Die schlesischen Weber

[343] Im düstern Auge keine Träne,

Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:

»Deutschland, wir weben dein Leichentuch,

Wir weben hinein den dreifachen Fluch –

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten

In Winterskälte und Hungersnöten

Wir haben vergebens gehofft und geharrt,

Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,

Den unser Elend nicht konnte erweichen,

Der den letzten Groschen von uns erpreßt,

Und uns wie Hunde erschießen läßt –

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem falschen Vaterlande,

Wo nur gedeihen Schmach und Schande,

Wo jede Blume früh geknickt,

Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt –

Wir weben, wir weben!
[343]

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,

Wir weben emsig Tag und Nacht –

Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,

Wir weben hinein den dreifachen Fluch,

Wir weben, wir weben!«
[344]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 343-345.
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