[Widmungsgedicht]

[304] Sr. Majestät,

dem

KÖNIG CHRISTIAN DEM ACHTEN

von Dänemark

in tiefster Ehrfurcht gewidmet[304]


Dem Dichter ist es an- und eingeboren,

Daß er sich lange in sich selbst versenkt,

Und, in das innre Labyrinth verloren,

Des äußeren der Welt erst spät gedenkt;

Und dennoch hat ihn die Natur erkoren,

Zu zeigen, wie sich dies mit dem verschränkt,

Und es in klarem Bilde darzustellen,

Wie beide sich ergänzen und erhellen.


Denn nicht, wie wohl ein irdscher Künstler, spielend,

Wenn er zurück von seiner Tafel trat,

Dem Lieblingskind, das, lüstern darnach schielend,

Schon längst ihn still um seinen Griffel bat,

Ihn freundlich darreicht, auf nichts andres zielend,

Als daß es, träumend von gewaltger Tat,

Sein Meisterstück in toten, groben Zügen

Nachbilde, wie es kann, sich zu vergnügen;


Nur, weil sie selbst, ins einzelste zerfließend,

Sich endlich auch doch konzentrieren muß,

Und, in dem Teil als Ganzes sich genießend,

Den Anfang wieder finden in dem Schluß,

Der, sich mit der Idee zusammenschließend,

Ihr erst verschafft den höchsten Selbstgenuß,

Den alle untern Stufen ihr verneinen:

Rein, ganz und unverworren zu erscheinen;


Nur darum hat sie, statt ihn zu zerbrechen,

Dem Menschen ihren Zauberstab vertraut,

Als sie, bereit, ihr: es ist gut! zu sprechen,

Zum letzten Mal das Weltall überschaut,

Und dieser stellt nun, das Gesetz zu rächen

Am plumpen Stoff, dem ewig davor graut,

In den geschloßnen ersten Kreis den zweiten,

Wo sie nur noch harmonisch sich bestreiten.[305]


Und, anfangs schauernd vor der hohen Gabe,

Wird sich der fromme Künstler bald bewußt,

Daß er zum Dank sich selbst zu opfern habe,

Und steigt nun tief hinab in seine Brust;

Er fragt nicht, ob ihn auch die Nacht begrabe,

Er geht, so weit er kann, in banger Lust,

Und führt sein Narr im Wappen die Versöhnung,

Er hofft nur kaum auf sie, wie auf die Krönung!


Doch, wenn er lange so den roten Faden

Aus sich hervor spinnt, der ihn führen kann,

So wird er plötzlich durch den Geist geladen:

Nun lege ihn in der Geschichte an!

Dies ist ein wahrer Ruf von Gottes Gnaden,

Und wer nicht folgt, der zeigt, daß er zerrann!

Ich habe vorlängst diesen Ruf vernommen,

Da hab ich nicht gesäumt, ich bin gekommen.


Und wie mein Blick sich lenkte in das Weite,

War mir auch flugs die Sehnsucht eingeflößt,

Die äußre Welt zu schaun in ihrer Breite,

Allein der Mittel sah ich mich entblößt.

Doch gleich stand mir ein Genius zur Seite,

Und von der Scholle ward mein Fuß gelöst,

Und was dies hieß, das kann ich jetzt erst wägen,

Wo sich zur Frucht verdichten will der Segen.


Du warst es, Herr und Fürst! Laß dirs gefallen,

Daß ich zum Danke jetzt dies kleine Bild,

Vielleicht das einfach-schlichteste von allen,

Worin sich mir das Welt-Geschick enthüllt,

Dir bringe, und, wen sichs für Königs-Hallen

Auch schlecht nur eignet, sei ihm dennoch mild!

Es ist des neuen Frühlings erstes Zeichen,

Und als das erste durfte ichs dir reichen![306]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 304-307.
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