An denselben

[204] Wie? Was sagetder, aß der seiget, in Eure Epistle?

Schatzigbleger? Nei, was muß me für Sachen erlebe?

Hender d'Schatzig bleit, Her Gyßer? Jesis, gent Achtig,

wenn sie jünglet, wie's ich goht! Das chönnemer bruche.

Was het selle gseit, wo ghört het, d'Sunne heig gwibet?

's stoht ins Vetters Fable. Er het mit schrundige Hände

in de Hoore gchratzt. »I mein, sie mach eim alleinig

heiß gnug«, het er gseit, »mit ihrem durstigen Otem,

und trinkt alli Brunnen us; 's wird suferi Arbet

werde, wenn sie Jungi het, und hinter de Berge

wie ne Gluckere füre chunnt mit sieben und achte.«

Lueget, so wird's goh, wenn d'Schatzig Bueben und Meidli

überchunnt und lebig bhaltet, gfräßige Chinder,

's wird nit z'bschribe si, was für e Lamento ins Land chunnt.

Vetter Gyßer, loset, der hent doch bsunderi Jeste!

Jo, i mueß es sage, und wenn's mi gnädige Landsher

über churz und lang erfahrt, und henktich der Brotkorb

höcher, wie der selber förchtet, nimmt's mi nit wunder.

Isch's ich öbbe, wil der Moler z'Müllen eweg chunnt,

gumperig, und meinet, jez lueg ich niemes uf d'Ise?

Hender gmeint? Jowohl! Sie hen scho wieder en andre

in der Machi, und er würd ich d'Zeche verlese.

Wie het Rehabeam gseit? »Mein Finger«, seit er, »soll schwerer

sein als meines Vaters Arm.« Der werdet's erfahre![205]

Holzma heißt er, sage d'Lüt, er schribt si vo Spir her

ehnen am breite Rhi, wo jez der Premie Consul

d'Schatzig bleit, und 's Volch regiert mit bluetige Hände.

Vetter Gyßer, 's fallt mer i, isch nit wohr, mer hen doch

mengerlei Heren im Land von allen Enden und Orte.

und mir sin no als die brävste? Hättemer numme

näumis glehrt! Mer hätte doch so ordli der Zit gha.

Aber jez isch z'spotl Und mengmol, wenn mini Schüler

mehr verstöhn as ich, und froge mi spitzigi Sache,

woni selber nit weiß, se sagi: »Loset, der müent ein

nit gli z'Schande mache! 's isch almig nit gsi, wie's jez isch,

mittem Lehre, und me het just d'Glegeheit nit gha.

Bhaltet's binich, was der wüsset! Wendet's im stillen

a, und werdet brav, und saget, der heiget's bi mir glehrt,

i au no Ehr erleb, und dankbari Zite!«

Vetter Gyßer, hent der Buebe, soll ein e Pfarer

werde, hani nüt derwider. Rüeihig verlebt er

sini Stunden uffem Land. Ne freudige Wechsel

zwischen Arbet und Rueih, und zwische Studieren und Martsche,

zwischen Essen und Verdaue flicht si durch's Lebe.

Ob em hangt der Himmel voll Sunne, Sternen und Gige;

unterem der Boden, er treit em fruchtberi Zehnte.

Uf de Matte weide d'Chüeih, ihm trage sie d'Milch zue;

an de Berge grase d'Schof, ihm chrüslet si d'Wulle;

in den Eichle chnarflet d'Sau, ihm leit sie der Speck a.

Färlet näume ne Moor, het au der Pfarer si Säuli.

Meint der Fürst, er heig si Sach an Zinsen und Gfälle,

mueß er mittem Pfarer teilen oder Prozeß ha.[206]

Drum, Her Gyßer, was i sag, und wenn ein e Pfarer

werde will, und wenn e schöni mannberi Tochter

no nem Vikari luegt, und er luegt wieder no ihre,

und sie wechsle mitenander fründligi Rede,

lönt sie mache, sagi. Doch vorem leidige Schulstaub

soll der Himmel euer Chind in Gnade biwahre.

Aber mi Red nit z'vergessen und eui Jesten und Rime,

jo, i ha sie übercho; si hemmer e Freud gmacht,

bsunders selli Frau. Wie isch's ere endli no gange?

Isch sie wieder z'Chräfte cho? I möchtere's gunne.

Oder het sie g'endet, und trinkt in blaue Reviere

Sterneluft und Himmelstau, und mutteret nümme?

Helfis Gott! Mer werde au no 's Bündeli mache,

und ins himmlisch Canaan der Weg unter d'Füeß neh!

's seig e gangberi Stroß; sie gang gwiß übere Chilchhof.

Sieder wemmer leben, und 's Lebe freudig verbruuche,

Trübli esse, Neue trinke, Chestene brote!

(Vetter Gyßer, chunnt deim Buur si sunnige Rebberg

mit der Zit an Stab, se bietet für mi. Es chunnt mer

nit uf näumis a, und d'Morgesunnen isch viel wert.

Lueget, jez mueßi in d'Schul, sust wotti no allerlei sage.

Bhüetich Gott! Vergelt's Gott au! Und chömmet bal wieder.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 204-207.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Bunte Steine. Ein Festgeschenk 1852

Noch in der Berufungsphase zum Schulrat veröffentlicht Stifter 1853 seine Sammlung von sechs Erzählungen »Bunte Steine«. In der berühmten Vorrede bekennt er, Dichtung sei für ihn nach der Religion das Höchste auf Erden. Das sanfte Gesetz des natürlichen Lebens schwebt über der idyllischen Welt seiner Erzählungen, in denen überraschende Gefahren und ausweglose Situationen lauern, denen nur durch das sittlich Notwendige zu entkommen ist.

230 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon