!
MARIAMNE.
So war das mehr,
Als eine tolle Blase des Gehirns,
Wie sie zuweilen aufsteigt und zerplatzt,
So wars – Von jetzt erst fängt mein Leben an,
Bis heute träumt ich![529]
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
|
Buchempfehlung
Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.
114 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro