Die Irrlichter

[62] Es wandlen in der stille dunkle Nacht

wohl Engel um, mit Sterneblume bchrönt,

uf grüne Matte, bis der Tag verwacht,

und do und dört e Betzitglocke tönt.

Sie spröche mitenander deis und das,

sie machen öbbis mitenander us;

's sin gheimi Sache, niemes rotet, was?

Druf göhn sie wieder furt, und richte's us.

Und stoht ke Stern am Himmel und ke Mon,

und wemme nümme sieht, wo d'Nußbäum stöhn,

müen selli Marcher usem Füür an d'Fron,

sie müen den Engle zünde, wo sie göhn.[62]

Und jedem hangt e Bederthalben a,

und wenn's em öd wird, lengt er ebe dri,

und biißt e Stückli Schwefelschnitten a,

und trinkt e Schlückli Treber-Brenntewi.

Druf puzt er d'Schnören amme Tschäubli ab.

Hui, flackeret's in liechte Flammen uf,

und, hui, goht's wieder d'Matten uf und ab,

mit neue Chräfte, d'Matte ab und uf.

's isch chummliger so, wenn eim vorem Fuß

und vor den Auge d'Togge selber rennt,

as wemme sie mit Hände trage muß,

und öbbe gar no d'Finger dra verbrennt.

Und schritet spot e Mensch dur d'Nacht derher,

und sieht vo witem scho die Kerli goh,

und betet lisli: »Das walt Gott der Herr« –

»Ach bleib bei uns« – im Wetter sind sie do.

Worum? So bald der Engel bete hört,

se heimelet's en a, er möcht derzu.

Der füürig Marcher blieb jo lieber dört,

und wenn er chunnt, se hebt er d'Ohre zu.

Und schritet öbsch e trunkne Ma dur d'Nacht,

er fluecht und sappermentet: »Chrütz und Stern«

und alli Zeichen, aß der Bode chracht,

sel hörti wohl der füürig Marcher gern.

Doch wird's em nit so gut. Der Engel seit:

»Furt, weidli furt! Do magi nüt dervo!«

Im Wetterleich, sen isch der wiit und breit

kei Marcher me, und au kei Engel do.

Doch goht me still si Gang in Gottis Gleit,

und denkt: »Der chönnet bliben oder cho,

ne jede weiß si Weg, und 's Tal isch breit«,

sel isch's vernünftigst, und sie lön ein go.

Doch wenn der Wunderfitz ein öbbe brennt,

me lauft im Uverstand den Engle no,

sel isch ene wie Gift und Poperment;

im Augenblick se lön sie alles stoh.[63]

Z'erst sage sie: »Denkwol es isch si Weg,

er goht verbei, mer wen e wenig zruck!«

So sage sie, und wandle still us Weg,

und sieder nimmt der füürig Ma ne Schluck.

Doch folgt me witers über Steg und Bort,

wo nummen au der Engel goht und stoht,

se seit er z'lezt: »Was gilt's, i find en Ort;

du Lappi, wo di Weg nit dure goht!«

Der Marcher muß vora, mit stillem Tritt

der Engel hinterher, und lauft me no,

se sinkt men in e Gülle, 's fehlt sie nit.

Jez weisch di Bricht, und jez chasch wieder goh!

Nei, wart e wenig, 's chunnt e guti Lehr!

Vergiß mer's nit, schrib's lieber in e Buch!

Zum erste sagi: ›Das walt Gott der Her‹

isch alliwil no besser, as e Fluch.

Der Fluch jagt d'Engel mittem Heil dervo;

ne christli Gmüet und 's Bette zieht si a;

und wemme meint, me seh ne Marcher cho,

's isch numme so d'Laterne vorne dra.

Zum anderen, und wenn en Ehrema

ne Gschäft für ihn ellei z'verrichte het,

so loß en mache! Was goht's di denn a?

Und los nit, wemme mittem Nochber redt!

Und goht me der us Weg, se lauf nit no!

Gang diner Wege fort in Gottis Gleit!

's isch Uverstand, me merkt's enanderno,

und 's git en Unehr. Sag, i heig der's gseit.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 62-64.
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