Ganz entsetzlich ungesund

Ganz entsetzlich ungesund

Ist die Erde, und zugrund',

Ja, zugrund' muß alles gehn,

Was hienieden groß und schön.


Sind es alten Wahns Phantasmen,

Die dem Boden als Miasmen

Stumm entsteigen und die Lüfte

Schwängern mit dem argen Gifte?


Holde Frauenblumen, welche

Kaum erschlossen ihre Kelche

Den geliebten Sonnenküssen,

Hat der Tod schon fortgerissen.


Helden, trabend hoch zu Roß,

Trifft unsichtbar das Geschoß;

Und die Kröten sich beeifern,

Ihren Lorbeer zu begeifern.


Was noch gestern stolz gelodert,

Das ist heute schon vermodert;[430]

Seine Leier mit Verdruß

Bricht entzwei der Genius.


O wie klug sind doch die Sterne!

Halten sich in sichrer Ferne

Von dem bösen Erdenrund,

Das so tödlich ungesund.


Kluge Sterne wollen nicht

Leben, Ruhe, Himmelslicht

Hier einbüßen, hier auf Erden,

Und mit uns elendig werden –


Wollen nicht mit uns versinken

In den Twieten, welche stinken,

In dem Mist, wo Würmer kriechen,

Welche auch nicht lieblich riechen –


Wollen immer ferne bleiben

Vom fatalen Erdentreiben,

Von dem Klüngel und Geruddel,

Von dem Erdenkuddelmuddel.


Mitleidsvoll aus ihrer Höhe

Schaun sie oft auf unser Wehe;

Eine goldne Träne fällt

Dann herab auf diese Welt.
[431]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 424-425,430-432.
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