[565] Alexandra kommt mit Titus.
ALEXANDRA.
Titus, du siehst, wie meine Tochter trauert!
TITUS.
Sie hat wohl neue Botschaft von Herodes?
ALEXANDRA.
Die Botschaft, daß es mit ihm aus ist! Ja!
TITUS sieht nach Mariamnen.
Sie tanzt!
ALEXANDRA.
Als wäre sie, statt Witwe, Braut!
Titus, sie trug bis heute eine Maske,
Und, merk dir das, sie tat es nicht allein!
TITUS.
Sehr gut für sie! Dann bleibt sie, was sie ist!
Gehört sie zu den Feinden des Herodes,
So wird sie nicht mit seinen Freunden büßen![565]
ALEXANDRA.
Um das zu zeigen, gibt sie ja dies Fest!
Entfernt sich von Titus.
TITUS.
Es schaudert mir vor diesen Weibern doch!
Die eine haut dem Helden, den sie erst
Durch heuchlerische Küsse sicher machte,
Im Schlaf den Kopf ab, und die andre tanzt,
Um sich nur ja die Krone zu erhalten,
Wie rasend, auf dem Grabe des Gemahls!
Um das zu sehn, ward ich gewiß geladen –
Er sieht wieder nach Mariamnen.
Ja, ja, ich sehs und wills in Rom bezeugen –
Doch trinke ich hier keinen Tropfen Wein!
SALOME.
Was sagst du, Titus? Steht es mit dem König
So schlecht, daß die schon alles wagen darf?
TITUS.
Wenn er nicht gleich sich zum Octavian
Geschlagen und dem Marc Anton vorm Fall
Den letzten Stoß noch mitgegeben hat,
Und das bezweifle ich, so stehts nicht gut!
SALOME.
O hätt ers doch getan! – Wenn die den Kopf
Behält, so weiß ich nicht, warum der Herr
Das Blut der üpp'gen Jesabel den Hunden
Zu lecken gab!
Verliert sich unter die übrigen.
TITUS.
Sie tanzt noch fort! Doch scheints
Ihr nicht ganz leicht zu sein! Sie müßt erglühen,
Doch sie erbleicht, als ob sie in Gedanken
Was andres täte und nur unwillkürlich
Dem Reigen folgte! Nun, auch diese Judith
Hat wohl nicht ohne Angst ihr Werk vollbracht!
Und die da muß den letzten Kuß des Mannes,
Den sie hier jetzt vor mir so feierlich
Verleugnet, noch auf ihrer Lippe fühlen,
Auch sah sie ihn ja noch nicht tot! – Sie kommt!
MARIAMNE erscheint wieder. Alexandra und Soemus folgen ihr.
ALEXANDRA zu Mariamne.
Ich sprach mit Titus!
MARIAMNE erblickt bei einer plötzlichen Wendung ihr Bild im Spiegel.
Ha![566]
ALEXANDRA.
Was hast du denn?
MARIAMNE.
So hab ich mich ja schon im Traum gesehn! –
Das also wars, was mich vorhin nicht ruhn ließ,
Bis der verlorene Rubin sich fand,
Der jetzt auf meiner Brust so düster glimmt:
Das Bild hätt eine Lücke ohne ihn! –
Auf dieses folgt das letzte bald!
ALEXANDRA.
Komm zu dir!
MARIAMNE.
So laß mich doch! – Ein Spiegel, ganz, wie der!
Zu Anfang angelaufen, wie vom Hauch
Des Atmenden, dann, wie die Bilder, die
Er nacheinander zeigte, sanft sich klärend
Und endlich leuchtend, wie geschliffner Stahl.
Ich sah mein ganzes Leben! Erst erschien ich
Als Kind, von zartem Rosenlicht umflossen,
Das immer röter, immer dunkler ward:
Da waren mir die eignen Züge fremd,
Und bei der dritten Wandlung erst erkannt ich
Mich in dem gar zu jungen Angesicht.
Nun kam die Jungfrau und der Augenblick,
Wo mich Herodes in den Blumengarten
Begleitete und schmeichelnd zu mir sprach:
So schön ist keine, daß sie deine Hand
Nicht pflücken dürfte! – Ha, er sei verflucht,
Daß ers so ganz vergaß! So ganz! Dann wards
Unheimlich, und ich mußte wider Willen
Die Zukunft schaun. Ich sah mich so und so,
Und endlich, wie ich hier steh!
Zu Alexandra.
Ist es denn
Nicht seltsam, wenn ein Traum ins Leben tritt? –
Nun trübte sich der helle Spiegel wieder,
Das Licht ward aschenfarbig, und ich selbst,
Die kurz zuvor noch Blühende, so bleich,
Als hätt ich unter diesem Prachtgewand
Schon längst aus allen Adern still geblutet.
Ein Schauder packte mich, ich rief: Jetzt komme
Ich als Geripp, und das will ich nicht sehn!
Da wandt ich mich –
Sie wendet sich vom Spiegel ab.[567]
STIMMEN IM HINTERGRUND.
Der König!
Allgemeine Bewegung.
ALEXANDRA.
Wer?
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