|
[87] Er schloft, er schloft! Do lit er, wie ne Grof!
Du lieben Engel, was i bitt,
bi Lib und Lebe verwachmer nit,
Gott gunnt's mim Chind im Schlof!
Verwachmer nit, verwachmer nit!
Di Mutter goht mit stillem Tritt,
sie goht mit zartem Muttersinn,
und holt e Baum im Chämmerli dinn.
Was henki der denn dra?
Ne schöne Lebchuechema,
ne Gitzeli, ne Mummeli
und Blüemli wiiß und rot und gel
vom allerfinste Zuckermehl.
's isch gnueg, du Mutterherz!
Viel Süeß macht numme Schmerz.
Gib's sparsem, wie der liebi Gott,
nit all Tag helset er Zuckerbrot.
Jez Rümmechrüsliger her,
die allerschönste, woni ha,
's isch nummen au kei Möseli dra.
Wer het sie schöner, wer?
's isch wohr, es isch e Pracht,
was so en Öpfel lacht;
und isch der Zuckerbeck e Ma,
se mach er so ein, wenn er cha.
Der lieb Gott het en gmacht.
Was hani echt no meh?
Ne Fazenetli wiiß und rot,
und das eis vo de schöne.
O Chind, vor bittre Träne
biwahr di Gott, biwahr di Gott!
Und was isch meh do inn?
ne Büechli, Chind, 's isch au no di.
I leg der schöne Helgeli dri,
und schöni Gibetli sin selber drinn.[88]
Jez chönnti, traui, goh;
es fehlt nüt meh zum Gute –
Potz tausig, no ne Rute!
Do isch sie scho, do isch sie scho!
's cha si, sie freut di nit,
's cha si, sie haut der 's Füdeli wund;
doch witt nit anderst, sen isch's der gsund;
's mueß nit si, wenn d' nit witt.
Und willsch's nit anderst ha,
in Gottis Name seig es drum!
Doch Muetterlieb isch zart und frumm,
sie windet roti Bendeli dri,
und macht e Letschli dra.
Jez wär er usstaffiert,
und wie ne Maibaum ziert,
und wenn bis früeih der Tag verwacht,
het 's Wiehnechtchindli alles gmacht.
De nimmsch's und danksch mer's nit;
drum weisch nit, wer der's git.
Doch macht's der numme ne frohe Mut,
und schmeckt's der numme, sen isch's scho gut.
Bim Bluest, der Wächter rüeft
scho Ölfi! Wie doch d'Zit verrinnt,
und wie me si vertieft,
wenn's Herz an näumis Nahrig findt!
Jez, bhütdi Gott der Her!
En anderi Cheri mehr!
Der heilig Christ isch hinecht cho,
het Chindes Fleisch und Blut agno.
Wärsch au so brav wie er!
Ausgewählte Ausgaben von
Alemannische Gedichte
|
Buchempfehlung
Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro