Sechste Szene

[563] SALOME.

Ich muß ja wohl,

Wenn ich erfahren will, wie's steht! Ich werde

Zu einem Fest geladen, doch man sagt

Mir nicht, warum das Fest gegeben wird!

Zwar kann ichs ahnen, doch ich muß es wissen!

Nicht wahr: Herodes kehrt zurück? Wir werden

Ihn heut noch sehn? Die Kerzen sagen ja,[563]

Die lustige Musik! Tu du es auch!

Ich frag nicht meinetwegen! Doch du weißt –

Nein, nein, du weißt es nicht, du hasts vergessen,

Du hast vielleicht geträumt, sie sei begraben,

Sonst hättst du ihr die Kunde nicht verhehlt,

Allein dein Traum hat dich getäuscht, sie sitzt

Noch immer in der Ecke, wo sie saß,

Als sie dich segnete –

MARIAMNE.

Was redest du?

SALOME.

Genug! Herodes hat noch eine Mutter,

Die bangt um ihren Sohn und härmt sich ab.

Und ich, ich bitt dich: laß sie das Verbrechen,

Daß sie auch mich gebar, nicht länger büßen,

Gib ihr den Trost, nach dem ihr Herz verlangt!

MARIAMNE.

Ich hab für seine Mutter keinen Trost!

SALOME.

Du hast Herodes heut nicht zu erwarten?

MARIAMNE.

Nichts weniger! Ich hörte, er sei tot!

SALOME.

Und feierst dieses Fest?

MARIAMNE.

Weil ich noch lebe!

Soll man sich denn nicht freun, daß man noch lebt?

SALOME.

Ich glaub dir nicht!

MARIAMNE.

Viel Dank für deinen Zweifel!

SALOME.

Die Kerzen –

MARIAMNE.

Sind sie nicht zum Leuchten da?

SALOME.

Die Zimbeln –

MARIAMNE.

Müssen klingen, weißt dus anders?

SALOME deutet auf Mariamnens reiche Kleidung.

Die Edelsteine –

MARIAMNE.

Stünden dir zwar besser –

SALOME.

Das alles deutet –

MARIAMNE.

Auf ein Freudenfest!

SALOME.

Das über einem Grabe –

MARIAMNE.

Es ist möglich!

SALOME.

Dann – Mariamne, hör ein ernstes Wort!

Ich hab dich stets gehaßt, doch immer blieb mir

Ein Zweifel, ob es auch mit Recht geschah,

Und reuig hab ich oft mich dir genähert,

Um –[564]

MARIAMNE.

Mich zu küssen! Einmal tatst dus gar!

SALOME.

Jetzt aber seh ich, du bist –

MARIAMNE.

Schlecht genug,

Dich stehn zu lassen und mich in die Schar

Zu mischen, welche dort den Tanz beginnt!

Soemus!

SOEMUS reicht ihr den Arm.

Königin!

MARIAMNE.

So hat Herodes

Mich ganz gewiß gesehen, als er dir

Den blutigen Befehl gab. Wunderbar!

Es ist nun wirklich alles so gekommen!


Im Abgehen zu Salome.


Du siehst doch zu?


Von Soemus in den Hintergrund geführt, sie beide nicht mehr gesehen werden.


SALOME.

Dies Weib ist noch viel schlechter,

Als ichs mir dachte! Das will etwas sagen!

Drum hat sie auch die bunte Schlangenhaut,

Mit der sie alles ködert! – Ja, sie tanzt!

Nun, wahrlich, jetzt ist mein Gewissen ruhig,

Der kann kein Mensch auf Erden Unrecht tun!


Sie sieht Mariamnen zu.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 563-565.
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