Zuflucht der Seele

[218] Seltene Wollust sog ich aus jenen Gefühlen,

Die den Täuschern der Worte verschlossen sind –

Meine Seele barg sich in stillen Asylen,

Fern dem tauben Schall und dem hohlen Wind.


Ach, aus Bitternissen des Lebens quollen

Süße Zufluchtstunden der Dämmerung,

Land der scheinenden Lüge lag verschollen,

Und es kam wie Wonne der Heiligung.


Alles Leid der tiefer erschlossenen Dinge,

Alles lösende Lachen der letzten Macht,

Alles leise Schweben auf ewiger Schwinge

Jenseits mutzermalmender Niedertracht –


Was wie Schluchzen an quellenden Mutterbrüsten,

Was wie Jauchzen der siegenden Liebe war,

Wo die Seelen heimlich-erhaben sich küßten

Vor dem unverletzlichen Brautaltar ...

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 218-219.
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