Hüttenlicht

1.

[184] Finster der Bergrücken;

Schwarzem Ungeheuer gleich,

Langgelagert,

Droht er herüber.

Also lastet und schiebt das Schicksal

Sich dem unglückseligen Menschen

Grausam näher, furchtbar nah ...

Wo du auch weilest,

Wer du auch seist,

Zittere nicht!

An dem Himmel zünden

Trostreich sich die Sterne,

Und am Abhang selber

Geht ein Lichtlein

Traulich fernhinblinkend auf ...

Irgendwo ist eine Hütte,

Irgendwo ist eine Liebe,

Gibt dem alpbedrückten Wandrer

Neue Hoffnung, neuen Mut.
[185]

2.

Und wo es sei, laß uns der Hütte trauen,

Und wie es geh, schweb' uns voraus das Licht,

Dann braucht vor keiner Zukunft uns zu grauen,

Dann schreckt der Wandel des Geschicks uns nicht.


An ihrer Hütte muß die Liebe bauen

Allmorgendlich mit treuem Angesicht,

Muß jeden Abend nach dem Lichte schauen,

Als schüfe sie ein lebendes Gedicht.


Denn Liebe bleibt die Meisterin der Meister,

Sie schaut und baut mit Schöpferblick und -Hand

An der Vollendung schön vermählter Geister.


Ihr unablässig Bilden leiht Bestand

Der süßen Neigung, zieht der Willkür Schranken

Und läßt das Herz nicht weichen und nicht wanken.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 184-186.
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