Prolog

[71] Es war mal ein Ritter trübselig und stumm,

Mit hohlen, schneeweißen Wangen;

Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,

In dumpfen Träumen befangen.

Er war so hölzern, so täppisch, so links,

Die Blümlein und Mägdlein, die kicherten rings,

Wenn er stolpernd vorbeigegangen.


Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;

Er hatt sich vor Menschen verkrochen.

Da streckte er sehnend die Arme aus,

Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.

Kam aber die Mitternachtstunde heran,

Ein seltsames Singen und Klingen begann –

An die Türe da hört er es pochen.


Da kommt seine Liebste geschlichen herein

Im rauschenden Wellenschaumkleide,

Sie blüht und glüht wie ein Röselein,

Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.

Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,

Die Äuglein grüßen mit süßer Gewalt –

In die Arme sinken sich beide.


Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,

Der Hölzerne steht jetzt in Feuer,

Der Blasse errötet, der Träumer erwacht,

Der Blöde wird freier und freier.[71]

Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,

Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt

Mit dem weißen, demantenen Schleier.


In einen kristallenen Wasserpalast

Ist plötzlich gezaubert der Ritter.

Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast

Vor alle dem Glanz und Geflitter.

Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,

Der Ritter ist Bräut'gam, die Nixe ist Braut,

Ihre Jungfraun spielen die Zither.


Sie spielen und singen, und singen so schön,

Und heben zum Tanze die Füße;

Dem Ritter, dem wollen die Sinne vergehn,

Und fester umschließt er die Süße –

Da löschen auf einmal die Lichter aus,

Der Ritter sitzt wieder ganz einsam zu Haus,

In dem düstern Poetenstübchen.

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 71-72.
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