Anastasius Grün

[50] Wien, 13. Februar 1840


(Anastasius Grün befindet sich seit einigen Tagen hier, um sich um den Kammerherrnschlüssel zu bewerben, da seine Frau, geborene Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf soll dem Poeten völlig entsagt haben. Leipz. Allg. Z.)


Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,

Sei, Todesengel, heut an dich gerichtet:

Tritt in die Hütte, an die harte Streu,

In den Palast, und horch, wo einer dichtet!

Solang er sich und seinem Schmerze treu,

Bei seinem schönsten Lied werd' er vernichtet!

Für tausend Tote will ich Tränen haben;

Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!


Ein Fähndrich warf das Banner hin und floh,

Und hat sein Heer, halb siegreich schon, verlassen.

Ich aber frage angsterfüllet: Wo,

Wo darf ich ferner lieben oder hassen?

Ein Lied, begeistert, traurig oder froh –

Am Ende wird's ein Spottlied auf den Gassen!

Das wie ein Held gepanzert vorwärts drang,

Dein Lied, auch deines, wär' der Lüge Klang?
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O, sage: Nein! O, sage jenen Flachen,

Daß ewig deiner Seele sie nicht wert!

Die Freiheit träumte jüngst noch vom Erwachen,

Als du ein »neues Ostern« uns beschert –

Behalt das Ruder! steure fort den Nachen,

Blitz' durch die Finsternis mit deinem Schwert!

Du wolltest in dem Rat der Spötter stehen?

Ich will dich lieber auf dem Munkatsch sehen!


Was gibt es wohl, das unverdorben bliebe,

Wo jene schwere Luft des Dünkels weht?

Zum Hasse wird im Herzen dort die Liebe,

Vergiftet auf der Lippe das Gebet!

Kein Stern so schön, daß er nicht bald zerstiebe,

Wenn er am Ordenssternenhimmel geht!

Und alles um ein Weib? Soll ich es glauben?

Ein Weib darf dich dir selbst – doch uns nicht rauben!


Darf man den Tempel um ein Weib entweihn?

Mit einem Weib um goldne Götzen tanzen?

Du willst nicht mehr so frei sein, frei zu sein?

Dein Schwert als Kreuzlein auf die Brust dir pflanzen?

Ich such' den Dichter nur in unsern Reihn –

Leb' wohl! Leb' wohl! Ich lass' dich deinen Schranzen!

Schon hör' ich dich: »Herz, Herz – nicht mehr so warm!

Wir gehn zu Hofe – Gräfin – Ihren Arm!«


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 50-51.
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