Herbst-Stimmung

[390] (Einem fernen kranken Freunde.)


Ade, ihr Blumen! müßt nun all' verderben,

Der Rose Pracht ist lange schon verglüht;

Bald neigte dann die Lilie sich zum Sterben,

Dann sind die duft'gen Nelken auch verblüht.


Wie sind so wenig Blumen noch zu sehen

Von all dem bunten, fröhlichen Gewühl,

Und die auch müssen alle bald vergehen:

Es weht vom Abend her so herbstlich kühl.


Die blasse Sonne will noch einmal grüßen,

Sie kann vor Wehmuth nicht, sie hüllt sich ein.

Dürft' ich wie sie das müde Auge schließen!

Wie muß doch Sterben gar so selig sein.
[391]

Wir irren, träumen, suchen viel hienieden,

Und eh' wir's ahnen, kommt das Abendroth,

Dann lächeln wir und folgen ihm in Frieden,

Dem Heimath-Boten, ja, dem ernsten Tod. –


Du, treuer Bruder, in der blauen Ferne,

Ist Dir wie mir so herbstlich und so weh?

Wie denk' ich Dein in stiller Wehmuth gerne,

Du reife Seele, denke mein! Ade! –

Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 390-392.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
Lieder aus dem Nachlaß